Die TERRORGRUPPE war hierzulande eine der wenigen Deutschpunkbands, die es spielend außerhalb des „Deutschpunk-Genres“ geschafft hat und damit sogar international Aufmerksamkeit erregen konnte. Man tourte, nahm jahrelang Platten auf und erspielte sich einen Ruf als wunderbare Liveband. Je älter die Band wurde, desto mehr entfernte sie sich vom schnellen Skatepunk und wurde immer poppiger (ohne dabei an Biss vermissen zu lassen). Sie selbst nannte das „Aggro-Pop“ – und dann war irgendwann Schluss. Aber jetzt, nach vielen Jahren, sind die Berliner wieder da, haben eine EP und jetzt sogar ein neues Album („Tiergarten“) am Start. Mehr als ein Grund also, den Jungs mal auf den Zahn zu fühlen.
Stellt euch bitte mal für unsere Leser vor, die entweder zu jung sind oder zu wenig mit deutschsprachigem Punk anfangen können, um euch noch zu kennen.
MC: Hallo lieber zu junge Leser, der zu wenig mit deutschsprachigem Punk anfangen kann. Ich bin MC MOTHERFUCKER von der TERRORGRUPPE.
JB: ... und ich Johnny Bottrop.
Was hat euch dazu bewogen, wieder als TERRORGRUPPE Musik zu machen? Oder kann man in Zeiten von AFD und Pegida gar nicht mehr anders?
MC: Johnny Bottrop und ich wollten wieder ein Album zusammen machen. Als TERRORGRUPPE ...
JB: ... als wir uns zum ersten Mal hingesetzt haben, um neue Texte und Töne auszutesten, da gab es diesen ganzen aktuellen Dreck ja noch gar nicht. Keine Abendland-Mobs mit rechten "Patrioten-Bürger", keine Brandanschläge, keine rechte Hasskotzhetze. Diese ganze braune Pest hat ja erst seit Herbst 2014 an Fahrt aufgenommen, zu der Zeit hatte die TERRORGRUPPE schon knapp 20 Shows gespielt, ein EP veröffentlicht – übrigens fast schon prophetisch: "Deutschland schafft sich endlich ab – was kann der Menschheit besseres passieren?" – und ungefähr elf neue Songs für eine LP. Die Songs "Blutbürger" und "Schlechtmensch" gab es damals noch nicht. Die sind erst in 2015 entstanden.
Wie kam es zu den Umbesetzungen? Und seit wann ist die Orgel bei euch so wichtig?
MC: Bei einem Comeback gibt es ja keine Umbesetzungen, sondern Neubesetzungen.
JB: Das ist ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Unsere alten Drummer waren alle anderweitig beschäftigt oder raus aus der Materie, also brauchten wir zur Wiederbelebung der Band einen neuen Drummer, und das wurde Kid Katze. Und Eros Razorblade haben wir zur Verstärkung in die Band geholt. Der spielt sehr viele verschiedene Instrumente und kann unseren Sound live und im Studio genial erweitern. An der Orgel ist er besonders gut und die war uns von Anfang an sehr wichtig, um die Band ein wenig mehr Proto-Punk-mäßiger klingen zu lassen. Bisschen mehr nach Stranglers, Blondie, Dickies oder mehr nach Garagen-Trash der 60er Jahre. Da ist so eine Orgel ein wichtiger stilistischer Faktor.
War euch von Anfang an klar, in welche Richtung es musikalisch gehen würde?
JB: Neee. Es gibt bei TERRORGRUPPE keinen Masterplan oder sowas. Es wird geprobt, ausprobiert und alles live eingespielt, alle fünf Bandmitglieder und ihre Verstärker zusammen in einem Raum. Aber natürlich zeichnet sich schon ganz am Anfang des Ausprobierens sowas wie 'ne Richtung ab.
MC: Ich sag' mal, die Richtung war grob umrissen und die Stellschrauben waren justiert, aber was dann beim Songwriting, Arrangieren und Produzieren passiert, das ist bei uns nie so ganz kontrollierbar. Da entwickelt die Band dann eher so ein intuitives Eigenleben, fernab von theoretischen Konzepten und Vorgaben.
Ihr habt ja früher auch mal auf dem amerikanischen bzw. internationalen Markt veröffentlicht. Ist das heute auch wieder eine Option?
MC: "Internationaler Markt" klingt so nach Monkey-Business. Aber ja, wir haben hin und wieder früher im nicht deutschsprachigen Ausland gespielt und auch hier und da mal etwas Musik lizensiert und veröffentlicht – und nein, das ist uns jetzt zu viel Arbeit. Die deutschsprachigen Länder reichen uns momentan komplett.
JB: Wir haben früher ungefähr 160 Tage im Jahr im Tourbus oder auf Flughäfen gesessen. Das möchte ich heutzutage nicht mehr. Das ist alles so entsetzlich gleichförmig. Und artifiziell ... man entfernt sich vom echten Leben.
Auf eurer Tour werdet ihr ja vermutlich auch viele alte Sachen spielen. Sitzen die Songs noch alle oder gab es auch Stücke, bei denen die Wiederaufarbeitung schwierig war? TERRORGRUPPE-Songbooks wird es ja vermutlich nicht geben.
MC: Der Körper erinnert sich an Vieles schneller, als man denkt. Ich empfand die ersten Proben eher als Training, als eine künstlerische Musikprobe. Obwohl ich zehn Jahre nicht mehr auf der Bühne stand und live gespielt habe, kam alles schnell wieder zurück. Allerdings musste ich erstmal wieder meine Finger und meine Stimme trainieren und mich daran gewöhnen, zwei Stunden lang eine fünf Kilo schwere Gitarre umgehängt zu haben.
JB: Ich habe mir eine leichtere Gitarre gekauft.
Was habt ihr eigentlich in der Zwischenzeit getrieben?
JB: Ich hab' für's Berliner Punk / HC-Label Destiny Records Platten veröffentlicht und mit den THE BOTTROPS und seit 2013 mit BERLIN DISKRET gespielt. Mach' ich auch immer noch.
MC: Ich hab' anderen Bands geholfen, ihre Musik zu produzieren und habe bei einigen speziellen Schützlingen auch das Tour- und Bandmanagement übernommen. Außerdem habe ich zwei Musik-DVDs produziert und ein bisschen gefilmt und geschnitten.
Ich habe Reggae und Ska ein wenig auf der Platte vermisst. Keine Lust mehr auf Off-Beats?
JB: Doch. "Dauerabo" und "Tiergarten" haben doch Off-Beats, nur ein bisschen geschickter eingebaut.
MC: Wir klingen wie immer anders. „Dauerabo“ und „Tiergarten“ sind schon Offbeat-beinflusste Songs. Allerdings hast du recht, Ska- und Reggae-Einflüsse sind weniger konsequent und eindeutiger als früher, dafür klingt der Offbeat-Touch jetzt viel cooler und verwobener, wie ich finde. Ich bin kein großer Freund von moderner Ska-Musik, diesen typischen europäischen oder südamerikanischen Speed-, Klamauk- und Gute-Laune-mit-widerlich-banalen-Bierzelt-Bläsersätzen-Ska find' ich zum Davonlaufen.
Was werdet ihr dieses Mal komplett anders machen, als zu euren Anfangstagen ... und warum?
JB: Nicht so lange in Interviews quasseln.
MC: Ich glaube, wir werden uns von diesem schwarzen Loch „Band“ nicht komplett vereinnahmen und aufsaugen lassen. Das habe ich mir zumindest fest vorgenommen. Weniger Bandleben, Parties und Drumrum-Quatsch – dafür mehr nur auf die Musik konzentrieren. Und weniger Tourneen.
Was können wir von euch in Zukunft erwarten?
MC: Bin ich Hellseher? Jetzt kommt erstmal unser neues Baby „Tiergarten“ zur Welt und dann spielen wir im Frühjahr eine 26-Städte-Tournee. Weiter kann ich noch nicht denken.
JB: ich vermag noch nicht so weit in die Zukunft zu schauen. Nächste Woche möchte ich mir ein neues kleines Live-Recording-Gerät kaufen ... und den Proberaum staubsaugen.
Famous Last Words?
JB: Kommt zu den Tiergarten-Shows! Es gibt nicht nur viel Neues zu hören, sondern auch einen wilden Potpourri aus alten Songs, die wir zum Teil schon seit 15 Jahren nicht mehr gespielt haben. Es wird eine äußerst abwechslungsreiche Show. Lasst euch überraschen.
www.terrorgruppe.com
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