Geschrieben von Helge Donnerstag, 03 März 2016 22:29
Tamas - Interview zum Debütalbum "Kopf.Stein.Pflaster"
Der Rapper TAMAS hat mit seinem Solo-Debüt „Kopf.Stein.Pflaster“ ein fettes Hardcore-Metal-Brett veröffentlicht: harte Musik trifft dabei auf extrem harte Texte. TAMAS ruft zu Gewalt, Widerstand und Randale auf – Grund genug, ihm mal im Interview auf den Zahn zu fühlen. Der Berliner ruft pünktlich an und ist gut gelaunt. Beste Voraussetzungen für ein Gespräch über den Unterschied zwischen Hip-Hop und Metal, die Obrigkeit und „fick dich“ als künstlerische Ausdrucksform.
Bist du ein Rapper, der zum Metal gekommen ist, oder ein Metaller, der zwischendurch mal gerappt hat?
Das Ding ist: Ich mache einfach Musik, und dabei sind mir Genres völlig egal. Irgendwie härter muss es bei mir aber schon sein. Dabei ist für mich Hip-Hop aber das gleiche wie Metal oder Punk. Das nimmt sich für mich nicht viel, außer, dass das eine mit Gitarren und das andere programmiert ist.
Interessante Einstellung – gerade die Metal- und die Hip-Hop-Szenen sehen sich ja recht verschieden und wollen nicht viel miteinander zu tun haben. Nimmst du diese Grenzen gar nicht wahr?
Nein, aber ich höre auch alles. Auf meinem Handy läuft gerade „Master Of Puppets“, und wenn das Album durchgelaufen ist, kommt so ein Elektro-Trance-Remix, zu dem man auch abgehen kann. So lange es Spaß macht, ist es geil.
Das stimmt wohl, aber denkst du nicht, dass viele das anders sehen? Mich würde zum Beispiel interessieren …
(Unterbricht lachend) ... ja, aber dafür bin ich doch da, Mensch! Um die Menschen zu vereinen!
… mich würde interessieren, ob du Reaktionen aus der Hip-Hop-Szene auf deinen Genrewechsel bekommen hast.
Nicht wirklich. Ich hatte erwartet, dass viele gewagt finden, was ich da mache. Aber irgendwie vertraut mir jeder. Die Reaktionen waren eher: Man merkt, dass du das bist, und solange ist alles in Ordnung.
Hast du dir mit diesem Metal-/Hardcore-Projekt einen Traum erfüllt, oder wie kamst du dazu?
Mein Label hat mir die Möglichkeit gegeben. Ich hatte schon ein paar Tracks fertig, zum Beispiel „Michael Jackson“. Die hat mein Label an Christoph Hessler von THE INTERSPHERE gegeben, ohne dass ich davon wusste. Mein Labelchef hat mir die neuen Versionen gezeigt und mich gefragt, ob ich da Bock drauf hätte. Da hab ich also dieses absolute Brett gehört und nur gesagt: natürlich!
Wie ist die Musik genau entstanden?
Ich bin zu Christoph Hessler nach Aschaffenburg gefahren und da haben wir das Ding runtergezimmert. Ich kann ja keine Noten schreiben oder so. Aber der Hessler, der hat echt Eier. Wenn ich dem gesagt habe: Spiel mal so bäm-radap-radap-bäm (intoniert ein Metalcore-Riff), dann hat der das direkt reingehauen. Der Arbeitsprozess war echt geil.
Hattest du deine Texte schon vorher fertig?
Ich hatte was vorbereitet, aber alles wieder verworfen. Wir haben dann direkt zusammen gearbeitet: Christoph Hessler hat die Instrumentals gemacht und eingespielt und währenddessen saß ich daneben und habe in mein Handy eingetippt, was mir gerade so eingefallen ist.
Sowohl die Musik als auch die Texte sind stark rhythmusorientiert. Habt ihr euch rhythmisch gegenseitig befruchtet?
Ja. Ich habe natürlich oft versucht, seine Rhythmik zu übernehmen. Bei Doublebass- oder Blastpassagen habe ich versucht, schneller darauf abzugehen. Vielleicht ist es zu viel geworden. Manche haben gesagt, dass es zu krass nach Rap klingt. Aber ich finde, der Drive muss sein.
Apropos Rap: Was ist eigentlich aus deiner Hip-Hop-Truppe DEINELTAN geworden?
Die gibt’s leider nicht mehr. Die Jungs kümmern sich jetzt um andere Sachen. Ich bin der einzige, der auf der Mucke hängengeblieben ist.
Hatten die nichts dagegen, dass du den Song „Fick die Cops“ nochmal aufgenommen hast?
Nee, auf keinen Fall. Die haben mir das Go dafür gegeben. Wir sind ja Freunde.
Für „Fick die Cops“ habt ihr damals ganz schön viel Prügel von der Staatsgewalt eingesteckt, der Fall war sogar vor Gericht. Was hat dich dazu bewogen, den Song noch einmal zu veröffentlichen?
Weil es einfach passt. Das Ding ist ja eigentlich ein komplettes Punk-Ding. Ich finde, es ist unglaublich gut geworden. Wie findest du's?
Für mich ist es einer der besten Tracks auf „Kopf.Stein.Pflaster“. Ich finde das Original auch gut, aber deine Version ist noch ein bisschen steiler.
Danke! Ja, das ist einfach der Drive, der durch die schnellen Riffs entsteht. Die Aggressivität und die Wut werden dadurch noch gefördert.
Gerade wegen „Fick die Cops“ wird dein Album häufiger mit BODY COUNTs „Cop Killer“ verglichen. Haben BODY COUNT dich musikalisch geprägt?
Ehrlich gesagt: Nicht wirklich, obwohl „Cop Killer“ unglaublich geil ist. Aber da gibt’s ältere Punksachen, die ich eher als Einfluss nennen würde, SEX PISTOLS und so. Was diese „Fick dich“-Haltung angeht, gab es einfach bessere als BODY COUNT. Aber natürlich war ICE-T sehr stilprägend, und deshalb bin ich für solche Vergleiche dankbar.
Gerade im Vergleich zu BODY COUNT fehlt mir in vielen deiner Texte eine klare Haltung. Ich finde, dass du oft nicht über einen Aufruf zur Randale hinausgehst.
Ich bin nicht so der Typ für den erhobenen Zeigefinger. Ich lasse mich lieber aus und antworte persönlich, wenn mich jemand fragt, warum ich etwas gesagt habe. Vielleicht mache ich auch nochmal was, wo ich mich selbst erkläre, aber die Zeit war nicht reif. Aber ich finde es geil, dass du fragst, denn ich glaube, es hat noch gar keiner mitbekommen, dass ich auf meinem Album einfach nur „fick dich“ sage.
Es gibt im Netz ein Foto-Interview mit dir. Du wirst nach deiner politischen Einstellung gefragt und du zeigst nur den Mittelfinger.
Wie hätte ich das auch sonst darstellen sollen? Im Moment läuft einiges schief. Die Leute sind total sauer auf Merkel, und im Endeffekt kriegen es die Flüchtlinge ab.
Du hättest auf dem Foto auch nach rechts oder links zeigen können.
Ja, klar. Ich bin natürlich eine linke Ratte. Aber ehrlich gesagt gibt es überall Idioten. Ich will jetzt nichts relativieren oder sagen, dass es auch coole Nazis gibt. Das sind alles Hurensöhne. Aber es gibt auch Deutsche, die wirklich verzweifelt sind. Die schwimmen mit dem Strom, weil sie glauben, dort eine Lösung zu finden. Und genauso gibt es bei den Linken welche, die nur auf Randale aus sind und Steine schmeißen wollen. Ich habe früher auch einen Scheiß gegeben und „Fick die Polizei“ gebrüllt. Aber irgendwann muss man auch mal nachdenken und erwachsen werden.
Aber um genau solche Themen geht's auf deinem Album.
Ja, aber auch meine Hörer sind ja hoffentlich erwachsen geworden. Wenn ein 14-Jähriger sich meine Mucke anhört, sind jedenfalls die Eltern schuld. Ich bin auch nur ein Künstler und meine Ausdrucksform auf dem Album ist eben „fick dich“. Das passt auch zur Mucke, was anderes hätte den Drive rausgenommen.
Kann ich nachvollziehen. So ist es auf jeden Fall ein sehr zeitloses Album geworden.
Geil, danke! Das ist ein schöner Satz. Da hab ich ein bisschen Gänsehaut gerade ... (lacht)
Empfindest du diese Wut auf das System wirklich so stark?
Mal mehr, mal weniger. Manchmal klappt's ja mit den Sachen, die sich die Obrigkeit vornimmt. Aber immer dann, wenn man merkt, dass die das Volk für dumm verkaufen wollen, regt es mich auf.
Wen meinst du konkret mit Obrigkeit? Die Bundesregierung?
Das fängt bei der Bundesregierung an, ich meine aber auch Großkonzerne zum Beispiel – auch wenn ich gerade eine Dose Red Bull in der Hand habe (lacht). Da werden Todesfälle vertuscht und so weiter. Ich habe zwar keinen Aluhut auf dem Kopf und bin sicher nicht der Typ, der an Verschwörungen glaubt. Aber man hat immer mal wieder das Gefühl, dass da was nicht stimmt. Und das nervt mich.
Die Wut kommt auf dem Album echt rüber, aber wie viel davon ist dann doch Rapper-Pose?
Ich bin im Berliner Bezirk Wedding groß geworden, und da sieht man das Elend. Manchmal sind die Leute auch zu blöd, sich um ihren eigenen Arsch zu kümmern, aber meistens haben sie einfach keine Chance. Deshalb sind die Emotionen auf dem Album echt.
Du bist jetzt live mit der Hip-Hop-Truppe RUFFICTION unterwegs. Freunde von dir?
Das sind sehr, sehr gute Freunde, Brüder im Herzen. Das ist über die Musik entstanden. Es passt unglaublich gut mit uns.
Fanden die die Idee sofort gut, einen Metal-/Hardcore-Act mitzunehmen?
Die finden das super. Das eigentliche Problem ist, dass die Musik vom Band kommt, weil die Bühnen zu klein sind. Aber das Publikum nimmt mich gut an. Ich wäre natürlich lieber mit meiner Band unterwegs, die liebe ich. Als wir mit CALLEJON unterwegs waren, sind wir echt zu einer energiegeladenen Truppe geworden.
Hat dich das Publikum von CALLEJON auch gut angenommen?
Ja, tatsächlich. Das hätte ich gar nicht gedacht. Ich habe Applaus bekommen und es gab ein paar kleine Pits. Wichtig war mir, dass CALLEJON meine Show cool finden, und die fanden es super. Schöne Grüße an die Jungs!
Was steht sonst bei dir an? Gibt es schon Pläne?
Ich will am liebsten touren und live spielen ohne Ende, weil man da am besten überzeugt. Ich will einfach nur ausrasten. Konkrete Tourpläne gibt es aber noch nicht.
Wirst du beim Metal bleiben, oder wird das nächste Album wieder Hip-Hop?
Ich will auf jeden Fall bei dem Metal-Zeug bleiben und weiter mit Christoph Hessler zusammen arbeiten. Ich werde aber auch vielleicht mit dem Rapper DCVDNS ein Projekt starten. Mal schauen.
Ich finde es ja übrigens sehr krass, dass du dir den Namen deines Labels „Auf! Keinen! Fall!“ hast unters Kinn tätowieren lassen.
Ja, na klar! Die haben mir ihr Vertrauen gegeben und baden alles aus, was ich verursache. Ich lasse mir immer Sachen tätowieren, die mir wichtig sind, und das Label ist Teil meines Lebens. „Auf keinen Fall“ entspricht auch meiner Einstellung, so ein bisschen dagegen. Außerdem macht das eine Tattoo den Kohl jetzt auch nicht mehr fett.
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