Ungläubig werden die Oldies von den herum stehenden Teens und Twens in Metalcore-Shirts, zerrissen Jeans und Chucks gemustert. Ja, wollen sie! Nach mittlerweile zehn Jahren Musikbusiness kennt man den Namen des CHELSEA GRIN Sängers in der Szene. Über eine Million Facebook-Fans hat die Band aus Salt Lake City, Utah (USA). Um das zu erreichen, hat sich Koehler den Hintern abgetourt. In dieser Zeit hat der Amerikaner nicht nur viele Freunde, sondern auch einige Bandmitglieder kommen und gehen sehen. Monatelang unterwegs zu sein ist eben nicht jedermanns Sache.
Die von Alex schon: „Ich bin gerne auf Tour. Klar, im Großen und Ganzen leben wir im Tourbus – und so sieht der auch aus“, fügt er entschuldigend hinzu. „Aber selbst auf relativ engem Raum mit den Jungs zu sein, macht mir nichts aus. Schließlich sind wir alle Kumpels und jeder versteht sich mit jedem gut.“ Der tätowierte Hüne wirkt sympathisch und entspannt, wenn auch ein wenig zurückhaltend. Das passt ins Bild: Geschätzt wird das Deathcore-Quintett nämlich nicht nur für ihre druckvolle Mucke und den Screams und Growls des Duos Koehler und Schlagzeuger Pablo Viveros sondern vor allem wegen der Texte.
„Ich schreibe über Dinge, die mich bewegen oder über Erfahrungen und Erlebnisse von mir nahestehenden Personen.“ Der Sänger ist während seiner Schulzeit gemobbt worden, hat eine Alkohol- und Drogenkarriere hinter sich und natürlich sind auch verlorene Freundschaften und Liebschaften ein Thema in den Songs. Drogen seien „im Moment“ kein Thema. Im Moment? Koehler grinst und lenkt ab, sogar auf Alkohol verzichte er derzeit: „Ich habe es damit eine ganze Weile übertrieben, das hat meinem Körper nicht gut getan.“
After-Show Partys in Clubs? Fehlanzeige! Alex hält sich lieber mit seinen Mitstreitern backstage auf und schiebt eine eher ruhige Kugel. Vielleicht ist das der Grund, warum er auch noch einem Monat Tourleben noch so frisch und zufrieden wirkt. „Ich wollte immer schon Sänger werden“, erinnert er sich, „schon als Kind habe ich vorm Spiegel gestanden, zu meiner Lieblingsmusik performt und mich gefragt, wie es wohl ist, auf einer richtigen Bühne zu stehen. So richtig los ging´s mit dem Tourleben aber erst, als ich gerade die Highschool abgeschlossen hatte.“ Da war er 17. Seine Eltern waren anfänglich skeptisch, doch das änderte sich, als sie feststellten, dass der Sohn damit seine Brötchen verdient. „Meine Eltern unterstützen mich absolut. Wann immer wir in Salt Lake City spielen, kommt meine Mutter zum Konzert.“
Das ist umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass der Frontman aus einer religiösen Familie stammt und die Black-Metal-Einflüsse bei CHELSEA GRIN deutlich zu hören sind. „Ich selbst bin nicht religiös“, sagt er, „meine Eltern haben das auch mir überlassen und mir ihren Glauben nicht aufgezwungen.“ Das lässt nicht gerade viel Raum für Religion. Alex lacht ein wenig verlegen. Für solche Überlegungen hat er ohnehin keine Zeit mehr. From overlooked to overbooked – mittlerweile sind CHELSEA GRIN so gut gebucht, dass Alex nur noch selten daheim ist. Heimatverbunden ist er dennoch: „Wenn ich von einer Tour nach Hause komme und in meinem eigenen Bett aufwache, kann ich mein Glück kaum fassen. Außerdem freue ich mich jedes Mal, wenn ich die Berge sehe – die liebe ich einfach. Ich fahre beispielsweise auch gern Ski.“ Salt Lake City ist ein eher ruhiges Pflaster, „ein guter Ort, um eine Familie zu gründen“.
Wenn er mit dem Auto unterwegs ist, hört der Mann mit dem deutschen Nachnamen („mein Opa väterlicherseits kommt aus Deutschland“) lieber Sportsender als Metal-Mucke. „Ich möchte einfach nicht, dass die Musik und die Konzerte irgendwann nur noch ein Job für mich sind.“ So kommt es, dass er „alles Mögliche“ hört, aktuell vor allem HipHop. Sein Lieblingskünstler: EMINEM. Der Einfluss des Rappers ist sogar auf dem CHELSEA GRIN Song „Never, Forever“ vom aktuellen Album „Self Inflicted“ zu hören. Der mit viel Emotion vorgetragene Sprechgesang von Alex sorgt auf Konzerten regelmäßig für Verwirrung bei den Fans. Ist „Never, Forever“ zukunftsweisend? Alex winkt ab: „Wir haben auf jedem Album einen Song, der ein wenig eingängiger ist und anders klingt als der Rest. Das hat nichts zu bedeuten.“ Trotzdem kann er nicht leugnen, dass gerade dieser Herzschmerz-Track derzeit sein Favorit ist. Keine Frage, das Zeug zum Frauenschwarm hat er.