Hallo Class, vielen Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast! Wie geht’s dir?
Mir geht’s blendend. Vielleicht ein bisschen müde – ich weiß nicht warum – aber ansonsten blendend, alles gut. Vielen Dank, dass wir hier in Stuttgart sein dürfen.
Wir freuen uns auch, dass ihr hier seid. Ihr seid ja gerade auf eurer „Raining Stars Tour“, wie läuft’s denn so bisher?
Es läuft sehr gut! Die Resonanz der Leute ist super, egal wo: ob in Wien oder in Kiel. Es wirkt alles sehr familiär, ob in der Crew oder mit den Leuten, wenn wir zum Autogramme geben rauskommen – top! Wir haben eine echt gute Crew, gute Vorbands – mit AEVERIUM und SCARLET DORN – das perfekte Paket.
Was habt ihr für dieses Jahr noch so vor?
Alles darf ich noch nicht verraten, aber seit Montag wissen wir, dass wir eine einmonatige US-Tour haben werden. Vorprogramm von der Band KMFDM, die den wenigsten Leuten etwas sagen wird, weil das eine Anfang-90er-Elektrorockband ist, beziehungsweise Industrial, also Vorreiter für Bands wie NINE INCH NAILS, ROB ZOMBIE, et cetera pp. Die kennt in Deutschland auch kaum einer, aber eben in den USA schon und mit denen gehen wir auf Tour. Mit 25 Shows in 30 Tagen, quer über den Kontinent. Das ist geil. Den Rest darf ich aber noch nicht verraten. Festivals spielen wir auf Greenfield, Hexentanz und noch paar andere. Das kann man alles nachlesen auf unserer Seite oder auf Facebook, aber ein paar coole Neuigkeiten haben wir noch.
2013 wart ihr bei dem Leipziger „Gothic meets Klassik“ dabei. Hättet ihr Lust, da wieder mitzumachen?
Klar! Ich glaube, der Turnus ist relativ groß, es dauert relativ lange, bis man das wieder machen kann, weil’s viele Bands gibt, die man braucht, bis es interessant wird, dass man eine Band wiederholt. Aber machen wollen wir das auf jeden Fall wieder. Wir waren ja schon mit unserer „Swan Songs“-Geschichte auf Tour, also wir haben sowas ja auch als Album. So gesehen ist das Ganze auch nicht ganz fremd. Bloß, dass wir mit kleinerem Orchester auf Tour gehen müssen im Vergleich zum „Gothic meets Klassik“.
Was wolltest du mal werden, als du klein warst?
Ich wollte mal Sänger in einer Rockband werden für so Mini-Playback-Shows. Also da waren Kinder, die Bands imitiert haben und auch die Klamotten angezogen bekommen haben und playback performen.
Hast du dich auch verkleidet?
Ehm, ne – so weit waren wir nicht. Wir hatten nur einen Auftritt auf Klassenfahrt in Ratzeburg, wo ich dann mit meinem Besenstiel Brian Johnson imitiert habe. Ansonsten weiß ich gar nicht, ob ich richtige Berufswünsche hatte, außer Sänger in einer Rockband zu werden. Aber das wäre schon cool gewesen. Hat leider nicht ganz geklappt.(lacht)
Siehst du dich heute als Rockstar?
Ich persönlich nicht. Ich versuche, mich immer darauf einzulassen in Bezug auf die Personen, die mich dafür halten – aber die Zeiten, in denen ein Rockstar wirklich ein Rockstar war, wie es eben noch vor zehn Jahren war oder wie so Typen wie Sting oder Michael Jackson, sind ein bisschen vorbei. Auch durch die Tatsache, dass man durch Social Media sehr nah an den Fans dran ist, da ist man eben doch nicht mehr so ganz der Star.
Gibt’s jemanden bei euch, der Rockstar-Attitüde hat?
Nicht wirklich. Ich glaube, die Jobbeschreibung „Sänger“ impliziert, dass man noch ein wenig mehr in die Rockstar-Richtung geht, als der Rest. Aber selbst Chris ist da weit von entfernt, ein Rockstar zu sein oder so zu tun, als ob er einer wäre. Wir sind recht bodenständig. Das sieht man vielleicht auch, wenn man "TV OF The Lost" guckt. Vielleicht haben wir ja schon den Bezug zur Realität verloren und können das selbst gar nicht mehr einschätzen. Das weiß ich nicht, das müsst ihr dann entscheiden.
Wie würdest du denn das Leben eines Rockstars im Jahr 2017 beschreiben?
Maßgeblich lebt ein Rockstar von der Musik alleine. Wir arbeiten alle noch. Ich glaube, das ist das Ausschlaggebende, dass man nur von der Musik lebt. Und dass, wenn man bei Penny einkaufen geht, erkannt wird – oder wahrscheinlich muss er da gar nicht mehr einkaufen gehen, weil er das Geld hat, wo anders einzukaufen. Das ist so Rockstar-like. Aber selbst Rockstars wie Robbie Williams wohnen irgendwo in den USA und werden nicht erkannt. Rockstar ist schwer zu definieren.
Ihr seid ja eine ziemlich erfolgreiche Band.
Das höre ich gerne. (lacht) Erfolg ist ja auch relativ, weil man ja immer dabei ist und für sich selbst fühlt es sich anders an, als für Außenstehende.
Man wächst mit.
Ja, ja, genau! Das soll jetzt nicht überheblich klingen, aber das ist die logische Konsequenz für die harte Arbeit, die man täglich für die Band bringt.
Was sind für dich die Grundessenzen für den Erfolg einer Band?
Naja, dass man wirklich daran arbeitet. Dass es nicht heißt: „Wir haben jetzt ein paar Songs, sehen ganz gut aus, können ganz gut spielen und der Rest muss laufen.“ Wir sorgen uns um alle Belange, dass es wirklich gut funktioniert. Das heißt, wenn es „TV Of The Lost“ ist, sind wir bestrebt, dass wir selbst das verbessern, oder dass es anders wird. Man soll versuchen, bei allen Sachen besser zu werden und auch anderen Acts einen Schritt voraus zu sein.
Wer schneidet eigentlich immer die Videos von „TV Of The Lost“?
Das macht jeweils das aktuelle Kamerakind. Das ist die Band in alphabetischer Reihenfolge und die Person, die an dem Tag dran ist, sorgt dafür, dass interessante Inhalte passieren oder meinetwegen auch ein roter Faden entsteht. Dass man zum Beispiel jeden aus der Band fragt, wie der Stuhlgang war – und schon hat man von allen einen roten Faden. Das klingt komisch, wenn man Stuhlgang mit einem roten Faden verbindet, aber dass man eben eine Linie hat.
Außer an diesem Wochenende. Ihr habt ja schon den Linus kennengelernt. Wir haben ein Kamerakind dabei, das sowas professionell macht. Der schneidet aktuell die Folgen und er sorgt auch für das Material. Er trifft uns auch unerwartet, das heißt, wir wissen nicht, dass wir gefilmt werden, was uns noch natürlicher macht in diesen speziellen Folgen, die wir gerade zeigen.
Eure Natürlichkeit macht euch also sympathischer.
Ich glaube schon. Es macht uns ja irgendwie greifbar und manche Fans sind beleidigt, wenn wir nicht alle jeden Abend bedient haben. Wir sind wirklich greifbar und wir sind die, die ihr sehen könnt.
Auf Instagram sieht man ja immer eure tollen Make-Up-Kreationen und das Make-Up ist ja ziemlich wichtig für euch. Ihr habt bei fast jeder Show ein anderes und designt immer weiter rum. Wer ist so der Eitelste von euch?
Schwer zu sagen. Aber stimmt, wir machen jeden Abend etwas Neues, aber auch nur, weil wir wirklich Spaß daran haben, weil das so eine gewisse Masquerade ist. Es macht nicht immer Freude, sich zu überlegen: „Okay, was mache ich heute, was denke ich mir aus?“, aber meistens ist das schön, so kreativ zu sein und sich anzumalen. Jeder ist auf seine eigene Art und Weise eitel oder verrückt oder hat ein anderes Konzept von Schönheit oder von dem, was er ausstrahlen will, wenn er angemalt ist. Jeder ist auf seine Art eitel, weil er darauf beharrt, was ihm das Wichtigste ist beim „Schönsein“.
Habt ihr euch mal überlegt, ein „Signature-Make-Up“ zu designen, wie zum Beispiel KISS?
Wir waren schon immer so, dass wir immer was Neues gemacht haben und somit das Signature-Make-Up vergessen haben einzuführen und quasi übergangen haben. Und jetzt ist es zu spät. Aber ich glaube, das ist auch ganz gut, weil dann werden wir nicht als die „geschminkte Band“ oder die „Maskenband“ deklariert. Höchstens als die „Mädchenband“ wegen dem Make-Up (lacht) – das kann passieren.
LORD OF THE LOST wirkt wie eine kleine Familie. Würdest du dem zustimmen?
Klar! Unsere Crew und wir, die Band. Wir verbringen nicht so viel Zeit miteinander wie Bands, die ein halbes Jahr am Stück touren. Aber die Zeit, die ich mit der Band verbringe – und hin und wieder auch mal privat–, die ist sehr herzlich und wir versuchen auch, lieb zueinander zu sein. Wenn ich jetzt zum Beispiel mal keinen guten Tag habe oder einfach genervt bin und hundert Meter abseits stehe, weil ich allein sein will, kommt dann auch einer der „Familie“ und fragt dann: „Hey, alles gut bei dir?“
Ihr geht euch nicht gegenseitig auf die Nerven?
Hin und wieder schon, aber dann wird darüber gesprochen und nicht gestritten. Wir sind wirklich 'ne Gruppe, die immer unterwegs sein könnte, weil wir aufeinander aufpassen, das ist ganz wichtig und wir können auch mal sagen: „Sorry, war mein Fehler“. Wir achten aufeinander.
Wenn man schon so lange in dieser „Familie“ ist, sind doch bestimmt ein paar erzählenswerte Sachen auf der Bühne passiert.
Gestern in Wien war’s ganz witzig: Das Mikrofon von Chris wackelt hin und her, weil das so ein Tellerstativ ist und Pi kam gerade vorbei und bekam es dann direkt ins Gesicht. (lacht) Aber wir hatten nie so krasse Storys. Oder sei es auch, dass bei Bo die Hose gerissen ist, die er gerade neu bekommen hat. Große Unfälle sind noch nicht passiert.
Was ist das Peinlichste, was dir auf der Bühne passieren könnte?
Eigentlich ist mir fast nichts peinlich. Ich bereue, dass ich bei Instagram-Live meinen Penis in die Kamera gehalten habe und danach gemerkt habe, dass die Leute ja Screenshots davon machen konnten. Weil wir betrunken waren. Und dann war ich froh, dass die Leute nicht den ganzen Abend nur Screenshots machen. Das ist mir nicht wirklich peinlich, aber in Zukunft würde ich so etwas eher lassen. (lacht)
Hast du deinen Instrumenten jemals einen Namen gegeben?
Ne, eigentlich nicht. Irgendwie steht mir das nicht gut zu Gesicht, dieses Dingen-einen-Namen-geben. Habe ich irgendwie nicht die Beziehung zu wie andere Leute.
Hier bekommst du Stift und Papier und du sollst malen, was du mit der Band verbindest.
... das sind Bässe und Gitarren. Joa, fertig! Das war übrigens auch der Grund, warum ich heute im Mercedes-Benz-Museum war mit Pi. Wir haben uns überlegt: „Okay, was kann man in Stuttgart machen?“ Naja, dann halt Mercedes-Benz-Museum. Das ist voll cool. Nächstes Mal fahren wir ins Porsche-Museum. Zoo bin ich skeptisch, aufgrund der Tierhaltung. Da müsste ich gucken, ob das ein Zoo ist, der auch wirklich cool ist.
Wie gut warst du denn in der Schule damals in Kunst beziehungsweise in Erdkunde?
So schlecht war ich gar nicht. Eine bessere Note habe ich im Sticken bekommen. Mit Kreuzstich und so habe ich aus einem Teddybär einen Eishockeyspieler gebastelt, meinen Lieblings-Eishockeyspieler der „Detroit Red Wings“, dafür habe ich eine 1 gekriegt. Erdkunde war ich nicht so richtig gut. Ich hatte kein Interesse daran, aber da hatte ich keine Ahnung, wie cool es ist, zu reisen – und reisen ist genial. Ich glaube, es gibt auch keine bessere Schule für Intelligenz und Verständnis für andere Kulturen, als das Reisen. Da weiß man, was es bedeutet, einfach nur ein Mensch zu sein – nicht der geilste Typ auf der Erde.