Jedes Album hat bei VALBORG einen ganz eigenen Sound, das ist auch bei „Endstrand“ der Fall. Trotzdem gibt es Parallelen zu eurem vorletzten Album „Nekrodepression“ – ist das bewusst geschehen?
Stimmt, beide Alben sind ziemlich reduziert. Das hat sich bei unseren ersten Alben so darauf zubewegt, dass es immer primitiver und reduzierter wurde. Auf der „Nekrodepression“ haben wir viel mit Feedbacks und punkigen Sounds gemacht, weil wir da von einer Punk-Black-Band von Anfang der 90er inspiriert waren. Diesen Sound hatten wir deshalb bewusst gewählt. Beim neuen Album „Endstrand“ war das eher der Einfluss von Markus Siegenhort von der Band Lantlôs.
Was hatte der damit zu tun?
Der hat die Platte produziert. Unsere Demos hatten eher ein AC/DC-Feeling: einfaches, treibendes Drumming und ein rockiger Gitarrensound. Markus hat da etwas anderes drin gesehen, eine gewisse Endzeit- und Bunker-Atmosphäre. Wir haben ihm freie Hand gelassen und er hat den Sound und die Atmosphäre dann ziemlich stark geprägt. Da spielt sich ganz viel im Hintergrund ab, mit Effekten und Synthies und so.
Ich hätte vermutet, dass ihr einfach schlechte Laune hattet. Ich finde die Stimmung von „Endstrand“ extrem krass und hart.
Ja, das ist so. Aber wir haben eigentlich immer sehr gute Laune. Das ist das Schöne daran, wenn man mit Leuten arbeitet, denen man vertraut. Dann kommt im Endeffekt was anderes bei raus, als man erst gedacht hat. Ich finde das Ergebnis total cool.
Ist euer letztes Album „Romantik“ eine Ausnahme gewesen?
Bis jetzt schon. Das Album haben wir ganz anders komponiert, da waren zuerst die Synthieflächen da, wo wir dann die Gitarren draufgesetzt haben – das ist auch live ganz anders, weil wir mit Klick spielen müssen. Jetzt hatten wir Bock, richtig Gas zu geben. Mir macht dieses Drumming auch sehr viel Spaß: So simpel wie möglich, aber tight und mit Groove.
Gerade beim Schlagzeug auf „Endstrand“ musste ich auch an AC/DC denken. Da scheinst du anders unterwegs zu sein als viele Drummer, die möglichst viel spielen wollen.
Ja, das würde ich schon sagen. Das ist aber auch der Musik geschuldet. Bei unserem Projekt WOBURN HOUSE waren wir ein bisschen experimenteller unterwegs, aber bei VALBORG achten wir darauf, dass wir möglichst songdienlich spielen. Das ist auch gut für den Gesamtsound und für das Live-Aufnehmen.
Müsst ihr, wenn euch die Reduktion so wichtig ist, beim Songwriting viel aussortieren?
Manchmal schon. Aber eigentlich passiert das direkt beim Songwriting. Christian (Kolf, Gitarre und Vocals) und Jan (Buckard, Bass und Vocals) schreiben oft zu zweit Songs. Dann spielt Jan Schlagzeug – sehr roh und primitiv, weil er eben kein Schlagzeuger ist. Für „Endstrand“ sind auch ein paar Songs so entstanden.
Lass uns über das Artwork sprechen. Mich irritieren diese martialischen Codes, diese Kriegsrhetorik und die Optik, die bei mir gewisse Assoziationen an das Dritte Reich wecken. Gibt es eine Kernaussage von „Endstrand“? Was wollt ihr damit ausdrücken?
Wir wollen nichts Spezielles ausdrücken. Wir spinnen viel im Proberaum vor uns hin und finden dabei Wörter oder Stimmungen, die wir cool finden. Und dann spinnt sich das immer weiter. Das Album hieß nicht von Anfang an „Endstrand“. Anfangs hatten wir den Arbeitstitel „Strahlung“. Ich weiß nicht, wie wir da hinkamen. Christian hat immer mehr Lieder angebracht, die so ein nuklear-verseuchtes Endzeit-Flair hatten. Dann kam „Endstrand“, das hat für uns aber auch so eine Endzeit-Stimmung. So kam eins zum anderen. Wir sind aber das absolute Gegenteil einer Konzeptband. Es gibt nie einen Plan. Wir sind uns nur vom ästhetischen Grundempfinden sehr ähnlich.
Kannst du nachvollziehen, wie ich die Ästhetik von „Endstrand“ verstehe?
Ja, mittlerweile schon. Wir haben das auch durchaus nochmal diskutiert, bevor das Album in die Pressung ging. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, aber jemand von außerhalb hat uns darauf hingewiesen, dass man einige Elemente missverstehen könnte: die Farben Schwarz, Weiß und Rot, die Vorsilbe „End“, beim Wort „Beerdigungsmaschine“ könnte man auch an ein KZ denken. Auf sowas würde ich aber nie kommen. Oder vielleicht würde ich auch darauf kommen, wenn ich das als Außenstehender bei einer anderen Band sehen würde. Ich kann die Assoziationen verstehen und finde es gut, wenn Leute nachfragen, damit wir ein paar Worte dazu sagen können.
Habt ihr darüber nachgedacht, die Ästhetik zu ändern?
Das ist dann so die Überlegung: Machen wir auf Krampf was anderes, um Missverständnissen vorzubeugen? Oder müssen wir da jetzt durch? Die Farben haben wir jetzt schon seit zwei Veröffentlichungen. Schädel auf dem Cover sind im Metal nichts Besonderes. Wir haben uns gedacht: Das muss irgendwie klargehen. Wir haben auch beim Label zur Sicherheit nachgefragt, ob das irgendwie grenzwertig ist. Aber die haben gesagt, dass wir uns keinen Stress machen sollen. Ich hätte mich schlechter gefühlt, wenn wir vorbeugend was entschärft und unseren künstlerischen Ausdruck begrenzt hätten. Wir sind eben keine rechte Band.
Das würde ich euch auch nie unterstellen. Mir ist das Thema nur aufgefallen, als ein US-Onlineportal vorab einen eurer Songs gestreamt hat. Da hat jemand kommentiert, dass es ja wohl nicht sein könne, dass da Bands promotet werden, die Songtitel haben wie „Bunkerluft“. Da dachte ich sofort: Ich würde mir das ersparen.
Das ist auch eine legitime Option. Auf der anderen Seite hat das Wort „Bunkerluft“ eine ganz andere Bedeutung: Ich verbinde da keinen Nazibunker mit, sondern eher ein beklemmendes Nuklear-Feeling. Wir hätten alle ein schlechtes Gefühl, wenn wir auf das Wort und die Assoziation verzichtet hätten. Dann lieber die Auseinandersetzung. Das erfordert natürlich die Bereitschaft auf beiden Seiten, darüber zu sprechen. Und die ist nicht immer gegeben.
Gerade in letzter Zeit gab es ja ein paar Fälle, wo diese Bereitschaft nicht da war. Da wurden Bands von Billings gestrichen, weil sie mal mit irgendwelchen Bands gespielt haben, die vielleicht Dreck am Stecken haben oder hatten.
Als wir jetzt auf Tour waren, haben wir fünf Shows mit INQUISITION gespielt. Da haben wir auch Zuschriften bekommen, wo es um solche Vorwürfe ging. Ich habe dann natürlich ein paar Dinge über die Band gelesen und weiß auch nicht so recht, was ich davon halten soll. Aber wir haben uns gut verstanden und viel geredet. Ich hatte jedenfalls nie das Gefühl, mit Nazis an einem Tisch zu sitzen. Ich muss sagen, dass mir das häufig ein bisschen zu schnell geht.
Ich finde es gut, wachsam zu sein und kritisch nachzufragen. Aber sowas verselbstständigt sich online leider auch sehr schnell, wie vor kurzem bei ULTHA.
Ja, auf jeden Fall. Ausgerechnet ULTHA! Aber man macht eben so seine Erfahrungen in der Szene. Als wir mit KLABAUTAMANN (Florians Black Metal-Projekt, Anm. d.A.) noch aktiver waren und auch live gespielt haben, war ich selbst sehr empfindlich, wenn da obskure Angebote von irgendwelchen ostdeutschen Black Metal-Festivals kamen. Das ging zum Teil so in die Richtung: "Wir sind keine Nazis, wir sind nur stolz und national." Das hat mich total abgefuckt und das ist auch ein Grund, warum ich keinen Bock mehr auf Black Metal und die ganze Szene habe. Ich habe halt keinen Bock, jede Band auf Herz und Nieren prüfen zu müssen. Und ich habe auch keinen Bock, wegen solcher Leute eine für uns schlüssige Sache kaputt zu machen.
Ist das Artwork wieder von Peter Böhme?
Ja, der hat den Schädel auf dem Cover gemacht und Jan hat gelayoutet. Der Schädel ist noch aus der Zeit unseres Albums „Romantik“, glaube ich. Ursprünglich hatten wir für „Endstrand“ ein anderes Artwork, da hätte es aber Copyright-Probleme geben können. Deshalb kam der Schädel wieder aus der Schublade – so hat sich das alles ergeben. Wir sind super zufrieden, auch die Shirts sehen cool aus.
Und ihr wart jetzt das erste Mal länger auf Tour.
Ja, vier Wochen. Davor war das längste fünf Konzerte – 2015 eine Woche in Rumänien.
Ihr wart lange Zeit strikt underground und do-it-yourself. Mittlerweile wirkt es auf mich, zum Beispiel wegen der längeren Tour, als würdet ihr jetzt doch mehr erreichen wollen mit der Band.
Wir wollen eigentlich die ganze Zeit. Es ist aber eben keine Musik für die breite Masse. Und es ist vielleicht doch nicht stringent genug, mit einem Album wie „Romantik“ dazwischen. Wer damit einsteigt, bekommt wahrscheinlich einen totalen Anfall, wenn er „Endstrand“ hört. Aber wir sind heiß, wir wollen weiter Alben machen und möglichst viele und möglichst große Konzerte spielen.
Diesmal hab ihr auch auf dem Roadburn-Festival gespielt. Wie war‘s?
Roadburn ist das Coolste, was einem als Musiker passieren kann. Wir hatten ja schon das Glück, 2010 dort spielen zu können. Damals war das mega underground, da haben wir eröffnet und es war fast leer im Saal, weil uns niemand kannte.
Hattet ihr diesmal mehr Publikum?
Ja, wir hatten einen guten Slot und der Raum war gut voll. Warst du schon mal da?
Nein, leider nicht.
Ich kann es nur empfehlen. Wenn man als Musiker auf dem Roadburn ist, herrscht einfach nur eine Atmosphäre von Respekt und Freundlichkeit. Angefangen beim Typen, der das Merch macht, über die Catering-Leute bis zur Bühnencrew … Das Roadburn ist wirklich der schönste Platz, wo man ein Konzert spielen kann. Das ist absolut einzigartig. Ich würde am liebsten nur noch da spielen.
Ich habe bei Instagram gesehen, dass ihr sogar schon an neuem Material arbeitet … es geht also wieder nahtlos weiter. Gehen die neuen Stücke weiter in die ultrareduzierte Richtung?
Keine Ahnung. Ich glaube, es gibt bis jetzt fünf oder sechs neue Lieder. Die haben Christian und Jan zusammen geschrieben, weil ich in letzter Zeit nicht viel Zeit hatte. Im Moment klingt es wieder sehr primitiv und reduziert. Aber was in einem halben oder dreiviertel Jahr dabei rauskommt, und ob wir diese Lieder überhaupt verwenden, können wir jetzt noch nicht sagen.