Geschrieben von Mittwoch, 29 November 2017 12:33

Frau Mansmann im Interview: "Aufs Maul gibt's ja auch dieses Mal!"

Punk ist tot, wie jeder weiß. Und in Berlin ist jeder ein Künstler, wissen auch alle. FRAU MANSMANN legen die Latte endlich wieder tiefer und haben mit "Menstruation in Stereo“ eine Punk-Platte geschaffen, die wunderbar zu Dosenbier und kalter Pizza harmoniert. Wie es aber dazu kommen konnte, dass der Prostituiertenpunk jetzt auch noch anfängt zu denken, besprachen wir mit Bönx, Azi, HerrBinner, Magnesium und Emilie. Also Freunde, Mausrad in Anschlag genommen für ein auf literarischem Niveau geführtes Interview über Geld, Blut und Bier.

Wie geht es FRAU MANSMANN mit der neuen Platte, wie lange habt ihr daran gewerkelt?

Bönx: Uns geht es mit "Menstruation in Stereo" sehr gut! Wir konnten – wie schon beim ersten Album "Bio-Bananen sind von glücklichen Affen" – erneut Sire Uwe Stahl als Produzenten für uns gewinnen. Das tat dem Album unglaublich gut, da er viel Erfahrung mit Deutschpunk und Dosenbier hat. Insgesamt haben wir schon so vier Jahre für die Platte gebraucht, also von der ersten Songidee bis zum Abschicken ans Presswerk.

Azi: Tatsächlich kam der größte letzte Schwung mit dem Zustoßen von Magnesium und HerrBinner. Die beiden hatten die nötige Arschtritt-Mentalität und das musikalische Talent, um die Produktivität im Jahr vor der Studioaufnahme ordentlich zu pushen.

HerrBinner: Eigentlich habe ich seit meiner Geburt darauf hingearbeitet, Bass auf dieser Platte spielen zu können.

Magnesium: Ich hatte noch jede Menge Songideen und mit Frau Mansmann wurden daraus im Handumdrehen grandiose Songs.

Die dümmste Frage gleich an zweiter Stelle: Wer ist eigentlich diese FRAU MANSMANN, nach der ihr euch benannt habt?

Bönx: Frau Mansmann ist Frau Mansmann. bzw. Frau Mansmann war Frau Mansmann, denn unsere Frau Mansmann ist leider verstorben. Gott hab‘ sie selig.

HerrBinner: Vielleicht ist Frau Mansmann auch die Dekonstruktion der binären Zuordnung von Geschlechtern, die sich um das vermeintlich Neutrale gruppieren. Ist die "Menstruation in Stereo" wirklich erstrebenswert und falls ja, für wen?

Bönx: Ich würde diese Frage gerne weiter geben. HerrBinner? Frau Krawall?

Azi: Kommt darauf an, was man darunter versteht. Ich sah im ersten Moment den Titel als einfache Metapher für Ohrenbluten. Im Nachhinein ist mir erst die perfide Größe des Interpretationsspielraums bewusst geworden.

HerrBinner:
Die Enttabuisierung des Zyklus' mit seinen Auswirkungen ist ein so wesentliches Thema, das diesem nicht gerecht werden würde, ebenso spielt es natürlich augenzwinkernd auf die binäre Zuordnung von Geschlecht an – und Gleichberechtigung darf doch nicht da aufhören, wo es wehtut. (lacht)

Emilie: Nun, die Idee zu diesem Plattentitel entstand meinem Freigeist. Ich wollte etwas, das REVOLUTION schreit, rau, ungezähmt, blutig. Da die Punkrockszene nach wie vor von Männern dominiert wird, dachte ich mir: Nein, der neue Schlachtruf soll lauten: MENSTRUATION! Menstruierende aller Länder vereinigt euch! Aber auch alle Nicht-Menstruierenden sind herzlich dazu eingeladen, mit Tampons Genderpaläste einzuwerfen!

Frau Mansmann Band

"Bio-Bananen sind von glücklicheren Affen" war deutlich direkter formuliert, diesmal drückt ihr euch etwas zahmer aus. Woran liegt das und ist das überhaupt noch Prostituiertenpunk?

Bönx: Die "Bio-Bannen" erschien 2012. Das ist mittlerweile auch schon wieder fünf Jahre her. Ich möchte nicht sagen, dass wir in der Zeit ruhiger geworden sind. Ganz im Gegenteil: ich denke, wir drücken uns einfach ein bisschen anders aus, weg von der Straße, rein in die Klassenräume! Mit "Pöbelei & Widerstand" sagen wir schon ganz klar und direkt, was wir von Bullen und Nazischweinen halten, das sollte man auch nicht unter den Teppich kehren. Ist es noch Prostituiertenpunk? Ich denke schon!

Azi: Drücken wir uns wirklich zahmer aus oder einfach nur geschickter? Ich meine, aufs Maul gibt's ja auch dieses Mal. Wie wir es aber in "Bullen", wie ich finde, recht differenziert beschreiben, haben wir ja auch nicht generell was gegen Bullen, sondern nur gegen ihren falschen Einsatz.

HerrBinner: Diesmal ist im Gegensatz zum "Bio-Bananen"-Album kein Text von mir auf der Platte, das macht das ganze harmloser.

Emilie: Da auf dieser Platte meine lieblichen Gesänge vertreten sind, passt "zahm" als Adjektiv leider so gar nicht.

In "Nur Geld" formuliert ihr quasi die Nichtigkeit des Zahlungsmittels, man braucht es anscheinend nicht, um glücklich zu sein. Was macht Dich glücklich?

Bönx: Ich gebe die Frage an Azi weiter, denn er ist der grandiose Textdichter dieses Stückes!

Azi: Es ist ja nicht so, dass Geld unwichtig ist. Ist halt nur unwichtig, wie viel Geld es ist, da es am Ende eh weg ist. Was mich glücklich macht? Liebe und Frieden ... und Miezekatzen!

HerrBinner:
Frau Mansmann!

Emilie: Geld kann man gegen Waren und Dienstleistungen eintauschen. Das hat unsere Platte finanziert. Mich macht glücklich, dass nun andere Leute hören können, was wir so scheiße finden.

Magnesium: Das Thema ist nicht neu, aber trotzdem muss man die Leute immer mal wieder daran erinnern, was im Leben eigentlich wichtig ist. Geld ist es nicht.

Angenommen, ein Fan hat nicht genug Geld, um euer neues Album zu kaufen. Mit welcher Dienstleistung kann er oder sie euch imponieren, um ein Gratisexemplar abzustauben?

Bönx: Da gibt es sicher einige Sachen, die uns gefallen würden, aber das kann ich hier jetzt nicht verraten, sonst kann ich doch morgen nicht mehr aus dem Haus gehen, ohne dass die Leute alles umsonst haben wollen! Das müssen die schon selber rausbekommen. Wir sind da aber für alles offen!

HerrBinner: Ich bin bereit, eine Platte auf meine Kosten abzugeben, wenn mir eine Person ein wassertaugliches Boot baut, mit dem ich über den Kanal fahren kann und das eine Kabine hat, in der ich mich verstecken kann.

Magnesium: Wer beim nächsten Konzert einen Rückwärtssalto auf der Bühne aufführt, kriegt ein Gratisexemplar.

Frau Mansmann Menstruation in Stereo CoverDas Albumcover ist klasse geworden, nur was hat es mit der Platte zu tun?

Bönx: Azi sagte gestern zu mir: „Ach Bönx, unlustige Witze werden nicht lustiger, wenn man sie auch noch erklären muss!“

Gleich drei verschiedene Gesänge erwarten den Fan auf "Menstruation in Stereo". Wie wählt ihr aus, wer wann zum Zug kommen darf?

Bönx:
Da sind wir ziemlich basisdemokratisch. Wer einen Text schreibt, der muss den auch singen ... oder darf den auch singen? Ich weiß nicht! Ach, bei einem hat Magnesium auch mitgeschrieben, aber singt ihn gar nicht? Was ist denn da los?

Magnesium: Ich sing' den nicht, weil der großartige Claus Lüer den singt. Da kann ich nicht mithalten.

Azi: Grob kann man schon sagen: wer schreibt, singt – je nach Bock. Ich singe auch gern mit Bönx abwechselnd, unerheblich, wer der Autor ist. Das drückt mehr und man kann zwischendurch Luft holen.

Emilie: Ich hab' diesmal häufiger gesagt: Gib mal das Mikro, ich kann das besser! "4,8 ‰" ist ein Loblied auf hochprozentige Flüssigkeiten. Eigentlich ist fast alles besser mit Alkohol.

Aber was ist besser ohne?

Bönx: Azi? Frau Krawall? HerrBinner? Magnesium? Mir fällt nichts ein, euch?

Azi: Tja … Man sollte nicht unbedingt stinkbesoffen auffe Bühne stehen … oder Auto fahren … oder arbeiten. Aber was wissen wir schon? Da fragst du echt die Falschen.

HerrBinner:
Im alten Rom sagte man: „Quod placet, qoud licet“ und in Preußen: „Es soll ein jeder nach seiner Façon selig werden.“

Emilie: Ich verstehe die Frage nicht.

Magnesium:
Prost!

Was hat euch zu dem Song "Gewalt ist sexy" inspiriert?

Bönx: Ich gebe die Frage an Azi weiter, denn er ist der grandiose Textdichter dieses Stückes!

Azi: Ursprünglich war es ein einfaches Liebeslied, Das ist aber auch schon fast ein Jahrzehnt her. Hatte nix mit Gewalt zu tun, sondern einfach nur mit der Tatsache, dass meine Angebetete sich immer die falschen Typen aussuchte – also alle außer meiner Wenigkeit. Sollte eigentlich auch gar nicht für Frau Mansmann sein ... war so was von kein Punk! Irgendwann habe ich den dann doch ausgebuddelt. Dann hatte ich die Idee mit der Gewalt (zum Glück ohne persönliche Erfahrung) und Emilie hatte die grandiose Idee zum Titel und dann schrieb sich das von ganz allein und der Punk schlug auch völlig selbstständig zu! Dieser Song ist jetzt von diesem Album mein Liebling.

Frau Mansmann Band

Wo kann man euch live bewundern und was erwartet den Fan dann dort?

Bönx: Zurzeit suchen wir in der Tat noch das ein oder andere Konzert. Bestätigt ist bisher nur Leipzig im April und München so gut wie. Wenn ihr wisst, wo wir mal spielen sollten, dann sagt doch einfach Bescheid, wir würden uns freuen. Euch erwartet auf jeden Fall eine schweißtreibende Show, die ihr so schnell nicht wieder vergessen werdet.

Magnesium: Unsere Fans sind so wild, dass bei einem der letzten Auftritte sogar einer von Azis Zähnen zu Bruch ging.

Emilie: Wir waren dieses Jahr recht umtriebig und werden zum Jahresende etwas ruhiger werden und neue Kräfte fürs nächste Jahr sammeln. Einige Termin sind bereits bestätigt; erfahrungsgemäß kommt recht schnell mehr dazu.

Vieles auf "Menstruation in Stereo" hat mich an das GRIPS-Theater erinnert und man sagt ja auch, dass Kinder die wahren Punker sind. Stell Dir vor, ein Raumschiff landet direkt vor Deiner Haustür, ein grünes Alien steigt aus und macht dir klar, dass es die Mission hat, in 24 Stunden zu erforschen, was Punk ist. Was würdest Du ihm beibringen?

Bönx: Ich kann an dieser Stelle eigentlich nur den unbekannten Spandauer Bela B. zitieren:

"Ich sag dir: Mach dein Ding, steh dazu
Heul nicht rum, wenn andere lachen
Mach dein Ding, steh dazu
Heul nicht rum, wenn andere lachen
So wie ich"

Damit ist einfach alles gesagt, an manchen Statements gibt‘s halt nix zu rütteln.

Azi: Jo Bönx, so geht’s auch. Ich hätte dem Vieh unsere Platte inne Hand gedrückt, dann lernt der das in 30 Minuten.

HerrBinner: Kreuzberg.

Magnesium: ... Bier mit 'nem Drumstick zu öffnen.

Was ist das nervigste Vorurteil über Punkbands, das ihr kennt?

Bönx: Die saufen doch immer das ganze Bier weg!

HerrBinner: Und die können doch gar nicht spielen.

Was ist das wahrste Vorurteil über Punkbands?


Bönx: Die saufen doch immer das ganze Bier weg!
HerrBinner: ... und die können doch gar nicht spielen.

Bei welcher Band wirst Du richtig nervös vor Ehrfurcht?

Bönx: Frau Doktor!

Azi: Queen!

HerrBinner: Chefdenker.

Emilie: Ist das jetzt echt so ne Lieblingsband-Frage? Ich werd‘ nervös, wenn ich mich mit einem kompletten Marschmusikorchester in einen Fahrstuhl quetschen muss.

Magnesium: Frau Mansmann! Da läuft mir vor jeder Probe ein Schauer über den Rücken.