Wie schaut es gerade bei euch aus?
Danke der Nachfrage, es sieht ganz prima aus. Wir sind mit CRITICAL MESS frisch von der Tour wieder im Heimathafen eingetrudelt und starten nach 'ner Mütze Schlaf wieder zurück in den Alltag.
Bis vor kurzem warst du noch in Diensten der Thrasher von CRIPPER, doch die Band ist nun seit gut sechs Monaten Geschichte. Wie fühlt sich das im Nachgang an und trauerst du dieser Zeit manchmal noch hinterher?
Ich habe die 14 Jahre mit CRIPPER in sehr guter Erinnerung und möchte keinen Moment missen. Die Zeit war für mich – und ich denke, auch für die anderen in der Band – sehr prägend und identitätsstiftend. Der Entschluss, die Bandaktivitäten zu beenden, war eine logische, wenn auch schmerzhafte Konsequenz aus den Entwicklungen in den letzten Jahren. Dass es so gekommen ist, ist sehr schade.
Nichtsdestotrotz empfinde ich keine Trauer, wenn ich an die Zeit zurückdenke. Wir haben unendlich viele tolle Erfahrungen machen dürfen, für die ich sehr dankbar bin.
Wie kam es zum Entschluss, die Aktivitäten der Band zu beenden?
Als wir CRIPPER 2004/2005 gegründet haben, liefen die Privatleben der Bandmitglieder sehr parallel. Fast alle waren Studenten, niemand hatte familiäre Verpflichtungen oder war in einer Selbstständigkeit in punkto Arbeit. Gegen Ende entwickelten sich die Lebensstile mehr und mehr auseinander. Studenten wurden zu Familienvätern, Verpflichtungen wurden verpflichtender und der Fokus veränderte sich.
Am Ende wollten die einen mehr machen, häufiger unterwegs sein, länger touren – und die anderen eben lieber weniger. Beides ist völlig in Ordnung, lässt sich aber nicht innerhalb einer Band vereinen. Wenn du an so einem Punkt bist, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Auflösung oder einen kompletten Line-up-Wechsel. In intensiven Gesprächen haben wir uns dann einstimmig dazu entschlossen, die Band aufzulösen.
Auch mit Abstand muss ich sagen, dass es eine gute und richtige Entscheidung war. Es gibt kein böses Blut unter uns ehemaligen Crippanten und dieses besondere Band zwischen uns wird wohl für immer bestehen bleiben.
Nun endlich zu deinem neuen Projekt CRITICAL MESS. Die Band existiert ja schon etwas länger. Erzähl doch mal etwas über die Ursprünge und wie du deinen Weg in diese Band gefunden hast. War es eher Zufall, oder hattest du schon immer Bock, Death Metal zu machen und hast gezielt nach derartigen Bands Ausschau gehalten?
CRITICAL MESS haben sich 2012 gegründet. Ich bin aber erst seit Ende 2016 dabei und habe den ehemaligen Sänger Simon ersetzt. Ich war zu dem Zeitpunkt schon länger auf der Suche nach einem zweiten Projekt neben CRIPPER. Vor allem, weil ich gern mehr live spielen wollte, als das mit CRIPPER realisierbar war.
Zum anderen wollte ich als Musikerin weiterkommen und mit anderen Leuten Musik machen, als nur mit CRIPPER. Wir haben sehr lange zusammengespielt, und wenn man nur den einen Topf hat, in dem man rührt, kommt man irgendwann nicht mehr aus seiner Komfortzone raus. Das wollte ich ändern. Mein Einstieg bei CRITICAL MESS hat mir dahingehend sehr gut getan.
Es begann damit, dass ich einen Anruf von Marco (Schauff, Gitarre) erhielt. Er erzählte mir, dass der Sängerposten vakant sei und fragte, ob ich nicht jemanden kennen würde, der oder die passt, oder ob eine(r) meiner Gesangsschüler(innen) in Frage käme. Hehe, das war 'ne witzige Situation. Ich dachte mir, ich muss mich selber mal mehr in den Hintern treten, um aktiver nach 'ner Combo zu suchen und dann kommt einfach so ein Anruf. Der Rest ging dann ziemlich schnell. Wir probten zusammen und merkten, dass das passt. Somit war ich an Bord.
Als ich zu der Band stieß, war bereits Material für ein komplettes Album da und aufgenommen. Eine ziemlich komfortable Situation für mich – ich konnte quasi sofort ins Studio gehen und Vocals aufnehmen, hehe. Unser erstes Album „Human Præy“ erschien dann im Frühjahr 2018 bei Metalville.
Besagtes Album ist ja bei Fans und Kritikern sehr gut angekommen, aber sicher hat noch nicht jeder geneigte Death-Metal-Freak Notiz von euch genommen. Was meinst du, warum sollte man sich als geneigter Fan eure Platte anhören und wo liegen die Unterschiede zu anderen Bands dieses Genres?
Die Platte fetzt und groovt von vorn bis hinten. Gerade mit mittlerweile mehreren Monaten Abstand zu der Platte muss ich sagen, dass ich ein riesen Fan der Scheibe bin. Ich bin auch immer noch extrem glücklich mit dem Sound, der dem Album verpasst wurde. Der ist irgendwie warm und organisch, ohne ansatzweise soft oder schwammig zu wirken. Das ist bei der Mucke ein kleines Kunststück, da an den Instrumenten ja nicht gerade wenig passiert.
Die Frage nach den Unterschieden zu anderen Bands dieses Genres ist immer undankbar, weswegen ich das mittlerweile nicht mehr gern beantworte. Das Hörempfinden ist mega subjektiv und man liest in den Reviews oftmals Vergleiche, die einem selber nie eingefallen wären, aber dennoch sicherlich berechtigt sind. Zudem ist es fraglich, ob Unterschiede oder Gemeinsamkeiten irgendwas mit der Qualität der Mucke zu tun haben.
Lass es mich mal so sagen: „Human Praey” besticht sehr darin, Entdeckungspotential zu haben. Viele der Songs erlauben einen leichten Zugang zum Album und bieten dennoch viele Details, die man später entdeckt und die einzelne Songs später nochmal in einem anderen Licht erscheinen lassen. Das ging mir schon so, als ich mir unser Repertoire am Stück draufgeschafft habe und das macht unglaublich Laune.
Gibt es ein textliches Konzept, welches hinter dem Album steht, oder stehen alle Songs für sich allein?
In fast allen Songs dreht es sich um den Menschen als Ausbeuter der Erde. Und ich kann dir sagen, die Menschheit kommt dabei gar nicht gut weg. Früher oder später werden wir uns selbst ausrotten, wenn es nach den Texten des Albums geht.
Ganz abwegig ist das ja nicht. Auffällig ist das dazu passende und sehr gelungene Cover-Artwork. Was symbolisiert es und wer zeichnet sich dafür verantwortlich?
Das Cover stammt aus der Feder von Jonathan Stenger, der einer der CRIPPER-Gitarristen war und zudem ehemaliger Arbeitskollege von Benny und Marco aus CRITICAL MESS. Die drei haben zusammen in einer Medienagentur gearbeitet. Eigentlich sollte das Bild für einen ganz anderen Zweck eingesetzt werden, was aber nicht zustande kam. Es lag dann eine Weile ungenutzt herum und als es an der Zeit war, dass wir uns Gedanken um unser Cover machten, sprang uns die Zeichnung quasi ins Gesicht.
Sie passt wie die Faust auf's Auge und ist ein echter Glücksfall. Die Justitia als Sinnbild für eine vorurteilsfreie, unparteiliche Gerechtigkeit hat einen Haufen Totenköpfe in ihren Waagschalen und statt eines Schwertes ein Maschinengewehr in der Hand. Sie hat also die Macht, aus der Ferne zu urteilen und kann anstatt mit dem Schwert über einzelne Personen zu richten, gleichzeitig ganze Horden, also die gesamte Menschheit abknallen. Im Kontext des lyrischen Konzepts des Albums hätte die Menschheit wohl auch nichts anderes verdient.
Vor kurzem konntet ihr eure ersten Tourneen beenden, welche euch gemeinsam mit SIX FEET UNDER und anschließend mit SINSAENUM durch mehrere Länder Europas führte. Für die meisten deiner Mitstreiter ist das Touren ja quasi Neuland gewesen. Wie haben sie das alles "verkraftet" und aufgenommen?
Sehr gut. Wir haben beide Male extrem gut als Team funktioniert, konnten unsere Bühnenfertigkeiten verbessern und finden uns in professionellen Produktionen gut zurecht. Gern mehr davon, haha ...
Wo stecken die großen Unterschiede zwischen den beiden Haupt-Bands, mit denen ihr unterwegs wart? Ich denke, es ist schon ein Unterschied, mit einem Kiffbruder wie Chris Barnes, oder einem Filigranmusiker wie Frédéric Leclercq unterwegs zu sein, oder?
Joa, die beiden mögen die Extreme der jeweiligen Hauptband sein, was jedoch innerhalb eines großen Tourtrosses von 30 bis 40 Menschen nicht den Alltag bestimmt. In keiner Band, mit der wir bisher unterwegs waren, gab es irgendwelche menschlichen Totalausfälle oder so. Im Gegenteil: Wir haben so viele unfassbar nette, freundliche und lustige Menschen kennengelernt und bis dato auch von den "Großen" keine Fame-Allüren mitbekommen.
Sehr interessant an SINSAENUM fand ich zu beobachten, wie sehr sie sich hin zu einer Band entwickelt haben. Kurz bevor wir zum Tourtross stießen, haben sie ja ihre ersten Konzerte überhaupt gegeben. Da stehen dann fünf absolut großartige und erfahrene Musiker auf der Bühne, die vom ersten Tag an eine sehr gute Show abliefern, aber auch jeden Tag mehr und mehr eine eingeschworene Bandgemeinschaft auf der Bühne werden, bei der jeder zu jedem Zeitpunkt quasi blind weiß, wo der andere sich befindet.
Während der letzten Tour sind mehrere Deutschland-Dates kurzfristig abgesagt worden, unter anderem auch die Show in Hannover, welche ich eigentlich besuchen wollte. Was waren die eigentlichen Gründe hierfür und wie überraschend habt ihr davon erfahren? Man munkelt ja, dass der schwache Vorverkauf Schuld daran gewesen sein soll …
Die Konzerte wurden super kurzfristig abgesagt und genauso kurzfristig haben wir davon erfahren. Sehr schade, dass uns die Tour nicht durch unsere Heimatstadt führte. Zu den Gründen kann und möchte ich nicht viel sagen. An der Tourproduktion waren so viele Parteien beteiligt, dass ich außer vom Hörensagen keine Infos habe und auf gar keinen Fall irgendwelche Gerüchte verbreiten möchte.
Man hat so das Gefühl, dass die Band erst richtig Fahrt aufgenommen hat, seit du mit an Bord bist. Profitieren die anderen Messdiener von deinen umfangreichen Tour- und Promo-Erfahrungen?
Es ist definitiv so, dass die Band viel aktiver ist, seit ich dabei bin – was aber nicht unbedingt an meiner Person liegt, sondern eher darin begründet ist, dass die Band sich zeitgleich zur Neubesetzung des Sängerpostens vorgenommen hat, durchzustarten. Insofern ist das eine parallele Entwicklung zu meinem Einstieg, die aber nicht ursächlich mit mir zu tun hat.
Dasselbe gilt für die Auflösung von CRIPPER, die rein gar nichts mit CRITICAL MESS zu tun hat, sich aber sicherlich positiv auf die journalistischen Erwähnungen der "neuen Band" ausgewirkt hat, wie CRITICAL MESS im Zuge der Auflösung von CRIPPER lustigerweise betitelt wurde. All das hat dazu geführt, dass CRITICAL MESS verhältnismäßig viel Aufmerksamkeit zum Plattenrelease bekam.
Die vielen Erfahrungen, die ich mit CRIPPER machen durfte, bringe ich natürlich sehr gern in CRITICAL MESS ein. Man muss Fehler nicht zwei Mal machen und es hilft auch ungemein, wenn man schonmal 'nen Plattenvertrag gesehen hat und weiß, was der ganze Käse da drin eigentlich bedeutet, hehe ...
Dem Zufall überlasst ihr jedenfalls nichts, das weiß man, sobald man euch einmal hat arbeiten sehen. Ihr geht da sehr fokussiert zur Sache und du bist ja auch eine Meisterin der Selbstvermarktung. Was treibt euch an? Sucht ihr den unbedingten Erfolg?
Hahaha, ich bin eine Meisterin der Selbstvermarktung?! Ich habe immer das Gefühl, dass alle anderen das sehr viel besser machen und präsenter sind, als ich. Aber danke für die Blumen!
Wir wollen vor allem viel live spielen und unsere Musik am besten rund um den Globus präsentieren. Das ist einer der Hauptantriebe, würde ich sagen. Jeder Tag, an dem ich mit meiner Band unterwegs bin, reisen darf und vielleicht sogar Orte besuche und Menschen treffe, die ich noch nie gesehen habe, ist für mich wirklich gut verbrachte Lebenszeit. Ich empfinde sehr viel Freude auf Konzerten, die ich als Gast besuche – allein die Möglichkeit zu haben, mit der eigenen Musik anderen Menschen eine gute Zeit zu verschaffen, ist extrem toll.
Das klingt vielleicht etwas pathetisch, aber genauso empfinde ich das. „Erfolg“ ermöglicht einer Band viele Möglichkeiten, vielen Menschen Freude zu bereiten. Das ist der Lohn für viel harte Arbeit im Proberaum und unterwegs. Ich habe noch in keiner Band gespielt, die meine Brötchen bezahlt hat. Mit CRIPPER durfte ich aber immerhin schon in einer Band spielen, die sich selbst getragen hat. Wer weiß, was eine Albumproduktion kostet und wie viel man allein für den Bus-Share auf einer Tour hinblättern muss, weiß, dass "auf Null" rauskommen nicht einfach ist. Diesen Status haben wir mit CRITICAL MESS bisher nicht erreicht.
Im Sinne von „Erfolg“ wünsche ich mir das für uns. Man kann einfach besser agieren, wenn man nicht ständig seine sauer verdienten privaten Kröten in die Band stecken muss.
Nebenbei gibst du noch Gesangs- bzw. Growl-Unterricht an einer Musikschule, oder auch in Workshops. Kommt das Angebot bislang gut an und hast du viele Schüler und Schülerinnen?
Nee, ich bin an keiner Musikschule. Ich gebe einfach privat ein paar Leuten Unterricht und hier und da Workshops. Das läuft erstaunlicher Weise mehr als super und ich könnte viel mehr machen, wenn ich die Zeit dafür aufbringen könnte. Derzeit habe ich vier Schülerinnen und Schüler, die ich unregelmäßig unterrichte und dazu im Schnitt ein bis zwei Workshops im Monat. Jetzt, in der heißen Songwritingphase, ist selbst dieses eher geringe Pensum schwer unterzubringen, da ich ja neben meiner normalen Arbeit nur an Abenden und Wochenenden schreiben kann.
Mir macht das Unterrichten wirklich sehr viel Spaß. Man glaubt gar nicht, wie viel besser und bewusster man selbst an seinem eigenen Instrument wird, wenn man es anderen näher bringt. Ein schöner Nebeneffekt.
Was kann man erwarten, wenn man Unterricht bei dir bucht?
Vor allem Hilfe zur Selbsthilfe. Ich versuche meinen Schülerinnen und Schülern Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie dazu befähigen, selbstständig zu lernen und sich ohne Hilfe von außen stimmlich weiterzuentwickeln. Meist gebe ich den Leuten nur acht bis zwölf Stunden und dann hören wir auf mit dem Unterricht. Das Vermittelte ist so umfassend, dass gerade Anfänger erstmal selber nachlernen müssen und das Erlernte selbstständig festigen.
Am besten kommt man danach weiter, wenn man sich 'ne Band sucht und aktiv mit Songs arbeitet. Dabei unterstütze ich dann auch gern. Eine meiner Schülerinnen hat mittlerweile ihre erste Band und kommt ab und zu vorbei, wenn sie an einer Ecke nicht weiterkommt. Echt cool zu sehen, wie sich jemand so entwickelt. Macht mich schon auch stolz.
Wie geht es weiter im Hause CRITICAL MESS – ihr arbeitet schon wieder an neuem Material, korrekt?
Jaaa, und es wird geil! Wir sind mitten drin im Songwriting und haben Material für ca. sieben Songs oder so am Start. Echt toll, dieses Mal mitzuschreiben und zu sehen, wie sich das zweite Album langsam formt. Studio ist auch schon gebucht. Im Februar geht's wieder ins Soundlodge zu Jörg Uken und im frühen Sommer kommt das Teil dann hoffentlich raus. Die Festivalsaison starten wir also mit neuem Material.
Ich bedanke mich sehr für die Beantwortung meiner Fragen, erholt euch von der Tour und fackelt bald mal wieder ein paar Bühnen ab! Any last words?
Geht mehr auf Konzerte!
Danke dir für das schöne Interview!
Pic by Katrin Lettau