Geschrieben von Mittwoch, 14 November 2018 12:57

Interview mit Jakob von Lafote zum Album "Fin"

Die Postpunkband LAFOTE aus Hamburg wagt mit ihrem Album "Fin" einen ersten Aufschlag. Wir waren ziemlich angetan, denn wer Songs über Spaghettieis schreibt und mit dem Pferd über den Rathausplatz reitet, der kann kein schlechter Mensch sein. Gitarrist und Sänger Jakob Groothoff (links im Bild oben) war bereit, sich unseren Fragen zu stellen. Über Lifestyle-Eskapismus, Musik und die einfache Tatsache, dass gute Laune eben einfach schlechte Laune macht.

Stell euch bitte mal kurz vor, wer ist LAFOTE, wer macht was und wie seid ihr als LAFOTE zusammengekommen?

Malte Zimmermann spielt Schlagzeug, Stefan Kühl spielt Bass und ich, Jakob Groothoff, spiele Gitarre und singe. Malte und ich hatten schon seit langem ein Projekt mit dem Namen LAFOTE, was aber nur instrumentelle Skizzen waren. 2013 habe ich allerdings das erste Mal geschafft, auf diese Skizzen was zu singen, daraus ist dann LAFOTE als klassische Band entstanden. Und als dann Stefan in die Band kam, da gab es kein Halten mehr, ab da waren wir echt okay. Bis heute.

In eurem Video zu "Alles Liegt In Scherben" reitest Du mit einem Pferd über den Rathausplatz in Hamburg. Was wollt ihr damit zum Ausdruck bringen – oder hattest Du einfach Bock darauf, mal bossmäßig wie Pippi Langstrumpf durch die Gegend zu reiten? Das war nämlich meine erste Assoziation.

An Pippi Langstrumpf hatten wir nicht gedacht, aber ich finde die Assoziation sehr gut, denn meine Idee war schon so ein "Ich mach’ mir die Welt, wiedewiede wie sie mir gefällt"-Style. Persönlich bin ich genervt von diesen ganzen Musikvideos, die sich nicht von Werbevideos für Einkaufswaren aus dem Supermarkt unterscheiden lassen. Und weil ich reiten kann, dachte ich, ich reite jetzt an diesem Ort entlang, an dem ich normalerweise nie bin, weil er zu teuer ist. Und die Langsamkeit des Pferdes im Kontrast zu der Geschwindigkeit des Liedes, das alles mag ich sehr. Ich wünschte es gäbe mehr solche Videos, allerdings finde ich unser Video auch nicht sehr gelungen, aber schon auch gut.

Eure Texte sind realistisch, nicht gerade euphorisch. Wie depressiv macht das auf Dauer?

Ich vermute ja, dass ein Fahren auf der Ja-Straße einen Menschen für eine kurze Zeit zufrieden stellen kann. Ich denke allerdings, dass Zufriedenheit nicht nur so einfach über Lächeln, Hygge und gute Laune zu bekommen ist. Ich denke, dass die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Scheiße in und um mich herum und eine Positionierung dazu, die hilft, dass ich mich innerhalb dieser komplexen Struktur verorten kann, mit all diesen Menschen ... dass mich das beruhigt und zufrieden stellt. Weil ich dem, was mir wohl wichtig ist, dadurch näher komme, als wenn ich die euphorischen Momente des Lebens ständig benenne. Long story short: Ich kriege schlechte Laune von guter Laune.

Wer hatte die Idee mit dem Frosch auf dem Cover und für was steht der Frosch?

Der Frosch ist der Splitter im Auge, wenn du das Cover betrachten willst. Der Frosch gehört da halt nicht hin. Geboren ist er aus der Idee, dass er die Fliege, die hinten auf dem Cover ist, wegschnappt. Der Frosch hilft uns, dass wir nicht aus Versehen ein Kaffeeschaumfoto in Instagram-Ästhetik als Cover haben, das fänden wir nicht gut von uns.

Welche Faktoren beeinflussen eure Musik am meisten?

Also ganz generell ist es gut, wach zu sein. Unsere Musik entsteht nicht so nebenbei oder aus verkiffter Schläfrigkeit. Textlich bin ich beeinflusst von allem, da kann ich nichts ausschließen. Die Musik wird am meisten von unserem jeweiligen Zustand beeinflusst, daher müssen wir eben wach sein. Ich glaube, ich finde die Frage schwer zu beantworten, natürlich gibt es auch das Gedächtnis an all die andere Musik out there, die uns stark beeinflusst.

Siehst Du Dich als purer Beobachter Deiner Umwelt oder wertest Du auch?

Ich bin erstmal eher ein Beobachter, da ich versuche, Geschehnisse einzuordnen und richtig zu verstehen. Und dann geht das Gemotze los.

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Was regt Dich aktuell am meisten auf?

Dass soviel in der Mikrowelt des eigenen Hamsterrades gedacht wird. Und dass die Notwendigkeit des Begreifens der Makrozusammenhänge all der ähnlichen Hamsterräder in den Hintergrund rückt oder eben hinter Hass, Arbeit und dem Lifestyle-Eskapismus verschwindet. Ich selber denke zuviel in diesen großen Zusammenhängen, was auch nervt. Ich ägere mich noch nicht einmal mal mehr eine Millisekunde, wenn mir meine HÜSKER DÜ-Tasse herunterfällt. Wie kalt.

Was macht Dich aktuell glücklich?

Glücklich ist schon eine sehr starke Idee, finde ich. Zufriedenheit könnte ich aber benennen. Beispielsweise, dass wir als Band diese Platte gemacht haben, das finde ich toll. Und dass wir mit unserem Lieblingsmenschen Helge Hasselberg einen so guten Produzenten für "Fin" hatten. Ob die Platte jetzt durchweg gelungen oder weniger gelungen ist, ist dann erstmal egal. Aber dieser Ablauf aus Entscheidungen treffen, Dinge zu Ende bringen und dadurch zu lernen und die Fähigkeit zu erwerben, es besser machen zu können oder wenigstens anders ... das mag ich sehr.

Ich liebe den Song "Spaghettieis", mir gefällt die Leichtigkeit und das Freuen an scheinbar kleinen Dingen. Wie kam es zu diesem Song, der doch schon aus dem Rahmen fällt?

Oh, das freut uns sehr. Dankeschön. Dieses Lied war sehr schwierig für uns. Die Textidee kam mir – wie öde – im Sommer an der Alster. (lacht) Ein Ort, an dem ich mich ähnlich gleichzeitig sehr zugehörig und fremd fühle, wie vorm Rathaus mit dem Pferd. Also ich würde gerne behaupten können, dass ich das bewusst gesteuert habe, aber ich denke, das Lied hat sich aus meiner Grundverfassung heraus selber so geschrieben, wie es geworden ist, zumindest textlich.

Ich selber finde den Text nur bedingt positiv und dennoch ist er das vielleicht Positivste, was ich kann. Aber schon recht ernst gemeint. Also mal angenommen, alle Faschos wären zum Mars geflogen und – upsi – das Raumschiff wäre explodiert und dann hat gleichzeitig auch kein Mensch mehr Bock auf Geld und alle sagen, kommt Leute, lasst uns doch mal alles anders machen … erst in dem Moment beginnt für mich das Lied.

Mittlerweile finden sich einige deutsche Bands, die allesamt Noise Rock mit Punk-Tendenz und deutschen Texten machen, sich mal mehr und mal weniger kryptisch ausdrücken, aber allesamt eher das Problem skizzieren, (provokante) Thesen aufstellen und sich nicht als Teil einer Lösung verstehen. Ist das der "Teil einer Jugendbewegung", der TOCOTRONIC wohl so gerne sein wollten oder einfach nur eine desillusionierte Altersgruppe, die das Problem mit Ironie angeht?

Ich glaube und hoffe, dass Ironie nicht der Hauptbestandteil dieser Bands ist, von denen ich glaube zu peilen, welche du ungefähr meinst. Witzigerweise glaube ich ja, dass "Teil einer Jugendbewegung" sehr ironisch ist, wenngleich ich das die ersten Male, die ich das Lied hörte, nicht so verstanden, sondern 1 zu 1 so angenommen hatte. Für mich persönlich sind Ironie und Satire zur Zeit Mittel, die aus Verzweiflung geboren sind, wenn vernünftige Worte nicht mehr wirken. Darum bin ich unsicher, ob ich diese Mittel mag.

Allerdings würde ich schon sagen, dass das eine desillusionierte Altersgruppe ist. Aber ist sie das nicht schon lange? Und ist das schlecht? Ich glaube, dass die Idee, Lösungen zu finden in sich schon problematisch sein kann. Hashtag #ambiguitaetstoleranz ...

An Deinen Texten gefällt mir besonders gut, dass sie verkopft aber nicht kompliziert formuliert sind. Die meistens Bands in diesem "Genre" bemühen sich um besonders kryptische und vielfältig auslegbare Texte, war das eine bewusste Entscheidung von Dir?

Danke, das freut mich. Also, mir passieren die Texte mehr, als dass ich sie schreibe. Die Sätze, die ich bewusst schreibe, das sind die Sätze, die mir nach einer Zeit nicht mehr gefallen. Gelungen sind die Zeilen, die im Sieb meines Kopfes hängenbleiben, ohne dass ich dafür etwas tue.

Welchen Song auf eurem Album "Fin" findest Du am besten gelungen?

(lacht) Oh, schwierige Frage. Also "Der Riss geht auch durch dich hindurch", den mag ich schon sehr. Weil da Text und Musik sich gut bedingen und miteinander spielen und ich Text und Musik selber sehr mag.

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Alle Fotos © Conny Winter

Kannst Du mir die letzten drei Alben sagen, die Dich wirklich inhaltlich oder auch musikalisch berührt und eventuell sogar aufgewühlt haben?

Oh, eine schöne Aufgabe. Ich bin ja nicht so der aktuelle Musikhörer. Aktuell fand ich IBEYI sehr spannend. "River" vom ersten Album oder "No Man Is Big Enough For My Arms" von der letzten Platte "Ash". Welche Platte mir auch sehr hängengeblieben ist, das ist die "Pop & Tod 1 & 2" von DIE HEITERKEIT. Die Songs "Schlechte Vibes im Universum" und "Im Zwiespalt" finde ich großartig.

Und ich habe beispielsweise vor zwei Jahren erst ANTITAINMENT entdeckt. Zeilen wie "Und ich dachte immer, das wäre Vitaminmangel" finde ich saustark. Musikalisch ist das schon auch anstrengend manchmal und textlich auch albern … aber die Band ist schon sehr interessant. Und jetzt die daraus folgende Band LES TRUCS ist auch spannend.

Du hast für zehn Sekunden die Aufmerksamkeit der gesamten Welt, was würdest Du sagen?

"Leute glaubt mir kein Wort, aber wenn die AfD, Trump, der BDS, Kollegah, die Kirche, Allah, eure Chefinnen und Chefs, wenn die Drogenbehörden und Sittenwächter, wenn die alle finden, dass ihr was falsch macht, dann macht ihr alles richtig. Ciaoi."

Ihr habt in diesem Jahr auf dem Reeperbahn-Festival gespielt. Tolles Festival und Heimspiel, wie war das für Dich?

Das Konzert war gut. Wir hatten Spaß und gute Resonanz. Trotz Heimspiel und Reeperbahnfestival. (lacht)

Wie geht es mit LAFOTE weiter, steht eine Tour an?

Ja, jetzt zum Release der Platte. Hamburg, Berlin, Bremen und Lüneburg. Und im März 2019 dann durch die ganze Welt, wenn ich unseren Booker richtig verstanden habe. Dann Festivals. 2019 könnte schön werden.


Alle Infos über LAFOTE findet ihr auf deren Facebookseite.