Klassische Frage zum Reinkommen, Bernhard: Wie geht‘s dir heute?
(Lacht) Ja, vielen Dank! Mir geht‘s gut, es ist schweinekalt in Düsseldorf. Ich hab' mir auf dem Weg hierher gerade schon den Arsch abgefroren und auch ein bisschen verpennt, aber ansonsten geht es mir gut. Hab' jetzt einen Kaffee in der Hand und bin ganz entspannt.
Vor wenigen Wochen habt ihr mit "Hartgeld im Club“ ein neues Coveralbum auf den Markt gebracht. Wie hat euer Label Century Media reagiert, als ihr denen zum 30jährigen Jubiläum einen Stapel von Hip-Hop-Covern auf den Tisch gesetzt habt?
Na ja, die waren irgendwie auch überrascht von der Idee, sag ich mal. Da gab es schon ein, zwei Leute, die sich irgendwann einmal mit Hip-Hop auseinandergesetzt haben, aber es ist halt wirklich nicht das Naheliegendste für ein traditionelles Label, das hauptsächlich Metalbands rausbringt.
Aber die fanden die Idee halt trotzdem spannend und fanden es cool, das auszuprobieren, weil es einfach mal ein anderer Weg ist, eine Band zu veröffentlichen. Es war jetzt nicht so, dass wir Century Media krass davon überzeugen mussten.
Die Idee ist ja auch cool, schließlich spielt ihr mit zwei Genres, welche sonst gerne als Todfeinde angesehen werden.
(Lacht) Ja, stimmt. Eine Zeitlang war das Techno, aber jetzt wo Rap relativ angesagt ist ... Ja, das denkt man immer, dass es eigentlich nicht gegensätzlicher geht, als Rap und Metal. Ich glaube aber auch, dass das den Szenen ein bisschen angedichtet wird. Letztendlich ist es so, dass ich Metaller als sehr offene und liebenswerte Menschen kennengelernt habe.
Abgesehen davon ist es natürlich so, dass es Unterschiede gibt, aber beim Selbstverständnis gibt es auch viele Parallelen. Sowohl Rap als auch Metal verstehen sich als Untergrundszenen, die im krassen Gegensatz zum Mainstream stehen. Wo es nicht um Casting oder ein kommerzielles Produkt geht, sondern in erster Linie darum, etwas zu machen, was Regeln bricht und irgendwie anders ist. Etwas, das provoziert, auch wenn beide Stilrichtungen das auf andere Art und Weise erreichen.
Aber ich finde jetzt nicht, dass das so krass gegensätzlich ist. Ich meine, in der Vergangenheit gab es ja auch immer wieder Künstler, die das zusammengebracht haben. Angefangen mit BODY COUNT. ANTHRAX haben das auch einmal gemacht und der ganze Nu-Metal-Kram sowieso. LIMP BIZKIT würden nicht so klingen, wenn es keinen Hip-Hop-Einfluss gegeben hätte.
Wie schwer ist es, trotz aller Parallelen, aus musikalischer Sicht einen Hip-Hop-Song in ein Metal-Gewand zu hüllen?
Man würde ja denken, das könnte ja gar nicht funktionieren. Wir waren selbst ein wenig erstaunt, dass es sehr gut funktioniert. Hip-Hop ist sehr auf den Flow und den Bounce ausgerichtet und wenn man sich dann ein paar Akkorde und Melodieführungen ausdenkt, ergibt sich das irgendwie von selbst. Das ist erstaunlich spielerisch und einfach von sich gegangen.
Und es war ja tatsächlich auch nicht das erste Mal, dass wir uns mit Hip-Hop-Covern auseinandergesetzt haben. Wir haben ja schon einmal ein Coveralbum namens "Man spricht Deutsch“ gemacht und da war auch schon ein SIDO-Song dabei.
Ich glaube, es ist schwieriger, einen Song aus der Gitarrenmusik zu covern, weil das näher am Metal dran ist. Da ist es viel schwieriger, dem Song eine eigene Note aufzudrücken, oft ändern sich dabei maximal die Vocals.
Ihr habt mir tatsächlich durch die Cover auch einige Songs schmackhaft gemacht, von denen ich mich ansonsten strikt fern gehalten hätte.
Das war der Plan. (lacht)
Wie habt ihr die Songs ausgewählt?
Es ist jetzt nicht so, als würden wir rund um die Uhr Hip-Hop hören. Aber es sind schon Songs, die uns auch vorher schon zugesagt haben oder an denen wir irgendwas Interessantes gesehen haben. Basti ist letzten Sommer durch Düsseldorf gelaufen und da ist eine Karre mit offenem Fenster an ihm vorbeigefahren, aus der ultralaut „Palmen aus Plastik“ dröhnte. Da dachte er sich einfach, dass das als Metalsong auch total geil funktionieren würde. Gut, der Song war auch vorher schon ein Radiohit, aber wenn man den mal richtig aufdreht und ihn sich dann gut als Metalsong vorstellen kann, ist das schon einmal ein Auswahlkriterium.
Man hört relativ schnell, was funktionieren könnte. Aber wir haben schon geschaut, dass wir an den Songs etwas geil finden – etwas, das wir selbst mögen und wo wir auch dahinterstehen. Wir parodieren es ja nicht. Es ist kein Quatsch, sondern ernst gemeint.
Es ist auch auffällig, dass ihr euch eher an den sozialkritischen Stücken des Genres probiert habt. Man denke nur einmal an "Urlaub fürs Gehirn“.
Klar, das liegt aber auch daran, dass wir zu K.I.Z natürlich nochmal eine engere Verbindung haben, da wir schon mehrmals ein Featuring mit denen gemacht haben. Aber K.I.Z sind tatsächlich auch eine der Hip-Hop-Gruppen, die wir auch privat – seitdem wir sie damals auf dem Deutschrap-Kettensägen-Massaker entdeckt haben – gerne hören, die auf der einen Seite sehr witzig und ironisch, auf der anderen aber auch sehr sozialkritisch sind. Bzw. insgesamt sehr kritisch sind und nicht einfach nur auf Drogen, Party und Frauen schielen.
Ich meine, solche Tracks gibt es auch, wie den HAFTBEFEHL-Song. Ein Stück, welches so im CALLEJON-Kontext niemals stattfinden würde. Aber trotzdem transportiert es etwas, ist sehr düster und man kann verstehen, dass hinter dem ganzen Prolligen und Stumpfen auch eine künstlerisch und musikalisch sehr interessante Komponente steckt. Das war uns auch auf dem Album wichtig, dass es nicht nur stumpf ist.
Ihr reiht euch mit den neuen Songs wie "Porn From Spain 3“ hervorragend in diese Reihe ein und betreibt Sozialkritik, der die Ironie aber stets anzumerken bleibt.
Ja, sehr cool, das ist ein großes Kompliment, weil das war ja auch irgendwie die Idee. Auf der einen Seite machen diese Cover natürlich auch irre viel Bock. Das sollte am Ende keine sozialtheoretische Studie werden. Es ist irgendwo schon ein Partyalbum und würde – wie schon gesagt – auf einem regulären CALLEJON-Album so nicht stattfinden.
Als wir die Tracks ausgewählt haben, wollten wir jedoch schon ein breiteres Bild von dem abbilden, was im Genre Deutschrap gerade abgeht. Von HAFTBEFEHL bis ALLIGATOAH oder K.I.Z ist die Palette ja relativ bunt. Aber das passt eben auch irgendwie und ist gar nicht so weit weg von dem, was wir mit CALLEJON auch machen. Es war uns wichtig, einerseits Party zu machen, andererseits auch Kritik zu üben – allerdings ohne erhobenen Zeigefinger. Etwas, das für sich stehen kann.
Habt ihr manchmal Angst gehabt, dass Fans sich beschweren könnten, dass nun schon wieder ein Cover-Album von euch kommt?
Ne, so richtig Angst hatten wir nicht davor. Es ist ja eben so, dass wir schonmal ein Cover-Album veröffentlicht haben, das eine sehr positive Resonanz bekommen hat. Und darüber hinaus sind CALLEJON-Fans recht offen, was verschiedene Stile betrifft. Ein Rapcover ist etwas, das viele recht positiv aufnehmen, glaube ich. Der typische CALLEJON-Fan – wenn es denn sowas gibt – weiß, dass wir nicht nur in einem Genre zu Hause sind.
Und natürlich war uns auch klar, dass einige Leute sich auf ein richtiges Metalcore-Album gefreut haben, aber denen ist ja nichts weggenommen. Das kommt ja auch wieder. Und ein Großteil der Leute kann das, glaube ich, auch ganz gut einordnen. Es ist, was es ist.
Noch eine technische Frage: Wie läuft das eigentlich mit den Lizenzen, wenn ihr einen Song covern wollt? Gab es auch Material, welches ihr nicht veröffentlichen durftet?
Prinzipiell ist es eigentlich so, dass wenn du einen Song 1:1 coverst – also die Strukturen nicht veränderst, den Text nicht veränderst – dann darfst du das einfach machen. Auf der anderen Seite war es auch so, dass wir gesagt haben – und das war auch die Politik von unserem Label, Century Media –, wir holen die Freigabe des Originalkünstlers ein. Und tatsächlich war es dann auch so, dass alle Künstler das cool fanden und dann auch gemacht haben, bzw. ihre Managements oder irgendwer auch immer. (lacht)
Es gibt jedoch einen einzigen Song, bei dem wir dann doch keine Freigabe bekommen haben. Ich weiß gar nicht, ob ich das überhaupt ... vielleicht sag' ich es auch nicht und wir bringen den Song doch nochmal irgendwann raus. Bei dem hat es auf jeden Fall nicht geklappt und der ist jetzt auch nicht auf dem Album gelandet. Der ist aber auch cool geworden.
Aber ihr habt ihn trotzdem komplett aufgenommen?
Ich glaube, der ist komplett aufgenommen, ich weiß es aber gerade nicht genau. Vielleicht ist der auch nur nicht fertig gemastert. Aber er liegt auf irgendeiner Festplatte herum.
Das Coverartwork hat mich persönlich ja total begeistert und ich finde, dass es eine sehr gelungene Darstellung der Vermischung von Rap und Metal ist. Wer kam auf die Idee dafür?
Ja, vielen Dank dafür! Tatsächlich war das auch wieder eine Idee von Basti, unserem Sänger. Der macht bei uns immer die Artworks und hat am Anfang auch überlegt, was denn nahe liegen würde. Und die Ideen waren am Anfang auch recht stumpf. Weiß nicht, eine Gitarre und ein Mikro halt gekreuzt und so. Und dann gings weiter zu einem gezeichneten Rap-Typ mit einer Uzi und einem krassen Black-Metal-Typ mit Excalibur-Schwert, die sich halt irgendwie gegenseitig abschlachten.
Dann kam der Punkt, an dem wir zusammen überlegt haben und gemerkt haben, dass das doch eigentlich kacke ist. Wir wollten ja kein Album machen, auf dem es darum geht, dass sich diese beiden Genres bekriegen, sondern eigentlich ist es eine Symbiose. Etwas, das zusammenkommt.
Und es gibt dieses berühmte Foto von Honecker und Breschnew, wo sie sich den sozialistischen Bruderkuss geben. Wir haben das irgendwo zufällig gesehen und dachten uns, dass das doch eigentlich die perfekte Idee wäre! Weil es perfekt symbolisiert, um was es auf dem Album geht, was aber trotzdem auch auffällig genug ist und das man nicht so oft in diesem Kontext sieht.
Ihr habt das dann auch im Musikvideo zu "Urlaub fürs Gehirn“ umgesetzt – welches deswegen auch gleich eine Altersbeschränkung auf YouTube kassiert hat.
Ja, das fanden wir auch total krass! Da haben wir nicht damit gerechnet.
Es sind einfach nur zwei Männer, die sich küssen.
Ja, wir waren ein bisschen schockiert. Wir haben schon damit gerechnet, dass ein paar Leute das als grenzüberschreitend sehen würden, wobei auch das komisch ist. Wären es zwei Frauen gewesen, fänden es alle wahrscheinlich total geil, aber sobald es zwei Männer sind, ist das irgendwie ein Problem. Was natürlich totaler Bullshit ist.
Es ist jetzt nicht so, dass wir uns auf die Fahne schreiben, total viel für die Gay-Rights-Bewegung erreicht zu haben. Aber es war uns schon wichtig, da jetzt ein Statement zu setzen und es ist ja auch etwas, das Bock macht. Es geht ja um Liebe, das ist ja was Tolles. Wir waren schon schockiert, dass bei großen Konzernen dann doch die Angst so groß ist, irgendwas Anstößiges abzubilden, dass YouTube das Video erst ab 18 freigibt.
Wir hatten auch bei Facebook Probleme, dieses Album zu bewerben. Das Cover entspricht anscheinend nicht den Facebook-Werberichtlinien. Wir haben dann auch nachgefragt und natürlich keine eindeutige Antwort bekommen, wo jetzt drin stand, dass die zwei Typen das Problem wären. Aber es ist halt trotzdem schade, dass es 2019 immer noch ein großes Ding ist und man das nicht einfach machen kann. Und deswegen sind wir auch doppelt froh, dass wir das jetzt gemacht und von unseren Fans viel Zuspruch dafür bekommen haben ... zu merken, dass ein großer Teil unserer Fans da auch dahinter steht.
Aber das sagt ja auch etwas über unsere heutige Gesellschaft aus. Wird diese wieder konservativer?
Ich weiß nicht. Wenn du jetzt in Berlin-Kreuzberg Leute fragst, was ok ist und was nicht, wird es wahrscheinlich anders sein, als in sehr ländlichen und katholisch geprägten Gebieten. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, das zum Thema zu machen und darüber zu sprechen. Bei den meisten Leuten ist es Angst. Angst vor etwas, mit dem sie sich nicht auseinandergesetzt haben, weil ihnen nie vermittelt wurde, dass das ok ist.
Da passiert ja auch nichts Schlimmes, das sind Menschen, die sich halt lieben. Es ist halt so eine diffuse Angst vor etwas, das gesellschaftlich stärker tabuisiert ist, als man manchmal noch glauben möchte. Und ich finde es auch wichtig, das zu zeigen, weil ich glaube an diesen Lernprozess. Man muss den Leuten zeigen, dass das nichts Schlimmes ist – dass sie es nicht machen müssen, es aber ok sein muss, dass andere das machen. Und wenn man darüber spricht, wird sich das über kurz oder lang zum Besseren verändern.
Kommen wir zum Abschluss noch zur Tour: Was können Fans von der Tour und der Setlist erwarten?
Es wird eine Club-Tour werden, wir werden also auch viele Songs des neuen Albums im Gepäck haben. Als Support haben wir auch ANTIFUCHS dabei, die ja auf dem "Hartgeld im Club“-Titelsong ein Feature hat und eine Rap-Künstlerin ist. Es ist also thematisch ausgerichtet, aber es wird auch eine Auswahl an alten Evergreens geben. Wir haben ja inzwischen relative viele Alben rausgebracht und es wird immer schwieriger, auszuwählen, was jetzt gespielt wird und was nicht. Du kannst dich ja auch nicht drei Stunden hinstellen, dafür sind wir auch schon zu alt. (lacht)
Es wird irgendwie ein Party-Set. Wir haben extrem viel Bock auf die Tour, freuen uns tierisch darauf ... und auf Tour zu gehen ist eh das Geilste am Band-Dasein. Alles andere – das Songs aufnehmen und schreiben – ist auch mega cool, Musikvideos drehen macht manchmal auch Spaß, aber auf Tour zu gehen und die Fans zu treffen ist das Beste. Nur ätzend, dass es jetzt so kalt ist. (lacht)
Das ist ja jetzt nicht eure erste Cover-Tour. Erreicht ihr dadurch eigentlich auch ein neues Publikum, welches ansonsten nichts mit Metal am Hut hat?
Ach, ich weiß nicht. Das kann man immer so schlecht beurteilen. Es ist ja nicht so, dass auf unseren normalen Touren nur Leute im Publikum stehen, die zu 100 Prozent wie Metaller aussehen. Natürlich gibt es davon viele, aber von vielen weißt du es eben auch nicht. Aber ich glaube nicht, dass jemand, der sonst DIE PRINZEN hört, zu einer CALLEJON-Show geht, nur weil er unser Cover geil fand. Die meisten haben schon ein Faible für Metal-Musik. Aber hey, wer weiß? Vielleicht stellt sich ja heraus, dass auf dieser Tour mega viele Hip-Hop-Dudes im Publikum sind.
Letzte Frage: ANTIFUCHS spricht in ihren Songs ja auch die große Männerdominanz im Hip-Hop-Geschäft an. Ist das nicht auch noch eine Parallele zum Metal irgendwo?
Ja, absolut, auf jeden Fall! Da schließt sich auch wieder der Kreis, auch mit dem Coverartwork. Rap und Metal sind zwei Genres, die beide sehr vordergründige und krasse Vorstellungen davon vermitteln, was Männlichkeit sein sollte und was nicht. Und da fragt man sich schon, warum gibt es eigentlich so wenig Frauen? Und ich glaube, es gibt sie eigentlich, nur sind sie noch nicht so etabliert, wie es eigentlich sein sollte.
Vielleicht ist das auch eine Sache, die sich jetzt endlich ändert. Ich meine, ANTIFUCHS und auch PILZ waren beide hier bei uns im Studio und haben ihre Features aufgenommen. Und wir waren echt beeindruckt, wie on point und krass die sind. Es ist halt schade, dass solche Künstler – wenn sie denn überhaupt wahrgenommen werden – als Female-Act abgestempelt werden. Am Ende sollte es doch nicht darum gehen.
Aber es gibt halt auch im Rap ein teilweise sehr rückwärtsgewandtes Männlichkeitsbild, was transportiert wird. Man weiß am Ende aber natürlich auch nie, wie ernst etwas gemeint ist. Aber von irgendwoher kommt es ja und man darf das auch nicht immer gleich als Kunst abtun. Aber ich glaube, da kommt noch viel. Und deswegen freuen wir uns auch sehr, mit weiblichen Künstlerinnen auf Tour zu gehen.