Geschrieben von Samstag, 14 September 2019 16:25

Metal, Maschinen und Tattoos: Interview mit Gitarrist Ben von Endseeker

Ben mit Bier und Fischbrötchen am Ratzeburger See Ben mit Bier und Fischbrötchen am Ratzeburger See

„Mehr Metal als Ratzeburger See geht ja kaum“, stellt Ben grinsend fest und lässt sich zu Weizenbier und Fischbrötchen in seinen Stuhl plumpsen. Wir sind zusammen auf unseren Motorrädern – nicht zum ersten Mal – von Großhansdorf bis direkt ans Wasser gefahren und stoßen jetzt alkoholfrei an auf "Harvest", das neue ENDSEEKER-Album. Mit Blick auf den See soll es in den nächsten knapp anderthalb Stunden um Themen gehen, die große Jungs so bewegen: Metal, Maschinen und Tattoos ... ein Rundumschlag mit fettem Augenzwinkern.

Metal, Motorrad, Tattoos, Bier brauen … 

… das Klischee muss erfüllt werden, ne?

Gut, dass du das sagst! (Lachen) Wir sprechen natürlich über die Band, aber da es ja in diesem schönen Rahmen auch um deine anderen Interessen gehen soll, starten wir mit Tattoos. Ist das dein Ding, war dir dieser Lifestyle immer schon wichtig?

Keine Ahnung, aber schon ganz früh fand ich Tattoos richtig cool. Da war ich noch echt klein und war immer fasziniert, wenn einer irgendwo tätowiert war. Für mich war auch nie die Frage ob, sondern eher wann und wo und was ich mir stechen lasse. Das erste habe ich dann auch relativ spät gemacht, mit 21 oder so, danach ging es aber relativ flott. Mein Tätowierer hat damals zu mir gesagt, "Übers erste Tattoo denkst du fünf Jahre nach, übers zweite fünf Minuten". Und das stimmt auch.

Auffällig sind neben deinen komplett bedeckten Armen ja deine bunten Hände ... 

Die waren ja schwarz-weiß eigentlich, und die Story dazu: Ich bin vor ein paar Monaten bei meiner Tochter tagsüber auf dem Bett weggepennt, und als ich aufgewacht bin, hatte ich bunte Hände … da hat sie die angemalt. Ich habe das fotografiert und ein bisschen drüber nachgedacht – ich fand's auch ganz geil bunt, und ich wäre auch nie auf so 'ne komische Farbgebung gekommen. Und dann bin ich halt zum Tätowierer und meinte so: “Komm hier, das sind die Fotos … mach!“ Das ist so geworden, wie sie es angemalt hat. 

(→ Siehe Bildergalerie am Ende des Artikels)

Was bedeuten die Motive für dich – die Eule und die Ziege?

Das hat ehrlich gesagt gar keine großartig tiefe Bedeutung. Eulen sind halt per se cool, Ziegen finde ich cool, hat sich natürlich auch angeboten mit den Hörnern ... (Macht den Metal-Gruß)

Damit sind dir ja denn die seriösen Berufe für die Zukunft verwehrt ... (Lachen)

Heute ja nicht mehr – interessiert ja keinen mehr. 

Ja, ist das nicht kacke?

Nö, is geil. Ich wollte es auch nie machen, um der fiese Outlaw zu sein oder böse rüberzukommen. Dafür habe ich gar nicht die richtigen Motive, ich hab eigentlich nur freundliche. Der einzige Totenschädel ist der Hopfenschädel auf der Wade. Ich liebe halt Bier und da hat sich das angeboten ... ansonsten ist das eigentlich alles Mögliche, aber eigentlich nur positiver Kram.

Deshalb finde ich das eigentlich gut, dass es gesellschaftlich mittlerweile normal ist. Das gibt mir die Freiheit, meinen Körper so zu gestalten, wie ich möchte, ohne dass ich gesellschaftlich die ganze Zeit geschnitten werde oder so. Oder auch jobtechnisch.

Wobei das für dich als Selbstständiger im Film-Business ja eh Wurst wäre, oder?

Prinzipiell schon, aber das ist ein grundsätzliches Ding. Wenn du Behördengänge hast zum Beispiel. In der Klasse von meinem Sohn bin ich Elternvertreter. Wenn du dann mit den Lehrern sprechen musst, ist es halt schon cool, wenn sie dich nicht für nen Knacki halten ... (Lachen)

War das anfangs so? Musstest du erstmal zeigen, dass du ein netter Typ bist?

(Denkt kurz nach) Im Bekanntenkreis, ja. Wir haben damals über die Kita neue Leute kennen gelernt, mit denen wir dann angefangen haben, rumzuhängen – und irgendwann hat mir dann die eine, mit denen wir mittlerweile richtig eng sind, gesagt, dass sie durch mich ihre Vorurteile überwunden hat. Für sie gingen halt lange Haare bei Männern gar nicht, und Bärte "Uuuah!" und Tattoos dann das Allerschlimmste … fand sie grauenhaft. Und dann haben wir uns durch die Kinder quasi zwangs-kennengelernt und sie hat festgestellt, der Typ ist gar nicht so ultravollscheiße, sondern eingentlich ganz ok.

Andererseits habe auch ich Vorurteile abgebaut. Man stempelt andere Menschen auch schnell als Spießer ab und tut ihnen damit Unrecht, nur weil sie nicht so aussehen wie man selber, sondern vielleicht einfach einen sehr unauffälligen Stil pflegen.

Ben mit seiner Harley SportsterBen mit seiner Harley Sportster

Gehen wir zum nächsten Outlaw-Klischee: Motorrad! Warum hast du mit Motorradfahren begonnen?

Ich hab 'nen älteren Bruder und der ist schon immer Motorrad gefahren. Ich bin früher so ein bisschen mit hintendrauf gefahren, hat mich damals aber nie so angeturnt. Vor ein paar Jahren hat er sich dann so 'ne große Harley gekauft, eine Dyna. Die hat er mir gezeigt, ich hab mich draufgesetzt und ich dachte so, ok, das gehört unter mich! Und dann dachte ich, ich muss 'nen Mottorradführerschein machen, ich brauch 'ne Harley.

Harley war klar?

Ja. Also ich finde auch andere Sachen cool, aber ich wollte auch nicht so ein Heizerding haben und auf so was Enduro-mäßigem habe ich mich irgendwie nicht gesehen ...

So eine Supersport wäre ja auch mehr Black Metal, oder? (Lachen) Eine schwarze Kawa Ninja oder so …

Ja, ich bin halt nicht Black Metal, ich kann damit tatsächlich ziemlich wenig anfangen. Ich wollte einfach mit 'ner Harley ein bischen rumcruisen. Aber ich wollte auch ein alltagstaugliches Ding, deshalb hab ich diese Sportster genommen und nicht irgendwie so ein Monsterschiff mit Koffern an der Seite.

Die Sportster bietet ja auch ein bischen Bodenfreiheit für Kurvenspaß. Hast du was daran gemacht?

Genau! Insgesamt habe ich gar nicht viel gemacht, ich hab das Kennzeichen an die Seite gesetzt, eine Tasche an die Schwinge gemacht. Ich hab den Scheinwerfer vorne ausgetauscht, im Original ist da so 'ne Funzel verbaut … nach einer Nachtfahrt war klar, das geht so nicht. Das war wie ein Teelicht – nichts gesehen, gar nichts – und dann hab ich mir diesen Daymaker gekauft, so ein LED-Teil. Seitdem werde ich auch nicht mehr übersehen von Autos, das ist echt ein Riesenunterschied. Vorher ist mir dauernd die Vorfahrt genommen worden, jetzt nicht mehr, und ich sehe halt gut im Dunkeln.

Und dann hab ich jetzt den Lenker geändert. Der war vorher flacher, ich hing mehr nach vorne, aber dann hast du bei längeren Touren so viel Gewicht auf den Handgelenken. Ich wollte etwas aufrechter, ein bischen entspannter sitzen. Jetzt hab ich einen etwas höheren Lenker und das war die beste Entscheidung. 

Wie oft bist du auf deiner Harley unterwegs?

Dadurch, dass ich selbstständig bin und Homeoffice hab, kann ich auch zwischendurch immer mal 'ne Runde drehen. Aber es müssen mehrere Faktoren zusammenkommen: Das Wetter muss passen, ich muss Zeit haben – natürlich spielt die Band auch eine Rolle, da ist natürlich am Wochenende weniger verfügbare Zeit über.

Und ich muss Bock haben. Es gibt ja auch Tage, das hast Du einfach keinen Bock, zu fahren … oder ich merke, ich bin nicht konzentriert genug. Das hatte ich vor ein paar Wochen, dachte, "Jetzt drehst du mal 'ne Runde" und habe gemerkt, dass ich die ganze Zeit mit dem Kopf woanders bin und dann nach 20 Minuten bin ich wieder nach Haus gefahren, weil ich dachte, "Ne, das kannste nicht machen, das ist zu riskant". Man kennt das ja vom Autofahren, dass man manchmal so wach wird und sich fragt, „Wo bin ich eigentlich die letzten 300 Meter gefahren? Waren da Ampeln? Keine Ahnung … “. Mit dem Auto ist das eine Sache, mit Motorrad halt 'ne ganz andere.

Harley & TriumphHarley & Triumph

Apropos Hobby – läuft ENDSEEKER eigentlich noch unter der Bezeichnung? Eure Band ist ja gefühlt echt groß geworden mittlerweile … und jetzt erscheint mit "Harvest" schon das zweite Album. 

Ja klar ist das Hobby, ich nehme ja kein Geld aus der Band mit nach Hause. Wäre natürlich schön, wenn es irgendwann mal dahin kommt.

Aber vom Stellenwert her, von dem, was man reingibt, da ist die Band vermutlich periodisch ähnlich intensiv wie ein Job, oder?

Das stimmt. Auch gerade in den letzten Wochen, da hab ich auch echt etwas Struggle gehabt, jobmäßig alles auf die Reihe zu bekommen. Sei es die Korrespondenz mit dem Label, da schreibst Du dann 20 E-Mails am Tag mit denen, oder es gibt Sachen vorzubereiten …

Worum geht’s da in den Mails?

Zeitpläne, wann kommt welches Video raus, welche News, Interviews koordinieren, alles mögliche. Wir machen das ja alles selbst und haben kein Management … Aber die kommen auch mit Vorschlägen, wie beispielsweise der 7 Inch, das war gar kein Bestandteil des Plattenvertrags. Das Label kam halt an und fragte, ob wir Bock hätten. Das war deren Vorschlag, eine hart limitierte 7 Inch mit einem Song auf der A-Seite und 'nem Coversong auf der B-Seite.
Dass wir überhaupt einen Coversong machen dieses Mal, das war auch ein Labelvorschlag. 

MEGADETH, right?

Ja genau, ich fand's cool, also der hat mir richtig Spaß gemacht. 

Warum die „Symphony“? Irgendwas von ENTOMBED oder DISMEMBER wäre ja naheliegender gewesen.

Ja, aber das wäre so vorhersehbar gewesen. ENTOMBED haben wir ja schon mal gemacht, „Supposed To Rot“ hatten wir ja auf der ersten Scheibe und letztes Mal dann BOLT THROWER. Als Death-Metal-Band Death-Metal-Songs covern kann man gut machen, das ist aber dann auch irgendwann durcherzählt. Wir wollten jetzt aber auch nicht SIX-FEET-UNDER-mäßig AC/DC-Songs covern.

Wir haben also relativ lange hin- und herüberlegt, was wir machen – da lagen bestimmt 20, 25 Songs als Vorschläge auf dem Tisch. Aber wir haben da keinen richtigen Konsens gefunden und irgendwer war immer so, „Äääähhhh… Üüüühhhh….“ und irgendjemand kam dann mit der "Symphony" um die Ecke und dann war das so. Ist ja auch 'ne geile Hymne, kennt jeder, einer der besten Metalsongs der 90er … und man darf nicht vergessen, der ist auch schnell gemacht.

Bis aufs Solo ...

Das Solo, ja, da hab ich auch direkt von Anfang an gesagt, "Keine Chance". Jury wollte natürlich ein bisschen posen, hat sich dann hingesetzt, so „Ich schaff' mir das mal drauf ...“. Ja, viel Vergnügen, Herr Friedman. Er hat dann natürlich kapituliert, weil das natürlich viel zu schwer ist. Wir beide sind nicht so die Solisten, was das angeht, und ein paar Besoldungsstufen niedriger angesetzt …

Dann hab ich überlegt und Mika von GRAVE – den kenne ich schon ewig – gefragt, "Hast Du Bock, willst Du das Solo einspielen"? Und er so, "Na klar, ok …". Das hat er aber auch ein bischen leichtfertig gesagt, denn irgendwann hat er mir dann geschrieben, "Alter, ich hasse Marty Friedman ...". (Lachen) Da hat er schon ein bischen rumgeknuspert, er hat es auch ein bischen abgewandelt, ist dann halt seine Version davon. Was aber auch gut ist, das wollte ich auch gerne so – denn auch was er da gespielt hat, das könnte ich gar nicht spielen.

Endseeker Band - pic by Toni B. GunnerEndseeker Band - pic by Toni B. Gunner

Auf der neuen Scheibe, teilt ihr zwei Gitarristen euch da die Arbeit genau so, wie ihr das bisher gemacht habt?

Genau, ich bin links, Jury ist rechts und das haben wir auch so durchgezogen.

Wenn ich 'nen Kopfhörer aufhabe, höre ich dich also wieder auf dem linken Hörer.

Genau, den rechten kannst du absetzen ... (Lachen)

Hast du mittlerweile auch Anteile am Songwriting oder macht das alles Jury?

Den Löwenanteil macht Jury, wir haben jetzt auf der Platte aber zwei Songs zusammen geschrieben. Bei einem Song hab ich auch mit Lenny zusammen den Text geschrieben.

Du singst auch bei einem Song, oder?

Nein, ich singe nicht, ich spreche zwei Sätze oder so. Wir brauchten an einer Stelle eine andere Stimmfarbe, um da so eine kleine Dialog-Passage hinzukriegen und das hab ich dann eben schnell gemacht. Ich werde aber kein Mikro auf die Bühne bekommen … (Lachen)
Das ist aber schon insgesamt mehr Band jetzt, das ist nicht mehr nur Jury, der in seinem Kämmerlein sitzt und uns dann die Songs präsentiert. Alle bringen sich ein.

Schon krass, dass ihr mittlerweile so viele Shows spielt, alleine jetzt den Sommer über.

Ja, keine Ahnung, wie viele Shows wir jetzt mittlerweile als Band gespielt haben … vielleicht 70 oder sowas. Ab Release sind wir dann nochmal ein bischen unterwegs und wenn's nach mir geht, können wir nächstes Jahr auch noch deutlich mehr spielen. Ich bin da momentan richtig heiß. Ich denke, jetzt alles mitnehmen, was geht – wir sind halt einfach nicht mehr die Jüngsten, wie lange kannst du das noch machen? 

Seid ihr alle um die 40?

Ja, ich bin der Älteste, aber die anderen sind so ein, zwei, drei Jahre jünger. Bis auf Lenny, unser Sänger, der ist nur optisch der Rentner – Onkel Fester – und sonst so 35 oder so. Also blutjung quasi ... (Lachen)

Auf euren ersten Scheiben wolltet ihr in erster Linie den großen Vorbildern huldigen, schön HM-2-Kult-Sound. Was sind heute eure Ziele mit der Band? 

Ich bin ja erst zur EP dazu gekommen, da war die schon im Kasten, als ich eingestiegen bin. Aber ja, das ist Jurys Ansatz gewesen, auf jeden Fall. Aber bei aller Liebe zu den Vorbildern hat man ja doch eine eigene Band-Identität. Man stellt ja auch fest, dass es Sachen gibt, die für einen selber soundmäßig oder stilistisch besonders gut funktionieren oder dann mehr Spaß machen.

Stillstand geht halt nicht ... man muss schon einen Fortschritt haben. Aber wir haben da jetzt ja auch keinen riesen Spagat hingelegt oder so was. Ich behaupte einfach mal, wer ENDSEEKER vorher mochte – also mit der "Flesh Hammer Prophecy" – der kann "Harvest" nicht scheiße finden. Das würde mich schon sehr wundern.

Zu den Zielen ... da gibt es einige. Wir würden gerne noch mehr Ausland spielen, auch gerne crazy Ausland, also USA oder so was ...

So wie MANTAR?

Ja klar, das ist natürlich ... Aber ich weiß nicht, ob so eine Karriere mit unseren Lebensentwürfen vereinbar ist. Vor allem Jury, der ist ja quasi Sozialarbeiter, halt Beamter und damit am unflexibelsten, was die zeitliche Einteilung angeht. Der Rest ist in seinen Lebensentwürfen relativ flexibel, aber es muss dann natürlich auch der familiäre Rückhalt da sein. Die Frauen zu Hause müssen das mittragen. Das ist jetzt spekulativ, weil man weiß ja nicht, was jetzt alles passiert. Wir sind halt gespannt, Metal Blade ist ein großes Label und auf so 'nem Label hat keiner von uns jemals 'ne Platte rausgebracht – keine Ahnung, was das für unsere Karriere bedeutet.

Aber angenommen, die Platte kommt total gut an und da passiert irgendwie was und man steigt quasi in eine nächste Liga auf und dann hat man plötzlich die Möglichkeit, 100 Shows im Jahr zu spielen ... was tut man denn da? Ich hab das halt bei mir zu Hause schon geklärt. Das war ein Gespräch, das hat eine Minute gedauert ...

Deine Frau kommt aus dem Label-Bereich und ist demnach offen für das Thema ...

 ... genau, und da haben wir beide gesagt, da kann man doch nicht nein sagen. Das ist eine Sache, da hat man quasi sein ganzes Leben lang von geträumt – und wenn sich sowas tatsächlich ermöglichen würde und du sagst, „Och nö …“ – dann ärgerst du dich doch den Rest deines Lebens und denkst, "Warum hab ich das nicht gemacht!?".

Ok, und da würde der Rest der Band dann mitziehen – wenn du sagst, das sind die Ziele?

Naja, so klar formuliert ist das natürlich nicht. Man träumt ja als Band auch, aber der konkrete Plan dahin ... Vieles davon ist ja auch Wolkenkuckucksheim. Bevor du drei Wochen im Ausland auf Tour gehst, da muss schon allerhand passieren. Und da muss irgendwie auch klar sein, dass das Geld abwirft. Es reicht dann nicht, wenn es kostendeckend ist. Ich zum Beispiel verdiene in der Zeit dann kein Geld, muss aber trotzdem meine Fixkosten bezahlen.

Es müssen auch gar keine Unsummen sein, es geht auch nicht darum, dass wir reich werden damit oder so. Aber wir stecken halt alle so viel Energie und Zeit und alles rein, und die Frauen zu Hause, die tragen das ja alle mit. Wenn wir weg sind, haben sie natürlich keine Freizeit, sondern müssen unter anderem Kinder betreuen. Die würden sich auch freuen, wenn du dann mal mit 500 Euro in der Tasche nach Hause kommst von so 'nem Wochenende, sodass Du sagst, wenn das nächste freie Wochenende ist, dann fahren wir mal drei Tage weg. Sodass man auch den quasi Mitleidenden etwas zurück geben kann. Aber sowas kann man ja hierzulande kaum äußern, solche Wünsche, dann ist man ja gleich sellout ... 

Sellout, gutes Stichwort. Ist das für euch überhaupt wichtig, Szenezugehörigkeit?

Ne, wir sind ja zum Beispiel auch keine Imageband. Wir versuchen ja auch gar nicht, uns nach außen durch irgendeine finstere Art zu verkaufen.

Das mega Augenzwinkern bei euch ist in meinen Augen auch der Grund, weshalb euch viele Leute mögen. Das wird in den Kommentaren zu euren Videos und Updates oft gefeiert.

Ja, aber wem wollen wir denn auch was vormachen? Spätestens, wenn die Leute am Merchstand mit uns reden, ist sowieso die Maskerade vorbei. Man trifft hier und da schon Mal 'ne Band, die bemüht ist, möglichst hart zu sein. Wo du schon denkst, "Diggi, jetzt mal locker … Bierchen trinken und alles gut ...". Aber ansonsten ist das eher easy.

Ich hab die beiden SLIPKNOT-Gitarristen neulich im Interview gehabt, für die "Guitar". Und ich hatte die vorher noch nie getroffen. Mit Corey Taylor hab ich schon ein paar Mal gedreht und dass der super-easy ist, das wusste ich, aber die Gitarristen waren für mich nicht so richtig greifbar – die sehen auch immer so furchteinflößend aus. Ich hab die direkt vor der Show gesprochen und die kamen halt rein in Bühnenklamotten, zwar ohne Masken aber schon mit so schwarzen Panda-Augen. Die sind beide riesig, der Mick ist so ein Bär … Da kamen also diese riesigen Typen da rein und waren dann ultranett – so nice.

Und dann merkst du: SLIPKNOT haben halt echt ein böses Image ... Und gerade früher in den 90ern gab es ja alle möglichen bösen Gerüchte, "Die quälen sich alle mit Elektroschocks" und "Wenn einer die Maske abnimmt, dann legen die anderen den um" und die ganze Scheiße, die damals so kursierte. Und dann triffst Du diese Typen und die sind total Mr. Nice Guy … cool.

Das eine ist das Ding auf der Bühne, das passt ja auch wunderbar als Transportmittel auf der Bühne … aber für uns als Death-Metal-Band? Death Metal kommt ja auch eher aus dem Punk, und da ist es ja auch eher etwas "Uärgh, räudig-rotzig, wir saufen Bier und schreddern ...". Wir haben gar keine Lust, da den Finsteren zu machen, aus dem Alter bin ich raus.

Als Schreiber für die "Guitar", experimentierst du selbst viel mit deinem Sound? Weil der ja doch relativ gesetzt ist … (Lachen)

Ne, gar nicht ... Überhaupt nicht (Lachen) … "Blasphemie!" (Lachen) ... Ne, ich habe sehr viel experimentiert. Das Grund-Ding, diese HM-2-Säge ist zwar gesetzt, das muss sein, weil das ja das Genre definiert, aber einen Gitarrensound zu haben, der dieses Element hat, der aber trotzdem so transparent ist, dass man auch hört, was man spielt – und der im Band-Kontext gut funktioniert – das ist nicht so trivial. Und da haben wir lange dran rumgeschraubt. Ich hab bestimmt zehn verschiedene Verstärker gekauft und wieder verkauft, bis ich dann bei dem JCM 800 gelandet bin, der es einfach nun mal ist ...

Eigentlich der Klassiker, oder? Das Ding, das bei jeder zweiten Rockband im Proberaum steht.

Ja, und meine ganze Gitarristen-Karriere habe ich eigentlich immer einen Bogen um diesen Amp gemacht, weil ich dachte, "Das ist voll der Opa-Amp, macht einfach keinen Bock, der totale Scheiß, wir wollen doch nicht AC/DC machen ...". Bis ich das Ding dann irgendwann in die Finger gekriegt habe und dachte, "Alter … das ist ja der Shit! Das ist ja der beste Amp, der je gebaut wurde!".

Jury spielt ja den gleichen und dann haben wir angefangen, mit den Pedalen herumzuexperimentieren: Können wir noch irgendwie 'nen Boostpedal dazwischen knallen, das noch ein bisschen Klarheit bringt? Da haben wir dann dieses "Wurm"-Pedal in die Finger gekriegt und den noch mit anderen verglichen, aber der "Wurm" hat einfach das beste Ergebnis geliefert. Der musste halt mehr Klarheit und Definition reinbringen in die ganze Sache, und das hat der gemacht.

Dann haben wir mit den Leuten von KMA gesprochen und meinten, wir würden das gerne als sozusagen unser Pedal spielen, also auch über unsere Kanäle featuren und so. Und dann haben sie uns das Signature-Gehäuse mit Bandlogo in Wunschfarben gemacht. Das ist schon geil, wenn Du das auspackst – das hat kein anderer, nur wir, dass das so aussieht. Live hat sich das Ding vorher deutlich bewährt und auch im Studio war das mega – wir haben so einen geilen Gitarrensound im Studio gehabt!

Also durchaus Änderungen, auch wenn der Klang insgesamt genre-typisch geblieben ist.

Ich finde, der Sound ist auf dem neuen Album sehr viel aufgeräumter. Du hörst viel besser, was wir spielen – was es für mich dann auch irgendwie härter macht, weil die Riffs straffer durchkommen. Das andere ist vielleicht irgendwie im ersten Augenblick vermeintlich brutaler, weil mehr Noise und mehr "Chrrr" drin ist, aber dadurch auch sehr viel verwaschener. Bei der "Flesh Hammer" ist es echt an einigen Stellen so, dass ich dachte, "Ok, warum habe ich mir da im Studio einen abgebrochen, wenn es am Ende nur klingt wie ein Laubbläser?". Hätte ich mir auch sparen können, die Fingerknoterei. Jetzt hat es halt einen Sinn, jetzt hört man das alles.

Wenn man seinen Sound gefunden hat, will man dann nicht den ein oder anderen Song neu aufnehmen?

Ne, das ist schon ok. Das sind ja auch alles zeitliche Momentaufnahmen und das ist ja auch gut, dass da eine Entwicklung stattfindet. Wenn alle Platten gleich klingen würden, das wäre ja dann auch doof. Wenn wir wieder auf die Vorbilder schauen – es gibt ja auch keine zwei DISMEMBER- oder ENTOMBED-Platten, die gleich klingen. Nicht mal "Wolverine Blues" und die "To Ride Shoot Straight ..." klingen gleich, da sind schon Unterschiede am Start.

Du hast ziemlich viele Gitarren …

… ja, aber nie genug. Wir haben ja einen Endorsement-Deal mit Solar-Guitars und das ist tatsächlich auch die beste Gitarre, die ich je gehabt habe.

Das musst du jetzt ja sagen. (Lachen)

Ne, das meine ich auch wirklich so. Das ist die eigene Gitarrenmarke von Ola Englund, dem Gitarrist von THE HAUNTED, und ich bin da tatsächlich für meine Schreiberei fürs "Guitar"-Magazin rangekommen. Ich musste eine Solar-Gitarre fürs Heft rezensieren, hab die halt ausgepackt und dachte so, "Alter wie geil ist die denn?". Man sagt ja, das ist nicht der Gitarrist, der sich die Gitarre aussucht, sondern die Gitarre sucht sich den Gitarristen aus. Und das war so – "ok, wunderbar!".

Also hab ich die angehauen, meinte so, "Ich hab eure Gitarre in die Finger gekriegt, wie sieht's aus, wir sind ne aufstrebende Band ...", und die so, "Joah, ok!". Also, wir haben schon was bezahlt, aber wir haben halt 'nen ordentlichen Discount gekriegt, du kannst halt sehr viel günstiger einkaufen. Und das ist super.

Nur die Hardware oder bekommst du dann auch Saiten und sowas?

Ne, ich hab schon geguckt nach 'nem Saiten-Endorsement bei der Marke, die ich spiele (GHS Boomers – "13- 56"). Aber da musst du mindestens 60 Shows pro Jahr spielen.

Wie bist du eigentlich zu dem Schreiber-Deal beim "Guitar" gekommen?

Für die "Flesh Hammer Prophecy" hab ich denen ein Interview gegeben. Ich kannte welche von dem Heft, weil ich ja früher auch als Promoter gearbeitet habe. Die kamen also an und meinten, "Passiert ja was bei euch und dieser Schweden-Sound hat ja eh gerade Renaissance, machen wir mal ein Feature über deinen Sound". Wir haben dann einen Phoner gemacht, den ganzen Technik-Kram hab ich dann aber nochmal runtergetippt und denen rübergeschickt – auch damit da nicht irgendwas geschrieben wird. Und das fanden die so gut, dass die mich danach gefragt haben, ob ich nicht für die schreiben will.

Mega!

Ja, es gibt ja eigentlich nichts Geileres. Du kriegst die ganze Zeit Equipment geschickt, testest das, schreibst deine Meinung dazu … also es macht einfach riesen Spaß, ich mach' das richtig, richtig gerne. Ist auch mal was anderes, als die Filmerei in meinem Job … Nur mit einem Telefon zum Interview aufschlagen und nicht mit riesen Geraffel, Licht und Kamera und Ton ... du setzt dich einfach nur hin und fertig.

Mit der Produktion von Filmen und Clips verdienst du ja dein Geld – was super für die Band ist, denn die ENDSEEKER-Videos produzierst du alle komplett alleine, oder?

Ja, bis auf das neue Video – dadurch, dass wir da auch endlich mal ein Szenario haben, wo wir alle gleichzeitig auf der Bühne stehen. In dem Moment kann ich natürlich nicht die Kamera bedienen. Deswegen bin ich bei den anderen Videos auch immer sehr wenig im Bild vertreten, weil die Kameraführung immer kurz jemand anderes machen musste aus der Band, wenn ich im Bild war. Dieses Mal hat uns Bart von unserem Label geholfen, der sonst Social Media macht. Das hat gut funktioniert und war im Schnitt für mich dann auch echt ungewohnt: "Huch, da bin ja ich! … und schon wieder!" (Lachen)

Konzipierst du eure Videos und hast bei allem freie Entscheidung?

Wir brainstormen natürlich schon über Konzepte, aber grundsätzlich schon. Die Umsetzung liegt dann natürlich bei mir, aber da sind die anderen auch super cool, da gabs auch noch nie Gemoser oder so. Aber die Wahnsinns-Konzepte haben wir ja auch noch nie gehabt. Also das Ding mit Mark Greeve, wo wir ihn entführt haben und Lenny ihn quasi schlachtet, da gabs ein Konzept …

Oder die Story von eurem allerersten Video …

Joah, das war aber auch ein bisschen drauflosgedreht ... (Lachen) Aber jetzt, das Video zu "Spiritual Euphoria", in dem nur Lenny zu sehen ist – ursprünglich war das als Performance-Video geplant. Und ich dachte, als ich den Song gehört habe, "Nur Performance, das läuft sich ja tot". Dafür ist der Song zu lang und zu komplex. Ich wollte gerne noch eine andere, atmosphärische Ebene haben, weil ich den Song auch sehr atmosphärisch finde.

Dann hab ich Lenny zwei, drei Wochen vor unserem eigentlichen Drehtermin zur Seite genommen und meinte, "Komm und lass' mal Sonntag treffen, lass' mal ein bisschen Quatsch machen. Ich besorg' ein paar Sachen und dann drehen wir Zeug, damit ich einfach noch eine Ebene habe, die ich dazwischen schneiden kann". Und dann haben wir das gemacht – einmal diese Vocals-Performance und dann das, wo er im Feld steht …

… über die Halme streicht und den Gladiator macht … (Lachen)

Genau, der "Gladiator-Shot", den fand ich auch richtig cool. Dann hatten wir das also abgedreht – und auch quasi völlig wahllos – und ich hab das zu Hause zusammengebastelt um zu gucken, wie ist der Flow und wo kann das farblich hingehen. Ich hab es den anderen geschickt und dann zwei Tage sacken lassen … und dann in den Chat geschrieben, "Ey Leute … für mich ist das feddich! Ich seh' da uns gar nicht drin. Ich wüßte gar nicht, wie ich da noch eine Performance reinkriegen soll, ohne dass die Atmo zerstört wird". Lenny ist halt so ausdrucksstark mit seinem Gummigesicht … den musst du nur irgendwo hinstellen, Kamera läuft, der hat auch kein Schamgefühl … das ist super. Und ihm macht das auch sehr viel Spaß.

Lass mich dir zum Ende unseres Gesprächs noch eine Frage stellen, auf der ich selbst schon rumgekaut habe: Warum tragen Punks eigentlich keine Bärte? (Lachen)

Weiß nicht … vielleicht, weil sie zu jung sind? (Lachen) Jetzt, wo Du's sagst, ist das natürlich total … aber ich weiß nicht … hab ich keine Erklärung. Ist eine richtig gute Frage. Fällt mir nicht mal irgendwas Witziges zu sein.

Und warum tragen viele Metaller eigentlich gern Tarnhosen, so wie du ja auch?

Da hab ich letztens ein witziges Meme gesehen – von wegen Verschwörungstheorie: Death Metal ist eine Erfindung des Militärs, um Tarnhosen an Zivilisten zu verkaufen. (Lachen)

SABATON haben dann offenbar die Tür verwechselt … (Lachen)

Ja klar, so frühe OBITUARY oder SEPULTURA haben ja auch schon ganz früh angefangen, Tarnhosen zu tragen – gern auch diese Schnee-Tarnhosen. Krieg und dieses ganze Militärische ist ja auch oft Thema im Death Metal. Ich glaube, dieser Combatanten-Look geht vielleicht mit dem Gewaltlevel der Musik einher. Militärische Accessoires sind ja auch in anderen Metalgenres beliebt, Patronengurte oder Springerstiefel bei den Black Metallern ...

Und dann Gitarrespielen und Schießen, das ist auch 'ne relativ ähnliche Geschichte. Keine Ahnung … Aber diese Punkfrage, die irritiert mich. Da werde ich die ganze Rückfahrt drüber nachdenken.

Wenn du nicht bei ENDSEEKER spielen würdest, wärest du dann bei ner anderen Band? Oder hättest du die Gitarre an den Nagel gehängt?

Ja, hätte ich. Also jedenfalls bei Metalbands. Bevor ich bei ENDSEEKER eingestiegen bin, hab ich mir geschworen, ich spiele nie wieder in einer Metalband. Bei all den Metalbans hat es ja bis zu einem gewissen Punkt immer Spaß gemacht, aber es war dann ja auch oft mit Frust beladen. Du kommst dann nicht voran, sitzt auf 'nem Haufen T-Shirts, die keiner haben willst, spielst Konzerte vor fünf Leuten ... dieser Scheiß. Irgendwann kommst du an einen Punkt wo du sagst, "Es reicht mir jetzt, ich hab genug Dreck gefressen, scheiß Sportmukke!".

Ich hab gesagt, ich würde noch in so 'ner Indie-Pop-Band Gitarre spielen, wo du mit zwei Atü auf'm Kessel am Bühnenrand stehst, Saal ist voll mit 350 Mädchen, ist auch egal, spielst halt so ein paar Barré-Akkorde und gehst ohne einen Schweißtropfen von der Bühne. Das wäre geil. Das wäre mein Wunsch-Szenario.

Dann ruft Eggert mich an: "Hey Ben … spiel' in ner neuen Detah-Metal-Band, ich hier mit dem und dem und dem ..." – Ich so: "Ja, schön für dich." – Er: "Ne, wir brauchen auch noch 'nen zweiten Gitarristen." – "Ja, das bin aber nicht ich." – "Doch, komm schon …" – Ich: "Ne, echt nicht, hab' die Schnauze voll. Aber schick' mir mal Demo-Songs und vielleicht fällt mir dann jemand ein, dem das gefallen könnte."

Dann hat er mir die Songs geschickt, ich hab 20 Sekunden reingehört, dann das Telefon in die Hand genommen und gesagt, "Eggert ich bin dabei!". Einfach, weil ich es so geil fand. Ich bin quasi als Fan eingestiegen.

Als erster Fanboy.

Ja, als Fanboy. Wobei, das war auch alles nicht abzusehen. Ich weiß noch, ich hatte dann meine Audition und hab vorgespielt und alle so, "Ja, is' cool, können wir uns vorstellen." Und ich so, "Ja, ich muss aber direkt sagen, ich will nicht groß touren und will auch nicht so viele Shows spielen und so weiter ... Das ist hier echt nur ganz nebenbei."

Hat ja gut geklappt.

Ja, hat echt gut geklappt. (Lachen)

Warum tragen Punks keine Bärte ...

Chris

Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!