Geschrieben von Mittwoch, 26 April 2006 16:06

Neaera - Interview zu "Let The Tempest Come"


Review

NEAERA ist wohl die aufsteigendste deutsche Metalcore-Kombo des letzten Jahres. Erst vor kurzem hat das Münsteraner Quintett sein neues Album „Let The Tempest Come" vorgestellt. BurnYourEars.de hat sich die beiden Gitarristen Stefan und Tobi während der letzten Tour mit CALIBAN und THE AGONY SCENE mal zur Seite genommen und zur  Band und zum neuen Album befragt. Hier die Antworten.

 

BurnYourEars.de: Momentan geht Ihr ja ziemlich steil hier in Deutschland und Europa! Dabei seid Ihr noch gar nicht so lange dabei! Wie ist das alles für Euch, auf Metal Blade gesignt zu sein und von 0 auf 100 geschossen zu werden?

Stefan: Na gut, auf Metal Blade sind wir ja jetzt schon ein bisschen länger...Tobi: Ja, ich glaub unser Zweijähriges haben wir grad...Stefan: Ja, so in etwa, könnte hinkommen. Es ist natürlich nach wie vor super, aber diese Anfangseuphorie, dass wir bei Metal Blade gesignt sind, hat natürlich schon ein bisschen nachgelassen. Man gewöhnt sich ja auch daran, und nach zwei Jahren ist die Situation ein bisschen normaler geworden. Die Zeit, in der wir jedes Wochenende unseren Plattenvertrag in der Sputnikhalle [in Münster, Anm. d. Red.] gefeiert haben, ist vorbei. Aber nichtsdestotrotz sind wir natürlich nach wie vor eine glückliche Band mit all dem, wie es momentan läuft. Die aktuelle Tour ist natürlich auch wieder super. CALIBAN hatten ja gerade das Release ihrer Platte und jetzt sind wir auch bald dran. Da können wir jetzt praktisch so eine Doppel-Release-Tour spielen. Gerad' mit CALIBAN sind die Clubs dann auch wieder ein bisschen größer und man erreicht mehr Leute mit seiner Musik. Wir sind auf jeden Fall eine glückliche Band.

Sprechen wir mal über das neue Album „Let The Tempest Come". Das Ding hat mich wirklich umgehauen. Noch direkter und besser kann man Metalcore meiner Meinung nach gar nicht spielen. Aber wie sind Eure Eindrücke von dem Album? Was hat sich denn so verändert in Euren Augen?

Tobi: Ja, danke erst mal. Nun gut, was hat sich verändert? Wir haben viel geprobt nach der letzten Platte, dann haben wir die Hell On Earth Tour gespielt und kontinuierlich weiter an Songs geschrieben. Das ist wohl auch der Grund, warum das alles so schnell geklappt hat, die neue Platte zu schreiben. Wir waren auch im Proberaum fokussierter beim Songwriting.

Stefan: Wir haben die Herangehensweise diesmal geändert. Wir haben die Songs nur zu dritt geschrieben, sprich Sebastian, unser Schlagzeuger, Tobi und ich. Das haben wir irgendwie als produktiver empfunden. Die Texte habe ich diesmal alle bis auf einen alleine geschrieben. Beim letzten Album hatte mir da unser Sänger noch mehr geholfen. Ansonsten sind die Songs alle so um eine Minute länger geworden und wir haben mehr konventionelle Songstrukturen eingebaut. Außerdem ist alles ein bisschen härter, schneller und aggressiver geworden. Und den cleanen Gesang haben wir diesmal komplett weg gelassen.


Hat Eure Live-Erfahrung da auch mit reingespielt? Habt ihr Euch daran orientiert, bei welchen Parts die Menge besonders abgeht?

Tobi: Eher nicht, wir haben die Songs so geschrieben, wie sie sich für uns gut anfühlen.


Stefan: Stimmt, ich glaub, das haben wir eigentlich gar nicht berücksichtigt. Wir haben das so gemacht, dass unsere Ohren gesagt haben: es hört sich gut an. Und ob die Songs jetzt live-tauglich sind, das haben wir erst mal außen vor gelassen. Wir wollten zuerst einmal eine gute Audio-CD machen, die Live-Tauglichkeit haben wir dabei ausgeklammert. Tobi: Das Einzige, was sich durch die Konzerte geändert hat, ist, dass wir an unseren Instrumenten gereift sind und dadurch auch das Zusammenspiel besser läuft.

Stefan: Das mit Sicherheit. Wir haben im letzten Jahr um die 70 Konzerte gespielt. Und trotzdem aber jeden Monat einen Song geschrieben. Insofern hat das Live-Spiel auf jeden Fall was gebracht. Wir können jetzt auch schneller spielen, und Riffs, die vorher schwer für uns waren, sind jetzt richtig einfach. In dem Bereich hat sich auf jeden Fall was getan.

Ihr habt Euch diesmal für Jacob Hansen als Produzenten entschieden. Wie kam es dazu?
Tobi: Das ist eine ganz einfache Frage. Der Andy Classen hat diesmal keine Zeit gehabt, als wir ins Studio wollten.

Hättet Ihr Euch sonst wieder für Ihn entschieden?

Tobi: Mit Sicherheit. Aber wir haben mit Jacob Hansen jetzt auch eine astreine Wahl getroffen und sind voll und ganz zufrieden mit der Aufnahme. Also wir haben uns nicht mit dem Classen gestritten oder so. Das sind alles nur Gerüchte. (lacht)

Stefan: Wir wollten keine fünf, sechs Monate warten. Die ganze Platte war im November fertig. Im Januar hatten wir den Studiotermin geplant. Und der Classen meinte aber, er hätte erst was im Mai frei. Das wäre echt nicht gegangen. Da hätten wir ja schon wieder eine halbe Platte fertig. (lacht) Das Songwriting ist bei uns ein konstanter Prozess und wir haben jetzt schon wieder die ersten Songs für die nächste CD geschrieben. Deswegen konnten wir unmöglich bis Mai warten und hatten deshalb ein bisschen Knatsch mit Andy Classen, weil er das nicht ganz verstehen wollte. Im Großen und Ganzen sind wir mit der Wahl von Jacob Hansen aber voll zufrieden. Im Endeffekt mögen wir den Sound der neuen Platte auch alle viel lieber.

Welcher ist Euer Lieblings-Neaera-Song, und warum?
Tobi: Schwer zu sagen. Vom neuen Album oder allgemein?

Allgemein, ganz egal.

Tobi: Also welcher Song mich positiv überrascht hat auf der Platte, als ich ihn dann fertig gehört hab, ist „Heavenhell" und spielerisch „Plagueheritage", der macht live richtig Bock zu spielen.

Stefan: Bei mir ist es auch „Heavenhell" und „I Love The World".

Ist das im vierten Song „God-Forsaken Soil" eigentlich der Sänger von END OF DAYS?


Stefan: Genau, Kevin Otto.

Wie ist es dazu gekommen?

Tobi: Durch die Hell On Earth Tour haben wir die Band kennen gelernt. Wir mögen alle seine Stimme und sind auch Riesenfans von END OF DAYS. Deshalb haben wir ihn einfach gefragt, ob er ein paar Wörter eingrunzen will. Er ist nach Dänemark gekommen und das Ergebnis kannst Du auf der Platte hören.

Aber sonst hab ich keine Features auf „Let The Tempest Come" verpasst?

Stefan: Doch, im selben Song hast Du noch Jakob Bredahl von HATESPHERE verpasst. Der macht den Refrain und den Lacher im Song. Mir wär' ja lieber jeweils ein Feature in zwei Songs lieber gewesen, aber unser Sänger wollte das so. Und da es ja schließlich sein Instrument ist, haben wir beide Features in diesen Song gepackt. Ansonsten sind wir aber auch so mittlerweile ziemlich dicke Kumpels mit END OF DAYS.

Was macht Ihr eigentlich, wenn Ihr nicht gerade mit der Band zu tun habt?

Tobi: Also nicht viel. Arbeiten ab und zu. Irgendwann will ich vielleicht auch noch mal studieren.

Stefan: Ich studiere noch nebenbei. Englisch und Erziehungswissenschaften. Hat in letzter Zeit zwar ein bisschen nachgelassen, aber es ist noch machbar. Wir sind ja auch alle noch jung. Ich bin mit 26 der Älteste. Und wenn eine Chance, wie wir sie jetzt haben, da ist, muss man sie halt nutzen.

Was sind für Euch die Vor- und Nachteile, in einer Band zu sein?

Tobi: Vorteil ist, dass man viel touren kann und einfach nur eine Menge Spaß hat. Nachteile fallen mit gerad' echt nicht ein. Okay, das Schlafen im Bus ist nicht gerade das Angenehmste, aber das würde ich jetzt nicht als Nachteil bezeichnen.

Stefan: Von Vorteil ist, dass man durch eine Plattenfirma wie Metal Blade die Möglichkeit hat, seine Musik weltweit an den Mann zu bringen. Das ist natürlich ein tolles Gefühl. Du hängst in Münster in Deiner Bude oder im Proberaum, spielst irgendwas und weißt, das machst Du nicht nur für dreißig Leute in irgendeinem versifften Keller, in dem Du mal spielst. Sondern das geht nach Japan, in die USA, und nach überall hin hier in Europa. Als Musiker willst Du die Leute ja immer irgendwie erreichen. Und wenn Du dann bei einer Plattenfirma mit so einem großen Einzugsbereich bist, ist das einfach eine tolle Sache. Außerdem haben wir durch die Band eine Menge Freundschaften geschlossen. Nachteile, da muss ich auch überlegen... Bei gewissen Dingen lässt, wie gesagt, die Euphorie nach und es stellt sich stattdessen eine gewisse professionelle Routine ein. Als wir zum Beispiel unsere ersten Interviews gemacht haben, waren wir noch total hibbelig, aber mittlerweile haben wir so viele Interviews gemacht, dass es fast schon normal geworden ist. Das ist ein bisschen schade.

Wie seid Ihr zum Gitarre spielen gekommen?

Tobi: Weiß ich gar nicht mehr, ich wollte mal Klavier lernen, aber bin dann irgendwie zur Gitarre gekommen. Schlagzeug hab' ich auch mal gespielt. Ich weiß es echt nicht mehr. Keine Ahnung.

Stefan: Also ich hab mal Klavier gespielt. Das hab' ich dreieinhalb Jahre gemacht, wollte dann aber lieber Gitarre spielen. Erst ein halbes Jahr klassische Gitarre und dann E-Gitarre. Und dann hab ich relativ schnell Bands gehabt. Auch mehrere zur gleichen Zeit, die jetzt aber alle nicht mehr existieren.

Wer sind Eure Vorbilder?

Tobi: Kann ich ebenfalls nicht sagen. Niemand bestimmtes, viele Death Metal-Gitarristen, aber ein direktes Vorbild hab' ich eigentlich nicht.

Stefan: Bei mir war das immer dieser NEVERMORE-Gitarrist Jeff Loomis, der hat mich ziemlich beeinflusst. Die zwei DARK TRANQUILITY-Gitarristen hatten auch immer Sachen drauf, die eigentlich verboten gehören. Also das hat mich, glaub' ich, ganz schön inspiriert.

Was für Equipment benutzt Ihr?

Tobi: Ich spiele zurzeit eine LTD Viper von ESP und einen ENGL Fireball.

Stefan: Ich spiele den ENGL Ritchie Blackmore Signature Amp und eine billige Yamaha Gitarre mit einem Seymour Duncan Invader Humbucker in der Brücke.

Was sind ein paar von Euren aktuellen Lieblings-Alben?

Tobi: Zurzeit höre ich die neue DARK FORTRESS und die neue KATATONIA. Die neue CANNIBAL CORPSE will ich unbedingt auch noch kaufen.

Also, die ist richtig geil.

Tobi: Ja, hab ich auch schon gehört. Die wird dann glaub' ich auch auf Heavy Rotation gestellt. Ansonsten höre ich viele Black und Death Metal Sachen, auch so Underground-Zeugs. DARK THRONE, DARK FUNERAL, FORGOTTEN TOMB, so ein Zeug. Die neue IN FLAMES find' ich auch gut.

Stefan: Ja, aber auch so Musik wie COLDPLAY, die neue JOHNNY CASH, DEVIN TOWNSEND oder TOOL.

Was ist im Hause Neaera für die nächste Zeit geplant?

Tobi: Erst mal natürlich die aktuelle Tour mit CALIBAN zu Ende spielen. Im Sommer spielen wir dann ein paar Festivals und Wochenend-Shows. Und für die zweite Hälfte des Jahres sind wir noch am verhandeln, aber da ist noch nichts spruchreif.

Stefan: Wir würden auch mal gerne sehen, wie unsere Musik auf dem amerikanischen Markt ankommt, aber das ist nicht ganz so einfach. Dort haben sie genug Bands und sind auf europäische Bands nicht angewiesen. Die amerikanischen Bands touren dort sowieso das ganze Jahr, womit die Nachfrage eigentlich mehr als gedeckt ist. Aber vielleicht passiert da ja noch was. Jetzt kommen erst mal das Summer Breeze und das Pressure und vielleicht noch ein paar andere Festivals. Die Bewerbungen sind noch nicht ganz durch. Ansonsten schreiben wir weiter an der dritten Platte. Ich finde das Songwriting ist so mit das Wichtigste an einer Band. Live spielen ist zwar super und was ganz anderes, aber Songs schreiben und im Proberaum kreativ sein ist für mich das Erfüllendste.

Würdest Du dann sagen, dass Du eher ein Studiomusiker als ein Live-Musiker bist?

Stefan: Na gut, so eine geballte halbe Stunde mit Rumrennen, Schweiß, Lautstärke und Publikum ist von der Intensität natürlich nicht vergleichbar mit einer Probe. Aber den kreativen Prozess und die Selbstverwirklichung während der Probe finde ich sehr wertvoll. Klar ist das, was man vom Publikum zurückbekommt, einfach enorm und nicht mit den Songwriting vergleichbar. Aber wenn man zu Hause ein paar Riffs spielt, dann in den Proberaum kommt und das alles wie ein Puzzle zusammensetzt und nachher ist das Ding dann mit Text und allem drum und dran fertig, das ist auf jeden Fall ein gutes Gefühl.

Okay, dann war's das eigentlich schon. Danke für das Interview.

Stefan: Bitte, bitte.

Schwarz-Weiß-Fotos: Manuel Welsky