Ahoi Jim – schön, dich wiederzusehen. Wie geht’s und wie läuft die Tour?
Alles super, es ist so geil, endlich auf Tour zu sein und das Album endlich betouren zu können.
Das war ja auch ein Pandemie-Album.
Genau, und wir dachten, wir können die Tour auch nicht länger hinauszögern. Im Frühjahr ging's dann noch nicht, also haben wir die Tour nun zwischen die Feiertage gequetscht, in der Hoffnung, dass die Leute Zeit haben, neben Weihnachten und Silvester.
Und es geht auf, ich sehe nur übervolle Venues.
Ja, überall 1.000 bis 2.000 Menschen und – bis auf heute – auch alles ausverkauft. Wir freuen uns riesig. Aber wir waren auch fleißig während Coronoa mit fünf oder sechs Musikvideos ... und die neue Platte haben wir aufgenommen. Radio lief auch super, viele haben uns erstmals im Radio gehört und sind daraufhin zum Konzert gegangen. Geiselwind war krass, für einige war das ihr allererstes Konzert überhaupt.
Jeder erinnert sich ja auch noch an sein erstes Konzert, und dann ist es KISSIN DYNAMITE. Welches war denn dein allererstes Konzert?
IRON MAIDEN war das erste größere ... Hier und da gab es natürlich auch die eine oder andere Schulband auf einem Stadtfest, wenn wir es genau nehmen wollen.
Dies dürfte auch eure bisher größte Stage Produktion sein. Ist es ungewohnt, mit so viel Gepäck unterwegs zu sein?
Stimmt, das haben wir während Corona auch noch gemacht. Es ist immer ein wenig gewachsen mit Podesten und Requisiten. Neu sind ja vor allem die LEDs und Showtreppen, bisher sind wir eher auf Rampen gelaufen, und nun Gitarrespielen beim Treppenlaufen war schon eine gewaltige Umstellung. Dies habe ich sogar extra zu Hause geübt und bin die Treppe beim Gitarrespielen auf- und abgegangen, um selbst beim Stolpern noch tight und nicht wie ein Idiot auszusehen. Das war die Hauptübung und größte Vorbereitung für diese Tour.
Wir sitzen vor der Tour immer mit der Crew zusammen und spinnen herum – und dann kommt sowas Geiles dabei heraus.
Gestern in Hamburg war es dann wahrscheinlich etwas knapp mit der großen Produktion?
Oh ja, unser Emblem war kurz unter der Decke und der Fahrstuhl war auch zu klein, die Jungs haben den 500 kg Dolly mit zig Personen durchs Treppenhaus gehoben. Ich bin erst aufgewacht, als alles schon stand und habe keine Ahnung, wie das Zeug dorthin gekommen ist. Ich war schwer beeindruckt. Ich kenne das nur aus Erzählungen.
Und Jomi schleppt immer noch bei jeder Show Hannes Thron auf die Bühne?
Oh yes, auf jeden Fall. Manche Traditionen müssen auch einfach beibehalten und gepflegt werden. Das ist mit uns gewachsen und unser ganzes Team besteht weiterhin aus Kumpels und guten Freunden, sodass da auch jeder für brennt und Bock auf den Mist hat, den wir verzapfen. Das genieße ich sehr und so hat man einfach immer geile Leute um sich, mit denen man immer quatschen will.
Und wenn die Bühnen zu groß werden, hängt ihr einfach links und rechts weiter Treppen dran.
Ja, das hatten wir in Filderstadt – die Bühne war so groß wie die Wacken Stage, also viel fehlt nicht mehr.
Wie macht sich Sebastian an den Drums, hat er sich gut eingefunden?
Auf jeden Fall, er wird von den Medien auch schon gern mit unter den Tisch gekehrt, wenn es heißt “Die fünf Jungs aus dem Schwabenland”, denn wir sind eigentlich vier Schwaben und ein Saarbrücker, aber das scheint keinen zu interessieren. Er kann mittlerweile aber auch schon sehr gut schwäbisch, nach bald zwei Jahren. Den haben wir sauber integriert und auch bandmäßig ist es tipptopp.
Wir haben erst geschaut, ob er gut drummen kann und dann haben wir ihn abgefüllt und geschaut, ob er selbst dann noch erträglich ist. Dann war er immer noch nett und war dann eingestellt.
Welches war denn das größte Highlight für KISSIN DYNAMITE in 2022 und habt ihr Vorsätze für 2023?
Wacken natürlich, das erste Mal auf der Hauptbühne war schon krass, Novarock und generell die Open-Air-Shows. Endlich wieder richtige Shows seit Corona. Wobei die Strandkorb- und Autokonzerte schon interessant waren, ich bin aber auch glücklich, wenn wir das nicht wieder machen müssen. Das war letztes Jahr sehr befreiend.
Absolutes Highlight ist natürlich auch diese Tour jetzt. Es ist doch noch etwas anderes, wenn alle deinetwegen da sind und du nicht die Leute auf den Acker ziehen musst.
Und 2023 – einfach so weiter, und wenn es in dem Tempo so weiter geht, headlinen wir in 30 Jahren das Rock In Rio. Die Idee mit richtigen Neujahrsvorsätzen haben wir direkt wieder begraben, hat eh keinen Sinn. Im März geht es noch mal auf Tour, da freue ich mich drauf.
Da meine Begleitung absoluter ESC-Enthusiast ist, muss ich die Frage stellen: Wann bewerben sich KISSIN DYNAMITE für den ESC, vor allem, nachdem ELECTRIC CALLBOY so hervorragend vorgelegt haben? Euer Songwriting ist so unfassbar catchy, ihr hättet realistische Chancen.
Sobald die Redaktionen einsehen, dass sie auf einen guten Act setzen sollten. Aber wenn Deutschland wirklich gewinnen wollen würde, macht man es ganz einfach und fragt RAMMSTEIN und hat das Ding auf alle Zeiten gewonnen.
Du hast ja auch bei eurem Opener LEAGUE OF DISTORTION deine Finger mit im Spiel, da passierte 2022 recht viel. Bist du bei KISSIN DYNAMITE unterfordert, wie kam das Projekt in Bewegung?
Es war schon immer so, dass ich neben KISSIN DYNAMITE auch viel Metal höre, auch die härtere Gangart, angefangen mit 14,15 mit CHILDREN OF BODOM. KISSIN DYNAMITE wurde mit der Zeit immer eingängiger, mehr Stadion Rock und weniger Metal.
Anna fragte mich damals, ob ich Bock hätte auf ein Metalprojekt der härteren Gangart, da habe ich direkt ohne Nachzudenken zugesagt. Dadurch fand ich das auch so spannend, weil es so eine krasse Diskrepanz zum Gitarrenspiel bei KISSIN DYNAMITE gibt. Es sind zwei unterschiedliche Welten, in denen wir die Musik unterschiedlich angehen. Dadurch war das für mich auch vereinbar.
Ein Projekt, welches ähnlich wie KISSIN DYNAMITE wäre, würde für mich absolut keinen Sinn machen. Außerdem sind nette Typen dabei, bis auf den Drummer. (Der Drummer sitzt mit im Raum und antwortet mit “HDGDL".)
Dann ging es direkt los mit 'nem Plattenvertrag, Videodrehs und Produktion auf einem direkt anspruchsvollen Level. Das war für mich ebenfalls wichtig, direkt auf einem gewissen Niveau einzusteigen, denn Dreck habe ich mit KISSIN DYNAMITE lange genug gefressen.
Wie sieht deine Rolle bei LEAGUE OF DISTORTION aus, bist du am Songwriting beteiligt?
Da halte ich mich ziemlich zurück, ich bin in erster Linie Live-Gitarrist. Unser Booker bei LEAGUE OF DISTORTION braucht aber auch keine Rücksicht auf mich zu nehmen, KISSIN DYNAMITE haben immer erste Priorität und wenn sich Shows überlappen, kenne ich genug grandiose Gitarristen, die für mich einspringen können. So wie bei dieser Tour auch. Das wäre auch einfach schade für die anderen in der Band, wenn ich sie unnötig ausbremse.
Was mich nervte, war, von der Tour nach Hause zu kommen und nichts zu tun zu haben. Deshalb ist es jetzt eigentlich perfekt: Im Frühjahr spiele ich nach der KISSIN DYNAMITE Tour direkt bei LEAGUE OF DISTORTION die Shows. Ich glaube, das überschneidet sich nur um ein paar Shows.
Bist du nach einer Tour bisher denn immer in ein Loch gefallen?
Ich will einfach noch mehr live spielen und bei KISSIN DYNAMITE ist mir das nicht genug. Ich habe einfach immer live irgendwie ausgeholfen und gespielt. Aber jetzt eine feste zweite Band zu haben, ist da schon geiler.
Verstehe ich – und ihr könnt ja auch keine fünf Deutschlandtourneen im Jahr spielen, damit du beschäftigt bist.
Ja, man kann leider nicht fünf Mal in Wiesbaden spielen, auch wenn ich es hier sehr, sehr schön finde.
Die Feuerprobe habt ihr dann auf der CALIBAN Tour bestanden. Wie war's, in so einem frischen Setting auf der Bühne zu stehen?
Ich fand uns hammermäßig, wir haben voll abgeliefert! Es war super spannend, mit angenehmen Bands, die Jungs von CALIBAN sind eh mega und GHOSTKID auch, also menschlich schon unfassbar angenehm. Spannend war's, weil wir Opener waren und wir spielten manchmal schon echt knapp nach dem Einlass, sodass wir teilweise vor 50 Leuten angefangen haben. Zum Schluss waren aber immer genug Leute da, das ging dann klar.
Anna wurde nach dem ersten Wochenende krank und zog die restlichen Shows angeschlagen durch, bei den letzten Shows hat sie kaum noch was herausbekommen. Ich meinte nur ,"Rock’n’Roll Anna, hau raus, was geht", und sie so, "Ja, ok Jim". Und sie hat abgeliefert, Alter. Aber die Stimme war am letzten Tag arg gebrochen, da haben wir uns dann einen kleinen Scherz erlaubt und sie ein wenig nachgeahmt und alle haben gelacht. Das war super für uns alle. Also Rock ’n’ Roll-Feuertaufe für uns.
Im März sind LEAGUE OF DISTORTION wieder auf Tour, während ihr auch mit KISSIN DYNAMITE unterwegs seid. Steht für die Zukunft generell noch eine grundsätzliche Entscheidung an, wie weit du bei LOD noch an Bord bleiben kannst?
Wenn KISSIN DYNAMITE tatsächlich so groß werden sollte, dass ich für LEAGUE OF DISTORTION keine Zeit mehr habe, ist das vollkommen in Ordnung und ich hänge dort mit einem lachenden, aber auch weinenden Auge meine Gitarre an die Wand. Das war aber auch Anna klar, als sie mich fragte.
Ich will einfach nur spielen, ich bin dann ein anderer Mensch. Das war während Corona krass, das waren die ersten Jahre, seit ich zehn bin, dass ich keine Gigs mehr hatte. Als wir die Band mit zehn gegründet haben, war es ab da an normal, dass wir Gigs haben und plötzlich nach 20 Jahren spielst du keine Shows mehr, da bricht dann einfach ein großer Teil von dir weg.
Ich würde ja sagen, ich lerne es nun mehr schätzen, aber nein, es ist genauso wie früher und ich habe mir sogar eine zweite Band bereitgelegt, damit immer irgendwo etwas geht. Oder wir spielen nur noch dort, wo gerade Sommer ist und wo die Restriktionen lockerer sind ... Wenn das Summer Breeze zuhört, die haben nun doch einen Ableger in Sao Paulo, haha ...
Das Weiteste dürfte bisher Japan gewesen sein, oder?
Oh ja, das war 'ne Tour ... Ich war wieder zu Hause und dachte, was 'ne krasse Nacht, die Zeit hast du kaum realisiert. Würde ich unfassbar gern wieder hin, ein sehr dankbares Publikum, die flippen unfassbar aus und am Merch halten sie drei Meter Abstand und du bittest jeden einzeln zu dir, ganz höflich.
Was steht noch so an dieses Jahr?
Natürlich die Tour mit DYNAZTY im Frühjahr, aber auch viele Festivals, vor allem in Europa. Ich freue mich riesig aufs Graspop, am selben Tag mit MÖTLEY CRÜE und DEF LEPPARD, also für uns könnte das nicht besser passen. Wir sind ja praktisch die, nur in jünger.
Auf jeden Fall. Danke dir für deine Zeit, das letzte Wort gehört dir.
Sehr gerne würde ich mich bei allen bedanken, die Musiker in solchen Zeiten unterstützen, Konzerttickets kaufen, sogar im VVK, die noch Platten kaufen und Merch. Davon lebt das alles und davon kann ich und können wir unseren Traum leben. Dafür sind wir unfassbar dankbar und freuen uns auf die weitere Reise, die uns bevorsteht.
Einen Bericht mit vielen Bildern zur Show in Wiesbaden findet ihr hier.