Geschrieben von Montag, 09 September 2024 20:00

Interview mit Lars-Ulrich-Imitator Tom Chambers

Tom Chambers, hier mal nicht inkognito Tom Chambers, hier mal nicht inkognito Bild: Tom Chambers

Der Mann, von dem manche sagen, er sei mehr Lars als Lars höchstpersönlich. 

Einige lernen ein Instrument, um in einer Band zu spielen – andere, um ihr Idol zu feiern. Tom Chambers aus Leeds (England) hat da eine besondere Herangehensweise, denn er macht beides. Er ist neben seiner Tätigkeit bei den Instrumental-Metallern DIVIDED BY DESIGN vor allem als Lars-Ulrich-Imitator auf Instagram bekannt und huldigt hier der so oft verschmähten Ikone auf dem Drumhocker bei METALLICA, indem er Songs verschiedenster Künstler und Musikrichtungen im Lars-Stil covert. Inklusive Mimik und Gestik.

Sein Kanal wächst schnell und er blickt derzeit auf über 32.000 Follower allein bei Instagram. Für BurnYourEars nahm sich der Drummer Zeit, um über sein Verhältnis zu Lars zu sprechen und erklärt uns, warum das, was er da macht, alles andere als Spott über Lars' Fähigkeiten ist. Außerdem sprachen wir über seine Band, Perspektiven instrumentaler Musik und aberwitzige Karriereaussichen ... 

Tom, wer ist der beste Schlagzeuger der Welt?

Der beste Schlagzeuger der Welt ... uff, schwierige Frage. Wahrscheinlich Lars. (lacht)

Ich hatte gehofft, dass du das sagst. Warum Lars?

Ehrlich gesagt, ohne ihn würde ich wahrscheinlich kein Schlagzeug spielen. Ich schulde ihm viel, er ist einfach unfassbar lustig und großartig.

Viele Leute machen Witze über seine Timing-Probleme und sagen, dass er technisch nicht unbedingt in die Riege der Besten gehört. Aber wenn es um Charisma und Bühnenpräsenz geht, ist er sicherlich die Ikone schlechthin. 

Genau. Vielleicht ist er nicht der technisch Versierteste, aber sein Stil ist so einzigartig. Ich glaube, dass ein guter Drummer nicht unbedingt immer technisch versiert sein muss, sondern viel eher stilistisch eindeutig erkennbar sein sollte. Und Lars ... naja, man hört ihn und weiß sofort, dass es er ist.
Er bekommt viel Hass ab für seine Art zu spielen, aber diesen Wiedererkennungswert sollte man würdigen; das haben viele Schlagzeuger heute nicht. Es ist wertvoller als nur technische Fertigkeiten. Sein Erfolg gibt ihm da halt auch irgendwie Recht.

Ist es das, was du mit deinem Instagram-Inhalt zeigen möchtest?

Ja, das ist die Idee. Am Anfang habe ich das gemacht, was viele Schlagzeuger auf TikTok und Instagram tun: Einfach zwischendurch ein paar Inhalte erstellen, ab und zu etwas über Lars. Es fühlte sich aber irgendwie faul an und war mehr auf seine Schwächen fokussiert. Jetzt mache ich mich nicht mehr über sein Timing oder ähnliches lustig. Stattdessen konzentriere ich mich auf sein Gefühl und seine Fills.

Es ist schon witzig und faszinierend, dass Leute sagen, es klingt besser, wenn ich etwas spiele, das im Original technisch sehr anspruchsvoll ist, aber es in seinem Stil vereinfache. Zum Beispiel bei den DREAM THEATER-Covern, wo ich wirklich beinhart 4/4-Takte über irgendwelche komplexen Taktverflechtungen spiele. Das groovt dann einfach wie Hölle und das fühlen die Leute auch. Aber das ist übrigens oft gar nicht so leicht! 

Ich nehme an, das MESHUGGAH-Cover "Bleed" sollte aber wohl eher nicht besser klingen, sondern dann doch mehr oder weniger sehr deutlich auf Lars' fehlendes Talent an der Doublebass hindeuten ...

(lacht) Ja, das ist richtig. Der Hintergrund dazu ist allerdings, dass es schon lange sehr viele Schlagzeuger gibt, die über die Jahre Lars-Covers gemacht haben und dabei auf seinem fehlenden Talent herumgehackt haben. Josh Steven, der, glaube ich, einer der ersten Lars-Imitatoren auf YouTube war, hat ein Shirt gemacht, auf dem stand, „Viel Snare, Kickdrum optional“ und es Lars geschenkt. Lars fand das mega witzig, also dachte ich mir, wenn er es cool findet, dass Leute sich über sein Spiel lustig machen, kann ich das auch mal machen. Aber ich übertreibe es ja nicht – ich mache lieber die coolen, groovigen Cover.

Also geht es mehr darum, seinen Stil zu präsentieren – und nicht darum, sich über ihn lustig zu machen.

Genau. Es geht darum, seinen wirklich sehr einzigartigen Spielstil zu würdigen und zu zeigen, wie krass der Wiedererkennungswert seines Spiels ist. Wenn ich diese absurd langen Snare-Fills mache oder irgendwelche Becken im Offbeat hinzufüge, verstehen die Leute es – sie wissen, dass ich auf Lars anspiele. Manche weisen sogar auf spezielle METALLICA-Songs hin, aber das ist meist unbeabsichtigt. 

Es erfordert ziemlich viel musikalisches Können und eine sehr genaue Beobachtungsgabe, den Stil von jemandem perfekt nachzuahmen, während man den eigenen beiseitelegt. Sehen das deine Fans?

Ja, einige tun das. Unter den meisten Videos heben Leute das auch nochmal hervor, dass es durchaus eine ziemliche Leistung ist, Lars' Stil vollständig zu verkörpern, ohne den eigenen Stil durchkommen zu lassen. Es ehrt mich sehr, das zu hören. 

Jemand in den Kommentaren erwähnte neulich, dass er deine Videos wiederholt an Lars' Instagram geschickt hat und von Lars persönlich blockiert wurde. Ganz offensichtlich dringt das also bis zu ihm durch. Wusstest du das?

Haha, nein! Den Kommentar habe ich auch nicht gesehen. Oh nein, ich fühle mich jetzt schlecht dafür!

Keine Sorge, du bist ja nicht der Einzige; wie du sagst – Leute machen das seit Jahren. Es ist ja auch irgendwie klar, dass du ein großer Fan bist – du hast sein Spiel, seine Gesichtsausdrücke und sogar seine Bühnenpräsenz studiert.

Absolut! Ich habe so viele seiner Live-Auftritte gesehen und ihn buchstäblich studiert – S&M, Quebec Magnetic, alles davon. Ich kenne jede Sekunde dieser Alben. Ich bin wahrscheinlich einer seiner größten Fans, was irgendwie lustig ist, wenn man sich mein Instagram anschaut. 

Ihr habt beide eine ähnliche Frisur, Kurzhaarschnitt mit Halbglatze, und einen ähnlichen Bart. Ist das Absicht?

Die Frisur ist ein etwas unglücklicher Zufall! Deshalb trage ich die ganze Zeit eine Basecap, aber das macht Lars ja auch. Übrigens, ich trage sie zwar jetzt, aber ich bin hier nicht als Method Actor unterwegs. (lacht)

"To lars something down to 4/4", also etwas auf eine sehr leichte Taktart herunterzubrechen, ist mittlerweile eine gängige Verbalphrase in den Kommentarspalten deiner Videos geworden. In meinem Freundeskreis verwenden wir auch gerne das Verb "larsulrichen", wie in: "'Lass mich mal machen, ich kann das', sagte er und larsulrichte das Benzin in den Dieseltank". Wächst dein Einfluss und vielleicht das ganze Lars-Bashing über die Musik hinaus und infiltriert langsam unsere Sprachen?

Also was die Kommentare unter meinen Videos betrifft, definitiv. Aber tatsächlich ist das in meinem eigenen Freundeskreis mittlerweile auch ziemlich etabliert, aber das liegt vermutlich daran, dass alle natürlich auch sehen, was ich so auf Instagram treibe und sie Lars und seine Eigenheiten alle kennen.
Wenn einer seinen Drink verschüttet, sagen alle sowas wie "Oh man, er hat sein Bier gelarst", oder wenn einer sich den Zeh stößt, "Er hat sich den Zeh gelarst" ... Also ja, in meiner eigenen Bubble und auf Instagram ist das definitiv der Zeitgeist. 

Kann man als Lars-Imitator eigentlich seinen Lebensunterhalt verdienen? Sind deine Eltern stolz?

Ich denke, sie mögen, was ich tue. Ich habe die Lars-Videos auch erst etwa vor sechs Monaten angefangen. Es ist auch ziemlich cool, dass es mir geholfen hat, eine Fangemeinde aufzubauen, aber ich kann leider nicht davon leben. Ich sehe das mehr als eine Nebensache, ein zufällig sehr erfolgreiches Hobby.
Mein Bandkollege hat mich tatsächlich dazu gedrängt, damit anzufangen, und ich war anfangs nicht so begeistert von der Idee. Aber ich dachte mir, warum nicht? Es scheint bis jetzt zu funktionieren und meine Eltern sind zufrieden, auch wenn es kein Vollzeit-Job ist. 

Bist du sonst auch als professioneller Schlagzeuger unterwegs, oder war es immer mehr ein Hobby?

Ich habe schon eine Reihe von bezahlten Gigs und ähnliche Jobs gemacht und gebe auch Schlagzeugunterricht, aber insgesamt ist es aktuell eher eine Art professionelles Hobby für mich. Ich bin noch nicht mit großen Bands getourt, aber ich hoffe, dass ich das noch tun werde.

Ich kann mir vorstellen, dass dein Erfolg als Schlagzeuger auf Instagram auch deiner Band DIVIDED BY DESIGN zugutekommen muss. Was halten deine Bandkollegen von deiner Online-Präsenz? Hat es dem Erfolg der Band geholfen?

Sie finden es natürlich cool, aber geholfen hat es der Band bisher nicht wirklich, aber das ist auch tatsächlich gar nicht so wichtig, denn die Band läuft auch so ganz gut. Es gab ein bisschen Wachstum sowohl für meine persönlichen als auch die Band-Seiten, aber Social Media ist ein kniffliges Pflaster, und es ist sehr schwer, die Band und den Lars-Content zu verbinden, obwohl ich den Namen meiner Band ja sogar im Namen des Lars-Accounts trage.

Meine Instagram-Community ist halt sehr spezifisch – sie folgen mir ja hauptsächlich wegen der Lars-Videos. Sie sind nicht unbedingt daran interessiert, dass ich in einer Band bin, oder daran, dass ich plötzlich sage, "Hey, wenn dir das gefällt, schau dir meine Band an!" Sie folgen mir einfach nicht aus diesem Grund, und das ist auch vollkommen okay. Aber wer weiß? Vielleicht passiert es irgendwann. Im Moment aber nicht so sehr.

DIVIDED BY DESIGN ist kein neuer Name in der Instrumental-Rock- und Metal-Szene, zumindest in Großbritannien nicht. Ihr habt kürzlich ein neues Album veröffentlicht, wart damit auf Tour und habt sogar dieses Jahr beim Bloodstock gespielt. Wie geht's da weiter?

Ja, aktuell läuft es wirklich gut für uns. Momentan planen wir auch eine Headline-Show in unserer Heimatstadt Leeds und möchten das auch so groß wie möglich machen. Wir  würden natürlich gerne, wie wohl die meisten Bands, mal in größeren Hallen spielen und die Reichweite weiter ausbauen. Wir arbeiten auch an neuer Musik und planen, unser erstes Album neu aufzunehmen. Wir haben es während des Lockdowns aufgenommen, und es war aufgrund der Umstände nicht ganz das, was wir wollten, weil halt jeder von uns irgendwo anders war und wir alle von daheim aus aufnehmen mussten.

Insgesamt gehen die meisten Impulse innerhalb der Band aber auch nicht von mir aus, sondern eher von unserem Gitarrist, Liam. Der ist wirklich die treibende Kraft und ich bin eher der Schlagzeuger, der dem folgt, was geplant ist. Neues Album? Ok cool, ich bin dabei. Dort ein Gig? Klar, lass' machen. 

Nicht alle Bands, bei denen eine Person das Ruder in der Hand hat, funktionieren langfristig. Aber es klingt, als hättet ihr eine gute Banddynamik.

Ja, das haben wir. Ich kenne Liam seit der Sekundarschule – schon etwa 15 Jahre – also ist es, als wäre man in einer Band mit Freunden. Das macht die ganze Erfahrung angenehm.

Instrumental-Rock und -Metal sind heutzutage ein seltenes Genre. Habt ihr jemals darüber nachgedacht, mal einen Sänger in die Band aufzunehmen, oder habt ihr es sogar schon einmal versucht?

Als Liam die Band ursprünglich gegründet hat, haben sie das mit einem Sänger versucht, aber es hat einfach nicht gepasst. Die Gitarrenarbeit ist bei uns auch so wichtig für die Musik, dass uns Gesang irgendwie auch überflüssig schien. Mittlerweile denke ich nicht, dass wir irgendwann noch einen Sänger aufnehmen würden. Wir sind so weit mit Instrumentals gekommen und es funktioniert für uns.

Instrumentaler Musik kann manchmal Publikumsinteraktion fehlen, im Vergleich zu Bands mit Sängern. Wie geht ihr damit bei euren Live-Shows um?

Du hast Recht, das ist schon eine Herausforderung. Ohne Gesang kann es für das Publikum schon mal schwierig werden, eine Verbindung herzustellen, grad wenn es eben keinen Hauptentertainer mit Mikro in der Hand und eingängige Vocals zum Mitgröhlen gibt. Aber wir versuchen, das durch eine energetische Performance auszugleichen. Wir versuchen alle, die Erfahrung so interaktiv wie möglich zu gestalten. Das funktioniert auch.

Zum Beispiel haben beim Bloodstock unsere Fans zu einigen unserer Melodien mitgesungen, was eine großartige Dynamik in die Show gebracht hat. Irgendwie schaffen wir das immer wieder, eine Stimmung zu kreieren, in der sich das Publikum auch ohne Gesang einbezogen fühlt.

Spannend. Es ist sicherlich nicht einfach, als Instrumentalband ein Erlebnis für das Publikum zu schaffen. Aber wenn eine Instrumentalband es schafft, die Leute auch ohne Vocals zu begeistern, ist das nach meiner Erfahrung schon etwas Besonderes.

Genau. Es ist eine andere Art von Erlebnis. Bands wie DREAM THEATER haben sogar oft Sitzkonzerte, weil bei denen das Publikum die technischen Aspekte der Musik voll zu schätzen weiß. Die gehen da nicht hin, um zu feiern und zu moshen; es ist wie bei einer Theateraufführung – alle sind voll fokussiert auf die Musik, anstatt sich zu bewegen.

Bei euch stehen aber die Leute meistens und ich gehe davon aus, dass eure Musik etwas zugänglicher und "singbarer" ist als beispielsweise DREAM THEATER, PLINI oder ANIMALS AS LEADERS. Ich erinnere mich daran, dass ich vor ein paar Jahren PLINI im Vorprogramm von PERIPHERY gesehen habe. Jetzt sind PERIPHERY zwar krass, aber da kann man mitsingen und dazu abgehen. Bei PLINI ging das nicht. Es war ein viel zu starker Kontrast zwischen der technischen, komplexen Musik von Plini und dem dynamischeren, energetischen Metal von PERIPHERY. Wäre das nicht eine Nische für euch?

Ja, es ist ein deutlicher Kontrast. Musiker wie PLINI werden für ihr technisches Können geschätzt, aber es kann herausfordernd sein, wenn sie mit energetischeren Acts gepaart werden. Das Publikum reagiert oft unterschiedlich je nach Art der Musik und Performance. Ich hätte aber ehrlich gesagt auch ziemlich Bock, für PERIPHERY den Abend zu eröffnen. Vielleicht singen die Leute dann wieder mit und stehen nicht nur da. Hey, PERIPHERY! Falls ihr 'ne UK-Tour plant, meldet euch gern! 

Du meintest, du hättest nichts dagegen, mal mit einer größeren Band auf der Bühne zu stehen. Angesichts deiner wachsenden Anerkennung ist das ja vielleicht gar nicht so unwahrscheinlich? 

Man weiß nie! Lustigerweise habe ich ja neulich ein OASIS-Cover im Lars-Stil gemacht und einige Leute fanden das so geil, dass sie meinten, ich könnte der neue Schlagzeuger von OASIS auf der Reunion-Tournee sein. Das wäre natürlich schon witzig.

Nun, angesichts deines Erfolgs als Lars-Ulrich-Imitator dachte ich da eher an eine andere Band ...

Haha, ja, es wäre lustig, das mal für einen Abend zu machen und zu sehen, wie lang es dauert, bis die Leute das checken. Manche sagen ja, ich wäre mehr Lars als Lars selbst. In jedem Fall – ich bin ein großer METALLICA-Fan, also wäre das fantastisch. Hoffen wir einfach mal auf mehr Tourdaten in England und sehen, ob sie sich melden. (lacht)

Tom, vielen Dank für deine Zeit und das wunderbare Gespräch! 

Danke dir und danke für die Gelegenheit. Hau rein! 

 

Ihr findet Tom auf Instagram unter @tomdividedbydesign

Tom Chambers bei der Arbeit

Jakob

Ende der 90er war ich auf einmal da und entdeckte bald die Genesis- und Rolling-Stones-Platten meines Vaters.  Mit 11 fand ich entdeckte ich Metal, seitdem halten meine Eltern das für eine Phase, sind aber trotzdem stolz. 

Anmerkungen und Empfehlungen, Lob und Drohbriefe, Kochrezepte und Sonstiges: gerne per Instagram an jackl_p ;-)

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