Geschrieben von Dienstag, 31 Dezember 2024 14:37

TURBOKILL im Interview: "Ohne Freundschaft keine Band!"

TURBOKILL (v.l.): Daniel Kanzler (g.), Stephan Dietrich (v.), Marco „Fox“ Grünwald (b.), Ronny Schuster (g.), Kevin „Käfer“ Käferstein (dr.) TURBOKILL (v.l.): Daniel Kanzler (g.), Stephan Dietrich (v.), Marco „Fox“ Grünwald (b.), Ronny Schuster (g.), Kevin „Käfer“ Käferstein (dr.) Foto: Eulenherz Artwork

TURBOKILL – das sind fünf sympathische Vollblutmusiker, die sich mit Herz und Seele dem Power Metal der 80er Jahre verschrieben haben, und das auf höchstem internationalen Niveau. Vor ihrem Konzert in München sprachen sie mit BurnYourEars über Träume, Zeitmanagement und Freundschaft.

TURBOKILL wurden 2017 in Annaberg-Buchholz (Sachsen) von Ronny Schuster und Stephan Dietrich aus der Taufe gehoben, nachdem der Sänger für einen Abend bei Ronnys Band EBONY WALL ausgeholfen hatte. Über Anzeigen und Auditions kam die Band schließlich in ihrer heutigen Besetzung zusammen.

Ende 2019 erschien mit „Vice World“ das Debüt von TURBOKILL, doch als die Band gerade durchstarten wollte, schlug die Corona-Krise zu. So dauerte es fünf Jahre, bevor TURBOKILL mit „Champion“ ihr vielbeachtetes zweites Album via SPV Steamhammer auf den Markt bringen konnten. Die Scheibe entstand zum Großteil im Heimstudio von Hauptsongwriter Ronny Schuster und wurde von Lars Rettkowitz (FREEDOM CALL) produziert. Ende Januar 2025 erscheint eine Special Edition für den japanischen Markt. Mittlerweile haben TURBOKILL ihren Proberaum von Annaberg-Buchholz ins 30 Kilometer entfernte Chemnitz verlegt.

Ursprünglich sollte eure Tour vor zwei Wochen in Hannover beginnen, der Auftritt musste aber verschoben werden, weil Stephan eine hartnäckige Erkältung hatte. Jetzt, drei Tage nach Heiligabend, fällt also der Startschuss hier in München. Konntet ihr denn die Feiertage wirklich genießen?

Daniel: Also ich hab' schon auf glühenden Kohlen gehockt. Ich bin jemand, der sehr viel und sehr gerne übt, und dann sitzt du über die Weihnachtsfeiertage da, spielst das 60 Mal und denkst, „Hoffentlich geht's bald los!“. Ich hatte schon Hummeln im Hintern!

Erklärt doch mal bitte, wie es zu dem Namen TURBOKILL kam und welche Philosophie hinter eurer Band steckt.

Stephan: Einen tieferen Sinn hat der Name TURBOKILL nicht. Wir wollten einfach einen Namen, der cool klingt, einprägsam und prägnant ist und den es noch nicht gibt. Was unsere Band-Philosophie angeht: Es hat sich sehr schnell rausgestellt, dass wir Power Metal machen wollen, mehr so in diesem europäischen Stil, oldschool, mit wenig Keyboards und viel Gitarren-Action. Das ist unsere Prämisse.

Vor exakt drei Monaten, am 27. September 2024, ist „Champion“ erschienen – euer zweites Album, das hervorragende Kritiken erhalten hat. Merkt ihr, dass sich dadurch für die Band etwas verändert hat?

Stephan: Auf jeden Fall! Wir wussten ja gar nicht, was auf uns zukommt. Unser Debüt hatten wir vor Corona veröffentlicht und dazwischen ist nicht viel passiert. Tatsächlich ist es so, dass sich „Champion“ gut verkauft – ich kann zwar keine konkreten Zahlen nennen, aber unser Label musste nachordern.

Ronny: Auch auf Social Media sieht man sehr deutlich, dass das Album einige Leute interessiert, und das ist ja auch das große Ziel. Es kommen verstärkt Anfragen für Gigs und Festivals rein, und wir sind natürlich offen für alles. Wir gehen auf Tour, wir können richtig Promo machen – wir holen jetzt praktisch das nach, was wir wegen Corona mit unserem ersten Album nicht machen konnten.

Ihr alle seid berufstätig, einige zudem Familienväter. Um in eurer Freizeit ausreichend Raum für Songwriting, Proben, Aufnahmen und alles weitere zu finden, benötigt man ganz sicher die entsprechende Rückendeckung.

Stephan: Absolut. Das muss vom familiären Hintergrund her passen, so dass man jemanden zu Hause hat, der auf jeden Fall Verständnis hat. „Music is your second wife“ – das Sprichwort kommt nicht von ungefähr.

Daniel: Man kommt von der Arbeit nach Hause und dann geht's erst richtig los. Du guckst in das Postfach, das die Band betrifft, da möchte dann das Management was oder die Plattenfirma, dann triffst du Tourvorbereitungen, orderst Merch und musst schauen, wo es am besten lieferbar ist. Oder du bereitest Social-Media-Posts vor, was auch eine Menge Zeit in Anspruch nimmt. Heutzutage ist es nun mal so, dass Bands wie kleine Firmen sind, wo du eigentlich alles können musst – eine richtige Bürotätigkeit neben deiner Arbeit. Man macht das alles natürlich auch gerne, weil man diese Passion für die Musik hat – aber plötzlich ist es 22 Uhr und du hast noch keine einzige Note auf deinem Instrument gespielt.

Das klingt derart umfangreich, dass man wohl kaum mehr von einem „Hobby“ sprechen kann.

Stephan: Ja, das ist schon deutlich mehr – eher eine Berufung, für die man lebt. Ich liebe Musik, wir alle lieben Musik, und wenn man eine Vision hat mit der Band, ein klares Ziel, dann arbeitet man auch gern dafür. Man muss allerdings bereit sein, sehr, sehr viel dafür zu tun und immer weiterzumachen!

Daniel: Entweder du bist Musiker, oder du bist kein Musiker, das wirst du auch niemals ablegen können. Man lebt für die Musik – das klingt zwar ein bisschen pathetisch, aber es ist wirklich so, man gibt einfach alles.

Seit 2023 werden TURBOKILL von Karl-Ulrich Walterbach gemanagt, der Mitte der 80er-Jahre Bands wie HELLOWEEN, RUNNING WILD, RAGE, GRAVE DIGGER, KREATOR und CELTIC FROST entdeckt hat und bei seinem damaligen Label Noise Records unter Vertrag hatte. Der Mann hat rund 50 Jahre Erfahrung im Musikbusiness – inwieweit könnt ihr davon profitieren?

Stephan: Zunächst mal bewahrt er uns davor, unnötige Schritte zu tun, die geschäftlich keinen Sinn machen würden. Und mit einem Namen wie Karl-Ulrich Walterbach im Hintergrund hast du natürlich Zugang zu Dingen, die dir als Band sonst eher verschlossen bleiben, gerade was den Kontakt zu Booking-Agenturen angeht.

Daniel: Der Mann macht zwei Anrufe bei Leuten, da kommst du sonst nicht mal am Vorzimmer vorbei ...

Kevin: ... oder landest mit deiner Mail im Spamordner. Was das Organisatorische, Netzwerktechnische angeht, profitieren wir als Band auf jeden Fall, wobei der ganze Kreativprozess nach wie vor bei uns liegt.

Daniel: Nach Corona hat uns Karl Deadlines gesetzt und uns damit diesen positiven Tritt in den Hintern gegeben, den wir auch wirklich brauchten, um mit TURBOKILL wieder in die Gänge zu kommen: „Los, wir brauchen jetzt ein Album! Schreibt!“ Unsere Songs entstehen im Proberaum, und da mussten wir nach dieser langen Zwangspause wieder hinkommen.

Also gehört ihr nicht zu den Bands, die während Corona entdeckt haben, dass es super bequem ist, wenn man gemütlich in Badelatschen zu Hause sitzt und sich nur noch Files hin- und herschickt?

Daniel: Nein. Diese Gänsehaut, die man oftmals hat, wenn man einen Song oder eine Idee zum ersten Mal zusammen spielt, die hat man nur im Proberaum. Sachen, die du allein vor deinem Rechner aufnimmst, klingen im Bandkontext oft ganz anders und vielleicht gar nicht mehr so gut. Deshalb ist das für uns ein ganz wichtiger Gradmesser.

Stephan: Obwohl wir alle in unterschiedlichen Städten wohnen und uns natürlich auch Files zusenden, ist es für uns wichtig, mindestens alle zwei Wochen im Proberaum zusammenzukommen. Damit wir den Metal zu dem Kern zurückbringen, wo er herkommt: Back to the roots, im Proberaum, wo man genau merkt, hat der Song die Power, hat das Riff die Eier? Das ist tatsächlich ein Effekt, den man nur Proberaum erreichen kann.

Neben dem variablen Songwriting und der Instrumentierung wird eure Musik vor allem durch Stephans ausdrucksstarken Gesang und seine besondere Stimme geprägt, die euch von anderen Bands dieses Genres abhebt.

Marco: Ja. Als Stephan und Ronny erstmals zusammen aufgetreten sind, war ich mit meiner damaligen Melodic-Death-Metal-Band im Vorprogramm. Ich habe Stephan an dem Abend das allererste Mal auf der Bühne gesehen und sofort zu mir gesagt, „Du brauchst eine Heavy-Metal-Band – und das wird dein Sänger!“. Wie es der Zufall will, ist es genau so gekommen.

Stephan, du hast schon in jungen Jahren, vor der Zeit bei deiner ersten Band ALPHA TIGER, eine mehrjährige Gesangsausbildung absolviert. Kannst du uns dazu was erzählen?

Stephan: Für mich stand schon immer fest, dass ich Sänger werden wollte. Als Kind habe ich im Chor gesungen und mit 13 angefangen, Gesangsunterricht zu nehmen. Nach dem Stimmbruch hat sich herausgestellt, dass ich Tenor bin, und ich habe dann eine Gesangsausbildung in Richtung Pop und Rock gemacht. Während der Schulzeit habe ich Sachen wie SYSTEM OF A DOWN gecovert, bin dann aber beim klassischen Metal gelandet, bei dem die Sänger früher noch wie die Götter geklungen haben, und ich wusste, "genau das willst du machen!".

Mein Anspruch ist immer, dass mich der Gesang herausfordert und auf keinen Fall einfach ist. Ich will sehen, wohin kann ich mit meiner Stimme kommen, was kann die menschliche Stimme wirklich leisten? Und wenn man Heavy Metal singen kann, kann man fast alles singen. Das ist wie beim Hochleistungssport: Wenn du längere Zeit mal nicht übst, hört man das sofort, da kannst du nicht lügen. Deshalb ist das für mich eine großartige Sache, dass ich das bei TURBOKILL machen darf, und für mich ein großes musikalisches Abenteuer.

So wie ich euch zusammen erlebe, ist mein Eindruck, dass bei TURBOKILL fünf Musiker zusammengekommen sind, die sich zuvor nicht kannten, dass aber mittlerweile zwischen euch eine echte Freundschaft entstanden ist.

Stephan: Natürlich funktioniert eine Band nur mit einer sehr innigen Beziehung zueinander, das geht gar nicht anders, damit man einfach auch diese Emotionen teilen und in die Musik einfließen lassen kann. Das ist ja das, was der Hörer auch spürt, und das ist ja das Wichtigste. Ohne Freundschaft braucht man keine Band.

Ronny: Man verbringt so viel Zeit miteinander und teilt auch Privates. Wenn einer mal Probleme hat, dann wird darüber geredet. Das geht gar nicht anders.

Stephan: Wir sind Freunde und als solche verstehen wir uns auch. Wir sind einfach eine geile Truppe, auf jeden Fall!

Dann wünsche ich euch jetzt einen super Auftritt sowie eine tolle und erfolgreiche Tour. Das letzte Wort möchte ich gerne euch überlassen.

Stephan: Vielen Dank für dieses Interview und an die Leser dafür, dass sie sich für TURBOKILL interessieren. Hört in unsere Scheibe rein, wenn Power Metal der alten Schule was für euch ist, und gebt der Platte eine Chance. Sie ist sehr, sehr abwechslungsreich und ich denke, ihr werdet die Emotionen, die wir reingebracht haben, auch spüren!

Marcus

Als Kind geprägt durch die umfangreiche Plattensammlung meines Vaters, in der von BAP bis Motörhead alles vertreten war, sowie eine dauerhafte Infektion mit dem Kiss-Virus (seit 1979 nicht mehr abgeklungen), entwickelte sich äußerst früh meine Begeisterung für Rock, Hardrock, Metal und Konzerte. Und abgesehen von Paul Stanley und Co. gilt in meinem Fall: Je kleiner, desto feiner! Diese unglaubliche Energie, die ein Clubgig entfachen kann, ist für mich mit nichts zu vergleichen. Insofern ist es gar nicht hoch genug zu bewerten, dass es auch nach Corona und trotz bedenklicher Preisentwicklungen kleine Veranstalter und Locations gibt, die mit Herzblut dafür kämpfen, auch unbekannteren Künstlern eine Bühne zu bieten – das ist keine Selbstverständlichkeit! Insofern: Support your local clubs and bands!

Top 5 Studioalben

W.A.S.P. - The Crimson Idol (1992)
Dark Tranquillity - Haven (2000)
Helloween - Keeper Of The 7 Keys, Part I (1987) 
Savatage - Streets / A Rock Opera (1991) 
Fifth Angel - Fifth Angel (1986)

Top 5 Livealben

Kiss - Alive II (1977)
Blind Guardian - Tokyo Tales (1993)
Stratovarius - Visions Of Europe (1998)
Iron Maiden - Rock In Rio (2002)
Judas Priest - Unleashed In The East (1979)

Top 5 Konzerte

Kiss + Iron Maiden (Kassel 1980)
Helloween + Overkill (Fulda 1987)
In Flames + Dark Tranquillity + Sentenced (Nürnberg 2000)
Savatage (München 1996) 
Tailgunner (Selb 2024)

Rückmeldungen und Fragen sehr gerne per Instagram @bendelmarcus

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