Geschrieben von Simon Freitag, 19 Januar 2007 16:23
Becoming The Archetype - Interview mit Gitarrist / Keyboarder Seth Hecox und Gitarrist / Sänger Alex Kenis
www.becomingthearchetype.com
Kurz vor neunzehn Uhr Ortszeit schlurften Seth Hecox und ich durch eine Hintertür in eine Tiefgarage an Hamburgs Sündenmeile und erreichten nach einer knappen Minute den Nightliner der Band. Dort gesellte sich der ebenso sympathische Alex Kenis dazu, und wir machten uns ans Gespräch. Die beiden waren wohl auf - weniger ausgeschlafen und einsatzwillig präsentierte sich hingegen mein Aufnahmegerät - und gaben munter und willig Auskunft.
Danke für die Zeit erstmal. Wie geht es euch?
Alex: Gut!
Seth: Gut, ziemlich gut. Physisch geht es uns ziemlich gut, da wir die letzte Nacht recht viel schlafen konnten. Wir sind auf den Tourauftakt heute Abend auch recht gespannt und freuen uns, hier in Europa sein zu dürfen.
Ihr bezeichnet euch selbst ja als Christen. Fühlt ihre euch von den anti-christlichen Bands provoziert oder schert ihr euch nicht um die Meinungen anderer?
Alex: Wir kommen eigentlich mit allen Bands, mit denen wir bisher zu tun hatten, gut aus. Wir respektieren sie und ihre Ansichten ja, und unser Glauben wird von ihnen meist ebenso respektiert, sodass sich eher interessante Dialoge über den Glauben ergeben.
Also ist es euch egal?
Seth: Egal ist es uns nun auch nicht, aber wir kommen damit klar und fühlen uns dadurch nicht angegriffen oder gestört. Oftmals ist das natürlich auch so, dass wenn man die Bands auf die großen Pentagramme anspricht, sie bestreiten dahinter zu stehen und einfach meinen, dass es cool aussieht. (lacht)
Wird eure christliche Einstellung denn häufiger in Europa oder in den Vereinigten Staaten in Frage gestellt?
Seth: Als wir das Album auf Solid State in den Vereinigten Staaten veröffentlichten, gab es viel mehr Fragen zum Titel "Terminate Damnation". Gerade in Bezug auf die darin angesprochene Verbannung. Als das Album dann reichlich später in Europa auf den Markt kam, kamen viel mehr Fragen über unseren Glauben auf, und wir wurden sehr häufig gefragt, ob wir uns mit diesen und jenen vergleichbaren Bands identifizieren könnten. Auf den Titel wurde fast gar nicht eingegangen, das war schon auffällig.
Seht ihr denn keine Gefahr in diesen so genannten christlichen Botschaften aktueller Künstler? Denkt ihr da nicht, dass die Werte der Szenen gegensätzlich zu traditionellen, christlichen Ansichten stehen? Wie beispielsweise gegenüber Homosexuellen...
Alex: Wenn man von der Hardcore-Szene spricht, hat ja eh jeder ein anderes Bild. Ich für meinen Teil denke da sofort an BLACK FLAG und als eine der neueren Bands BAD RELIGION und so etwas. Inzwischen kann man ja sagen, dass dieser anarchistische Ansatz weitestgehend erloschen ist.
In Europa zum Beispiel haben sich ja auch Neonazi-Kreise der Musik angenommen, und es existiert ein beachtlicher Anteil an faschistischem Hardcore. In den vereinigten Staaten hingegen existiert mehr noch die Idee vom Zusammenhalt und der Bruderschaft, wobei da natürlich auch viel Schlechtes bei herumkommt, wie dieses Tough-Guy-Gehabe. Aber die Idee des Zusammenhaltes scheint den Aktivismus größtenteils abgelöst zu haben.
Also seht ihr prinzipiell keinen Widerspruch und keine Gefahr?
Alex: Nein, eigentlich überhaupt nicht. Lediglich bei Leuten, die einen weniger guten Hintergrund vorzuweisen haben.
Freunde von mir bewundern euch besonders auf Grund der progressiven Instrumental-Einlagen in den Stücken. Was beeinflusste euch, diese zu komponieren?
Alex: Wenn man die Musik nur so hart wie möglich gestaltet, ist das ja nur die halbe Miete. Wir mögen die Bewegung in den Stücken und versuchen, die so dynamisch wie möglich zu gestalten. Wir greifen da eben zu diesen geschichteten Techniken, um diese Bewegung und Dynamik zu erreichen.
Seth: Es geht ja eben nicht darum, immer nur härter und härter zu spielen, sondern darum, die ganze Skala der Emotionen abzudecken. Daher kommen diese klassischen Einflüsse.
Flucht ihr manchmal auf der Bühne und denkt euch: "Warum spiele ich nicht in einer belanglosen Indie-Rock-Band, sodass ich mehr Zeit finden würde, cool aus der Wäsche zu gucken.."?
(lachen)
Seth: Es hängt unglaublich viel von den Sound-Technikern ab. Wenn man nichts hört, ist es unglaublich schwer, weil man dann so umherdriftet und versucht auf Kurs zu bleiben; dann denkt man sich schon oft: Das ist scheiße! Wir spielen technischen Metal, verdammt... wenn wir nichts davon hören, kann das auch nichts werden!
Alex: Etwas anderes spielen wollen wir dann auch nicht, denn das ist genau die Musik, die wir machen wollen.
Seth: Genau, es ist schwer zu spielen, das stimmt. Aber etwas anderes würde uns wahrscheinlich langweilen oder unterfordern.
Obwohl eure Musik so technisch und kompliziert ist, findet sich in ihr trotzdem eine Art rohe Wut. Was macht euch so wütend?
Seth: Die Art wie wir uns ausdrücken ist ja typisch für die Musik, die wir machen, mit all diesem Gegröhle und dem Geschrei. Da wir in einer wütenden und traurigen Welt leben und diese Welt in einem Zustand ist, der uns nicht passt, denn es gibt so viel Elend, Sünde und Schmerz, versuchen wir das als Christen zu ändern.
Alex: Wir glauben eben, dass die Welt nicht in dem Zustand ist, in dem sie sein sollte, und dementsprechend heftig fällt unser Empören darüber aus.
Haben euch Bands wie TOURNIQUET geprägt, da die ja auch Bibel-Zitate verwendeten und Thrash gespielt haben?
Seth: Ein paar von uns stehen auf die, ja. Besonders Jason, unser Sänger, ist ein Fan von denen, aber wir beide blicken eher zu anderen christlichen Bands auf.
Zum Beispiel?
Alex: EXTOL ...
Seth: Ja, genau. BELIEVER, EXTOL und all so etwas. Die letzte EXTOL-Veröffentlichung war der Hammer, kennst du die?
Ähm... nein, ich kenne die überhaupt nicht.
Seth: Die musst du dir unbedingt anhören!
Okay, die letzten Worte gebühren euch...
Alex: Nunja, was willst du denn noch wissen? (lacht)
Seth: Jedenfalls freuen wir uns sehr, in Europa zu sein. Das ist unser erstes direktes Interview in Europa und wir freuen uns sehr auf heute Abend, denn Europa hat so viele wundervolle Metal-Bands hervorgebracht, zu denen unsere Band aufblickt. In Sachen Metal stehen die Vereinigten Staaten Europa auf jeden Fall um Einiges nach, denn wir haben nur viel von dem modernen, primitiven Hardcore zu bieten, was ich oftmals richtig furchtbar finde.
Sachen wie HATEBREED?
Seth: Ja, ich persönlich kann diese Art von Musik überhaupt nicht leiden.
Also, vielen Dank für die Zeit und viel Erfolg und Glück nachher!
Alex: Wir haben zu danken!
Mit einem roten Filzstift gestalteten die Jungs noch das Blatt, das ich ihnen gegeben hatte, und verabschiedeten sich.
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