Die neuen Songs klingen anders als zuvor. Was hat euch dazu bewegt, etwas Neues zu wagen?
Was wir bei dieser Platte besser gemacht haben als zuvor, ist eigentlich komplett alles! Die ersten beiden Alben haben wir unter ziemlichen Druck aufnehmen müssen. Wir haben damals den Deal bekommen, kamen aus dem Nichts und plötzlich hatten wir alles, was wir wollten. Wir wurden auf fette Touren geschickt und bekamen auf einmal sehr viel Zucker in den Arsch geblasen. Nebenbei mussten wir halt das Album aufnehmen, mit Demo-Songs, die zum Teil schon vier, fünf Jahre alt waren. Das zweite Album "Neon" haben wir innerhalb von drei Monaten geschrieben und aufgenommen, so etwas ist aber total ungesund.
Dieses Mal haben wir komplett ohne Druck gearbeitet. Wir haben uns die ersten beiden Platten angehört und uns entschieden, dass wir alles, was wir schon musikalisch gemacht haben, dieses Mal wegfallen lassen. Dieser Gedanke hat uns beflügelt, denn plötzlich merkten wir, dass es noch so viele Sachen gibt, die wir ausprobieren können. Ich persönlich hatte auch nicht mehr so Bock auf Rappen und habe deswegen meinen Gesang verfeinert. Wir wollten die Band halt weiter bringen, so dass die Leute uns nicht mehr direkt einordnen können. Deswegen gibt es so viele neue Elemente auf dem neuen Album.
Einen ähnlich großen Schritt nach vorne haben ja auch die Lostprophets mit ihrem aktuellen Album gemacht.
Du sagst es! Man muss sich halt weiterentwickeln. Andererseits gibt es auch Bands wie Motörhead oder Slayer, bei denen man gar nicht möchte, dass sie groß experimentieren. Bei uns war es diesmal so, dass wir uns einig waren, keinen Nu Metal mehr machen zu wollen. Es gibt zwar zwei Rap-Strophen, eine von mir und eine von Curse, aber das war es dann auch schon. Vor allem Rene, unser Gitarrist kam mit sehr vielen neuen Ideen an, die uns sofort umgehauen haben.
Ihr seid auf "Take It As A Compliment" schneller geworden. Dafür gibt es keine Stampfer mehr.
Wir wollten Songs schreiben, die sich voneinander abheben. Uns es ist immer wichtig, dass eine Band genau das macht, worauf sie gerade Bock hat. Und Geschwindigkeiten haben wir diesmal sehr ernst genommen, denn sie sind sehr wichtig. Es geht nicht um pures Gebrülle, sondern eher darum, dass jeder Ton an der richtigen Stelle sitzt.
Lass uns über eure ersten beiden Alben sprechen. Ihr habt ja damals sehr viel Kritik einstecken müssen. Siehst du die im Nachhinein als berechtigt an oder denkst du, dass sich die Leute da reingesteigert haben?
Das Witzige ist, dass die Jungs von der Vision unserem Demo, als wir noch Headtrip hießen, die volle Punktzahl gegeben haben. Als wir dieselben Songs dann unter 4Lyn auf unserer Platte raus brachten, haben die uns voll zerrissen. Merkst du was? Sobald du Mainstream bist oder unter eine Flagge segelst, bist du für die Fachpresse unten durch.
Wahrscheinlich haben wir durch die Visions-Plattenkritik ein paar Tausend Platten mehr verkauft, weil die so schlecht war. Komischerweise haben die uns noch auf ihre CD im Heft gepackt. Wenn sie uns scheiße finden, warum haben sie uns dann nicht ignoriert? Die haben sich sehr viel Mühe gegeben, uns an den Karren zu pissen. Und trotzdem waren wir auf der Visions-Stage Headliner. Nicht nur deswegen kann ich diese Typen nicht ernst nehmen.
Ansonsten war die Kritik teilweise vielleicht berechtigt, aber der Prophet gilt im eigenen Lande ja nie was. Guck dir die H-Blockx, Guano Apes oder Thumb an. Die mussten immer nur einstecken, obwohl sie so viele Fans haben. Das ist sehr schade. Anstatt deutsche Künstler mal zu unterstützen. Schau dir doch mal an, wie es in Frankreich läuft. Die spielen dort im Radio 80 Prozent einheimische Künstler. Egal, ob sie Rock, Pop oder Metal machen.
Uns hat dieser ganze Trubel aber sicherlich auch geholfen, weil die Leute so polarisiert waren. Und schlechte Presse ist sicherlich besser als Durchschnittspresse. Wenn irgendwo steht, dass 4Lyn die letzten Asis sind, macht das vielleicht eher neugierig auf die CD, als wenn da steht, dass die Platte ganz nett ist.
Ich hab mir mal eure Tourdates angeschaut. Ihr seid fast ununterbrochen auf Tour.
Stimmt, wir sind seit vier Jahren konstant unterwegs. Und das finde ich auch sehr geil!
Könnt ihr denn von der Musik leben? Für "normale" Jobs bleibt da wohl kaum noch Zeit!
Wir können von dem Geld existieren. Allerdings nicht in dem Maße, wie viele Leute vielleicht denken. Sie sehen unseren Nightliner und unsere Videoclips auf MTV und denken dann, dass wir Kohle scheißen müssen. Aber das ist sicher nicht der Fall.
Auf Tour geht es uns dafür recht gut. Wir bekommen was zu Essen, können Duschen usw. Aber viele vergessen dabei, dass zur selben Zeit zuhause unsere Rechnungen weiter laufen. Das hört ja nicht automatisch auf, wenn du auf Tour bist.
Und was macht ihr neben 4Lyn noch so?
Alles, was wir machen, hat mit Musik zu tun. Björn produziert Demos, Sascha ist im Medien-Bereich tätig, Rene gibt Gitarren-Unterricht und ich arbeite als Journalist.
Habt ihr eigentlich schon in den Staaten gespielt?
Nö.
Kein Bock?
Wir wollen einfach nur zocken, egal wo. Wir sind jetzt im Herbst zwei Monate in Europa auf Tour, da freuen wir uns drauf. In Amerika, und das habe ich schon von sehr vielen Bands gehört, gehst du einfach unter. Die Farmer Boys oder Emil Bulls waren da auch schon, und es ist sicherlich auch sehr geil dort, aber es kennt dich halt keiner. Da kannst du froh sein, wenn sich zwei Leute im falschen Laden verirrt haben und sich deinen Auftritt anschauen. Das bringt dich nicht unbedingt weiter.
Außerdem möchten wir viel lieber nach Asien, was hoffentlich nächstes Jahr klappt. Und in Portugal, Spanien und Italien haben wir auch schon eine Menge Fans. Sogar in Südafrika haben wir ein Exemplar verkauft. (lacht)
Ihr seid jetzt nicht mehr bei Motor Music, sondern bei Edel Records. Was bedeutet das für 4Lyn?
Motor haben auf alle Fälle sehr viel für uns getan! Wir hatten zwar schon seit sechs Jahren unter einem anderen Bandnamen existiert, was viele nicht wissen, aber erst durch Motor wurden wir so richtig bekannt. Es ging alles sehr schnell, wir waren ständig auf Promo-Tour, durften gleich beim Debut-Album vier Videoclips drehen und waren so in aller Munde damals. Darüber haben sich natürlich auch viele geärgert.
Motor hat nun leider umstrukturiert und setzt nur noch auf deutsche Bands, die auch Deutsch singen. Dasselbe ist den Farmer Boys, Substyle und den Emil Bulls ja auch passiert. Dieser ganze Label-Kram hat uns gezeigt, dass das ganze Geschäft mittlerweile nur noch Politik ist.
Vor zwei Jahren waren wir hier bei Rock Am Ring noch Headliner auf dem Talent Forum und da waren 10.000 Leute und jetzt, wo wir bei Edel sind, spielen wir plötzlich nachmittags als zweite Band. Nur weil Edel nicht unbedingt als Rock-Label bekannt ist, herrschen da natürlich ganz andere Gesetze. Es ist aber positiv, dass wir bei Edel die einzige Rockband sind. Dadurch sind wir für die etwas Besonderes. Die haben auf jeden Fall die richtige Vision und nehmen uns sehr ernst.
Euer Booklet zur neuen Scheibe ist ja ziemlich abgefahren. Was kannst du uns darüber erzählen?
Das hat der selbe Typ gemacht, der auch schon für die ersten beiden Alben zuständig war. Und trotzdem unterscheidet es sich sehr von den anderen Sachen. Er kriegt unsere Demos zu hören und überlegt sich dann, wie er das Layout gestaltet. Es sieht aus wie ein Posie-Album eines krassen Fans.
4Lyn stand schon immer für Kontraste. Wir wollen halt immer was anderes machen. Ich würde mir von anderen Bands auch wünschen, dass sie nicht immer auf der Stelle treten. Guck dir doch mal No Doubt an. Die sind seit 10 Jahren kontinuirlich in den Charts, weil sie ständig mit was Neuem kommen. Das macht die Band so interessant.
Was meint ihr mit dem Albumtitel "Take It As A Compliment?
Viele Leute haben uns abgeschrieben und gedacht, dass die Kasper jetzt nichts mehr auf die Reihe kriegen würden. Schließlich waren wir über ein Jahr ohne Deal. Aber wir haben so eine starke Fan-Base, die uns immer und überall unterstützt. Wir haben einen sehr engen Kontakt zu ihnen und wissen ihren Support zu schätzen. Das sehen wir als Kompliment an.
Es ist schön zu sehen, dass noch so viel Energie in dieser Band steckt – egal, ob das Feedback positiv oder negativ ist.
Wir wollen den Leuten halt etwas zurückgeben.