Geschrieben von Thorsten Donnerstag, 25 Juni 2009 17:12
Queensryche - Interview mit Drummer Scott Rockenfield zu "American Soldier"
QUEENSRYCHE sind eine Legende des progressiven Metals und haben vor allen mit den beiden erfolgreichsten Alben „Operation Mindcrime" und „Empire" Werke für die Ewigkeit geschaffen - an die sie, so die mehrheitliche Meinung ihrer Fans, später nie wieder anknüpfen konnten. Das aktuelle Album „American Soldier" beschäftigt sich aus der Soldaten-Sicht mit den Kriegen, in denen die USA in den letzten 65 Jahren beteiligt waren. Dabei stößt die nicht bewertende - man könnte auch sagen unkritische - Haltung bei einigen Fans in Europa auf Unverständnis, während die Band in den USA für ihren Patriotismus gelobt wird. BurnYourEars sprach mit Schlagzeuger Scott Rockenfield über die Hintergründe der neuen Scheibe.
Da der Bus von QUEENSRYCHE auf dem Weg zum Konzert im schweizerischen Pratteln schlapp gemacht hat, kommt die Band sehr viel später als geplant am Veranstaltungsort an und muss zu diesem Zeitpunkt vor allem Zeit aufholen. Entsprechend werden auch die Interviewzeiten zusammengestrichen, so dass leider keine Gelegenheit bleibt, sich ausführlicher zu unterhalten.
Lass uns ein wenig über das neue Album sprechen. Wer hatte die Idee, ein Konzeptalbum über die verschiedenen Kriege zu schreiben, an denen die USA seit dem Zweiten Weltkrieg beteiligt waren?
Also wir haben vor ungefähr drei Jahren damit angefangen, an diesem Album zu arbeiten. Wir begannen damit, Musik zu schreiben und überlegten uns, mit was wir uns auf diesem Album beschäftigen wollten.
Das erste, was ich vor etwa drei Jahren gehört habe, war, dass das Album eine Art Gesellschaftsstudie über den amerikanischen Lebensstil von den 60ern bis in die Gegenwart werden sollte.
Ja, die Idee hatten wir auch mal. Es gab eine ganze Reihe unterschiedlicher Ansätze. Aber was dann passierte...Geoff traf seinen Vater und sie saßen zusammen, tranken Wein und plötzlich fing sein Vater an, Geschichten aus dem Krieg zu erzählen. Seit Vater ist ein Kriegsveteran, der lange beim Militär war. Und Geoff hatte die meisten der Erlebnisse seines Vaters bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gehört. Und als er diese Erzählungen von seinem Vater hörte, hat ihn das sehr inspiriert.
Von diesem Punkt hat sich das Ganze dann entwickelt. Geoff wollte mehr über das Thema herausfinden und beschäftigte sich damit, während wir dabei waren, Stücke für ein neues Album zu schreiben. Irgendwann präsentierte er uns dann ein Konzept und schlug vor, ein Album über das Leben von Soldaten zu schreiben - von früher bis in die heutige Zeit, dabei über sie zu sprechen aber auch ihre eigene Geschichte und ihre Geschichten mit einfließen zu lassen.
Also haben wir damit angefangen, mit vielen Soldaten zu sprechen um ihre persönliche Geschichte aufzunehmen. Es ist also kein Album über uns (lacht). Uns war es wichtig, wirklich ein Album über sie zu machen.
Ja, und diese Idee gefiel uns, und alle waren von dem Konzept inspiriert. Wir begannen, Musik zu schreiben, die den verschiedenen Elementen des Konzepts entsprach. Und von da an dauerte es noch ungefähr zwei Jahre, bis wir bei dem heutigen Ergebnis ankamen.
Haben euch die Interviews mit Menschen beeindruckt, die in lebensgefährlichen Situationen waren?
Ja, es war wirklich lehrreich, eine komplett neue Erfahrung. Für mich besonders, denn ich komme aus einer Familie ohne Verbindung zum Militär. Mein Vater war nie Soldat. Also hatte ich damit eigentlich nie wirklich Kontakt und wusste darüber nur das, was ich im Fernsehen gesehen hatte.
Und so geht es einer Menge Leute. Sie wissen nur, dass es da etwas gibt, Menschen, die das als Beruf machen, da raus gehen und uns helfen, unsere Freiheit verteidigen und uns beschützen - und das auf der ganzen Welt.
Wir haben tolle Interviews mit Angehörigen der Streitkräfte geführt und in den USA verschiedene Stützpunkte besucht. Außerdem haben wir mehrmals Konzerte auf Stützpunkten gespielt und an freien Tagen Soldaten besucht, um ihnen einfach die Hand zu schütteln oder ganz privat ein paar Songs für sie zu spielen. Und das hat wirklich Spaß gemacht, denn sie wussten es so sehr zu schätzen, dass sich jemand mit ihnen beschäftigt und wir diese Geschichte über ihr Leben geschrieben haben. Sie fühlten sich dadurch wirklich geschätzt und unterstützt. Das macht uns viel Spaß.
Habt ihr die Originalaufnahmen von den Interviews auf dem Album genutzt?
Ja, haben wir tatsächlich. Geoff konnte die Interviews auf Video aufnehmen und hat auch Tonaufnahmen gemacht. Und in vielen Stücken auf dem Album hört man ihre Stimmen in den Dialogen, und selbst einige der Gesangspassagen wurden von Veteranen übernommen, die singen konnten. Es ist also wirklich viel von ihnen auf der Platte.
In einigen Interviews rechtfertigen die Soldaten nicht nur, was sie selbst in den Kriegen tun mussten, sondern auch die Kriege an sich. Ihr wart in der Vergangenheit eher als Kriegsgegner bekannt und auch nicht unbedingt als Freunde der Partei, die amerikanische Soldaten in viele dieser Kriege geschickt hat. Wie passt das zusammen? Ich kann mir vorstellen, dass das eigentlich nicht die Botschaft ist, die ihr vermitteln wollt.
(lacht) Ja, weißt du... ich würde sagen, unser Grundgedanke war sicher nicht, Krieg an sich zu unterstützen, sondern die Menschen, die in diese Kriege geschickt werden. Wie eben zum Beispiel den Krieg im Irak mit dem Engagement der USA.
So weit es mich betrifft, und auch die meisten anderen Jungs in der Band..., ich bin mir nicht sicher, ob wir mit dem Krieg da drüben vollständig einverstanden sind (lacht). So geht es vermutlich vielen Leuten, dir scheinbar auch, wie ich das sehe. Aber es gibt nun mal Streitkräfte, die dann gehorchen und losziehen müssen, wenn ihre Vorgesetzten es ihnen befehlen, egal ob es richtig oder falsch ist. Unsere Idee war, sie zu unterstützen, indem wir ihre Geschichten erzählen, weil sie eben tun müssen, was ihnen befohlen wird. Das Album soll keinen Standpunkt zu diesem Krieg oder anderen Konflikten in der Vergangenheit oder Gegenwart darstellen, die man vielleicht auch sehr leicht hätte vermeiden können, wenn die richtigen Leute zur richtigen Zeit an den richtigen Stellen gesessen hätten. Leider hatten wir diese richtigen Leute oftmals nicht.
Ist es euch gelungen, eine Verbindung zu den Veteranen aufzubauen? Haben sie euch vertraut, dass ihr das Material in ihrem Sinne verwenden und nicht gegen sie gebrauchen würdet?
Absolut. Sie haben sich gefreut, Teil von dem Projekt zu sein. Wir wollten mit ihnen sprechen, um die Geschichten und Erlebnisse für uns verständlich zu machen, und es war wirklich toll. Wir wurden sehr freundlich aufgenommen, und es sind einfach unheimlich gute Menschen, die es zu schätzen wissen, wenn erzählt wird, was sie durchmachen mussten.
Durch das Album zieht sich ein roter Faden: von der Grundausbildung über den Weg in den Einsatz, in dem er Kameraden verliert, über die Sehnsucht nach Hause gehen zu können bis der Hauptcharakter, wenn man ihn denn so nennen kann, stirbt.
Ja, es ist eine Art von Reise. Ein Lebensweg von dem Punkt an, an dem jemand Soldat wird, über das, was du tun musst, wenn du den Streitkräften angehörst. Dann kommen Songs wie „Home Again", die später auf dem Album zu hören sind, in denen es um die Trennung von der Familie und die Entfernung von Zuhause geht. Du bist nicht bei deinen Kindern... es ist fast ein bisschen wie in einer Band zu sein. Wenn wir auf Tour gehen, fühle ich mich auch manchmal wie ein Krieger, der in die Schlacht zieht. Man verlässt seine Lieben... natürlich nicht so lange wie bei einem Kampfeinsatz unserer Truppen, die sechs Monate am Stück weg bleiben müssen. Das ist eine lange Zeit, und ich kann natürlich nicht wirklich nachempfinden, was sie dabei durchmachen. Aber ich fühle mich manchmal ähnlich, wenn ich mich von meinen Kindern verabschiede. Das waren so Dinge, auf die wir uns beziehen konnten... die Entfernung und das Reisen. Aber ich möchte nicht, dass jemand eine Waffe auf mich richtet. Und ich habe größten Respekt vor ihnen.
Das mögen die wenigsten.
Ja! (lacht)
Hat sich mit diesem Album die Sichtweise auf euch als Band in den USA verändert?
Ja, bisher haben wir nur sehr positive Reaktionen bekommen und mussten keine Schläge dafür einstecken, weder politisch, noch von unseren Fans, die sich davon irgend angegriffen gefühlt hätten. Wir haben ja auch eine ganz klare Botschaft. Diese Menschen (die Soldaten) sind wie du und ich, aber die haben sich entschieden, für unsere Sicherheit einzustehen und unserem Land zu dienen. Und unsere Fans reagieren sehr positiv darauf.
Ich habe gehört, ihr denkt über eine Tour in den Irak oder nach Afghanistan nach, um die dortigen Truppen zu unterhalten.
Ja, darüber wird geredet und wurde die letzte Monate geredet. Wir haben da einiges am laufen. Wie schon gesagt haben wir während unserer USA Tour mehrere Stützpunkte besucht. Eine davon war Fort Benning in Georgia, und wir haben dort für einige Tausend Soldaten gespielt, die am nächsten Tag in den Irak verlegt wurden. Es war schon etwas Besondertes für sie und auch für uns. Sie ließen uns Panzer fahren, und wir hatten alle einen wirklich schönen Tag.
Ihr habt aber nicht noch ein Happy End in diesen Auftritt eingebaut, in dem der Soldat am Ende nicht stirbt?
(lacht) Ich hoffe einfach, dass wir ihnen einige schöne Erinnerungen bereitet haben, bevor sie in den Einsatz mussten. Und gerade vor einigen Tagen waren wir in Kiel und sind zum Marinestützpunkt gefahren, wo die USS Whitney liegt. Dort haben wir ein Akustik-Set gespielt, ich hatte Bongos und solche Sachen dabei. Solchen Sachen haben wir auch näher an unserem Zuhause auf der US-Tour gemacht, und ja, dann gibt es auch noch Ideen, Konzerte für die Truppen in Übersee zu spielen. Es ist gar nicht so einfach, alle Beteiligten wie das US Militär dazu zu bringen, Nägel mit Köpfen zu machen. Das ist ganz schön anstrengend, aber wir würden schon gerne.
Jetzt zu etwas vollkommen anderem: Das letzte Mal, als ich euch gesehen habe, habt ihm beim Bang Your Head Festival beide „Operation Mindcrime"-Scheiben gespielt. Wie war es, dieses Album, das oft als euer wichtigstes bezeichnet wird, vor 20.000 Menschen am Stück zu spielen?
Das war toll. Es war eine klasse Show, wirklich toll. Die ganze Tour hat Spaß gemacht, als wir "Mindcrime Eins" und "Mindcrime Zwei" gespielt haben. Das war vor allem für unsere Fans eine große Sache, die diese Alben immer hören wollten. Und sie dann vor 20.000 Menschen zu spielen und auf diesem Festival... es ist ein tolles Festival. Wir waren im Jahr davor schon mal da (es war 2004, als QUEENSRYCHE zum ersten Mal beim Bang Your Head spielten und den kompletten ersten Teil von „Operation Mindcrime" zum Besten gaben), spielten mit ALICE COOPER und einigen anderen. Aber letztes Jahr als Headliner zurück zu kommen und das komplette "Mindcrime"-Set zu spielen war unglaublich.
Ich meine, nach der Show... du warst da, oder? ...ich bin vorne an die Bühne gegangen und habe die Atmosphäre einfach aufgesogen. Ich war ganz alleine da vorne, hab meine Drumsticks ins Publikum geworfen und stand da vor diesen 20.000 Menschen... es war ein toller Moment.
Siehst du es eher als Segen oder als Fluch, dieses eine Album zu haben, mit dem ihr immer assoziiert und an dem alles andere gemessen werden wird?
Manchmal ist es vielleicht wirklich ein Fluch (lacht). Aber manchmal ...eigentlich meistens... ist es eine tolle Sache. Ich lache jetzt über die Idee, es könnte ein Fluch sein, weil wir es immer und immer wieder spielen mussten, aber ich denke, alle Bands, die eine längere Geschichte und eine Reihe von Veröffentlichungen haben, haben auch einige Alben, die ihren Fans am meisten bedeuten. Und das ist nun mal eine der wenigen Platten mit den meisten Anhängern, über die immer am meisten gesprochen wird. Sie hat uns eine Reihe von Preisen eingebracht und wurde sogar mit großartigen anderen Bands wie PINK FLOYD verglichen. Und das ist ein großes Kompliment für eine Metalband, und wer von uns würde da widersprechen wollen? Und letztendlich macht es uns ja auch immer Spaß, sie zu spielen.
Wird es so etwas noch mal geben?
So etwas wie Mindcrime 3? (lacht) Ich denke, wir werden weiter Alben machen und weiter auf Geschichten und Konzepten basierte Alben machen, die sich bestimmten Themen widmen. Das haben wir in der Vergangenheit oft gemacht, es entspricht uns einfach.
Ihr hättet ja Nicki auf dem neuen Album in den Irak schicken können.
(lacht) Ja, gut Idee. Vielleicht machen wir das noch. Er war ja auch zu Beginn der Geschichte eine Art Terrorist, und vielleicht ist er jetzt geläutert und wird eine Art CIA-Spion oder so.
Ein guter amerikanischer Patriot. Vergesst nur nicht, mich in den Credits zu erwähnen.
(lacht) Das sind ja mal vollkommen neue Ideen.
Heute Abend bzw. auf dieser Tour spielt ihr eine ungewöhnliche Setlist. Sie enthält nur Stücke von drei Alben: „Rage For Order", „Empire" und natürlich den aktuellen „American Soldier". Ich finde es ja mutig, kein Best Of Set zu fahren.
Wir haben einfach so oft Reaktionen und Wünsche von unseren Fans bekommen in den letzten Jahren. Wir bekommen Emails oder Nachrichten über unsere Band-Website und unsere persönliches Homepages. Und wir wollten darauf reagieren. Wir haben ein neues Album, aber wir wollten natürlich nicht nur neue Songs spielen. Also haben wir uns überlegt, was wir machen können, um die Auftritte interessanter zu gestalten. Die Leute schreiben uns so etwas wie: „Ich möchte gerne mal das gesamte "Rage For Order" Album hören", oder „Spielt doch mal alles von "Empire"", und dann gibt es welche, die wollen „Warning" komplett, usw.
Also haben wir uns überlegt: Wir nehmen ein sehr frühes Album und das aktuelle und dazu "Empire", das kommerziell gesehen unsere erfolgreichste Platte war. Das erschien uns einfach sehr passend. Als wir anfingen, die drei Alben zu spielen, die beiden älteren und „American Soldier", lief das alles sehr flüssig. Es ergibt eine tolle Show und ich denke, du wirst dabei viel Spaß haben.
Also ein bisschen wie ein Kreis, der sich schließt.
Ja, genau. Wie ein Kreis, der sich schließt. Wir wechseln jeden Abend ein paar Songs aus, damit es uns nicht langweilig wird und wir nicht jeden Abend das Gleiche spielen. Es macht wirklich Spaß. Ich hoffe nur, dass sie heute alles rechtzeitig aufgebaut und angeschlossen bekommen (lacht). Das könnte interessant werden.
Was sind eure Pläne für die Zukunft? Was kommt als nächstes?
Wir touren jetzt erstmal noch einige Wochen in Europa. Dann geht es in die Vereinigten Staaten, wo wir auch noch einige Wochen unterwegs sein werden. Dann geht es im August nach Japan und Australien für einige Wochen, dann kommt wieder eine ganze Reihe von Auftritten in den USA. Dann ist da ja noch die Idee mit dem Irak. Wir sind gerade in Tourlaune und schauen uns weltweit nach neuen Zielen um. Wir würden gerne mal nach China, wenn das möglich ist, oder nach Thailand, Neuseeland... alles Orte, an denen wir bisher noch nicht waren. Und irgendwann am Ende des Jahres, wenn die Tour vorbei ist, werden wir uns langsam wieder mit neuen Songs für ein neues Album beschäftigen.
Habt ihr bisher schon neues Material geschrieben?
Wir haben IMMER neues Material (lacht). Wir beschäftigen uns noch mit einigen anderen Sachen. Ich habe in den letzten Jahren Musik für einige Film-Soundtracks geschrieben, und einige davon kommen demnächst raus. Und auch die anderen machen neben QUEENSRYCHE noch andere Dinge. Und dann haben wir natürlich auch noch unsere Familien und Kinder, die wir während der Tour kaum sehen. Das müssen wir dann natürlich noch ausgleichen.
Irgendwelche letzten Worte?
Habt Spaß bei unseren Konzerten!
Danke für das Gespräch.
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