Geschrieben von Freitag, 03 Juli 2009 00:00

Interview mit Florian Toyka, dem Paten der Zeitgeister-"Bandmafia"



Bonn war schon immer ein gutes Pflaster für mafiose Strukturen. Früher fiel einem da sofort die Laber-Vendetta zwischen Konrad-Adenauer- und Erich-Ollenhauer-Haus ein. Heute eher die dubiosen Machenschaften der Telekom. Weniger ums Abhören als ums Zuhören geht's bei der Zeitgeister Music Distribution. Wir sprachen mit dem "Paten" Florian Toyka. Seines Zeichens u.a. Mucker beim Netzwerk VALBORG-KLABAUTAMANN-ISLAND-WOBURN HOUSE.

Moin, auch wenn Eure verschiedenen Bands sicher nicht jeder kennt, sollten wir auf deren Vorstellung erst mal verzichten.
Lass uns mit der Zeitgeister Music Distribution anfangen: Warum ein eigenes Label? Welche Zielvorgabe habt ihr euch gesetzt? Seit wann gibt es Zeitgeister? U.s.w. Na ja, halt alles, was den Interessierten interessieren könnte... Nimm Dir Zeit.

Moin moin! Also, Zeitgeister Music Distribution haben wir ins Leben gerufen, um alle unsere Bands unter einem Dach zu haben. Wer bei einer der Bands kaufen will, tut dies bei Zeitgeister und stößt dort dann auf die andere Musik von uns. So promoten sich die Bands gegenseitig, und vom ganzen verwaltungstechnischen Kram her ist das auch praktischer. Nur noch ein Shop, eine Adresse, alles schön zusammengefasst. Das war so der Grundgedanke, das logistische Chaos zu minimieren, was bei einer handvoll Bands eben anfällt. Als Label war das also zunächst gar nicht gedacht, die Idee kam erst mit der Zeit. Die neue Klabautamann-CD „Merkur" ist das erste eigene Release, dem aber sicher noch weitere folgen werden. Allerdings werden wir uns auf Bands aus eigenem Hause beschränken, nur dass jetzt keiner denkt, er müsse uns mit einem Demo behelligen...

Ihr organisiert doch auch selbst den Vertrieb, macht Promo-Arbeit etc. Warum tut ihr euch das an, obwohl ihr Verträge mit Vendlus, Heavy Horses etc. eingeht?

Nun ja, wir arbeiten mit einigen kleinen Labels zusammen, neben den von dir genannten noch mit Paradigms Recordings und Eichenwald Industries. Der Punkt ist, dass dies eben auch wirklich kleine Firmen sind, und mal von Heavy Horses Records abgesehen, ist von denen keine in der Lage, in Deutschland großartig Promo zu machen. Darum haben wir das hierzulande teilweise übernommen. Die Kontakte waren eh da, aus alten Klabautamann-Zeiten...

So richtig zufrieden könnt ihr ja z.B. in Bezug auf VALBORG ja nicht sein? Die CD ist noch nicht ewig lang draußen (aber vor ewigen Zeiten aufgenommen), die nächste als Rough fertig, da arbeitet ihr schon an Songs für die übernächste... Irgendwie halten die Partner nicht mit euerer Kreativität Schritt...

Nein, wir sind nicht zufrieden. Die Valborg-CD ist überhaupt erst draußen, weil wir bei Vendlus eine Menge Druck gemacht haben. Nun steht sie da in den News als released, aber kaufen kann man sie dort im Shop trotzdem nicht. Und es wurde keinerlei Promo gemacht. Es gab zuletzt viele derartige Probleme mit Vendlus. Die nächste Valborg-CD wird definitiv nicht dort erscheinen. Es ist wirklich absurd, da bestellen Amis das Album bei uns, weil das in Amerika ansässige Label nicht in der Lage ist, vernünftig zu arbeiten... Ich sehe es ja ein, wenn ein einziges kleines Label mit unserem Output überwältigt ist. Das muss man sich dann aber auch eingestehen. Vendlus hingegen wollte unbedingt alle unsere Bands - soweit ohne Vertrag - signen, mit dem Resultat, dass das Label nun komplett überfordert ist und unsere Releases schlecht oder gar nicht promotet bzw. veröffentlicht. Ein Kapitel, was einigen unserer Bands gar nicht gut getan hat. Die Zusammenarbeit wird mit der Veröffentlichung der zweiten Island-CD definitiv sein Ende haben.

Welche Bands in welcher Besetzung stecken sonst noch hinter Zeitgeister? Am Besten vielleicht in Tabellenform, wegen der Übersichtlichkeit ;-)

Sorry, ich bin faul. Einfach auf www.zeitgeistermusic.com/who.php nachforschen. Die Bands sind Valborg, Klabautamann, Island, Woburn House, Ekpyrosis, Gruenewald, Slon.



Fangen wir aus aktuellem Anlass mit Eurem wohl bekanntesten Projekt KLABAUTAMANN an. Die Tage erscheint Euer drittes Album... Wer ist der KLABAUTAMANN?

Falls Du auf den Namen hinaus möchtest, da steht absolut gar nichts dahinter. Wer das ist: Tim und ich, mit Hilfe von diversen Session-Musikern. War mal ursprünglich als Black Metal-Parodie angedacht, aber so kann's gehen... Klabautamann ist die älteste Zeitgeister-Band und stammt noch aus der Zeit, wo wir zur Schule gegangen sind und in demselben Ort gewohnt haben. Unsere erste CD ist für mich auch so eine Art nostalgisches Fotoalbum, mit Bildern von unzähligen Abenden in Tims Musik-Keller, Waldspaziergängen und dergleichen. Wer sich mit uns beschäftigen will, könnte da anfangen, auch wenn das vielleicht nicht unser perfektestes Release ist.

Man tut sich allgemein bei Euren sperrigen Sachen sehr schwer, die passende Schublade zu finden. Egal eigentlich, an welche Band ich dabei denke. Welche Genres plündert der KLABAUTAMANN? Oder ergibt sich alles von alleine? ... Tim oder Du, einer hat ein Riff im Gepäck, und dann jammt ihr einfach drauflos...?

Ja, das ergibt sich alles. Früher haben wir uns sicher einen Kopp darum gemacht, wonach das klingen soll, welche Bands uns beeinflussen, was man machen kann. Mittlerweile kümmern wir uns da nicht mehr drum, solche Fragen beschäftigen einen eher solange man jung, unerfahren und unsicher ist. Wir machen jetzt, was wir wollen. Sicher sind wir persönlich und Klabautamann somit auch von unzähligen (Metal-) Bands und Musikern beeinflusst, aber wer ist das nicht. Und stilistisch gibt es keine Grenzen. Beinahe wäre z.B. ein Flamenco-artiges Lied auf der CD gelandet. In der Regel läuft das beim Songwriting dann so, dass einer von uns entweder fertige Parts oder fertige Lieder anschleppt, wofür der andere sich dann die zweite Stimme ausdenkt. Im Gegensatz zu den anderen Zeitgeister-Bands jammen wir gar nicht.

Allgemeiner gefragt: ist die Eigenständigkeit von KLABAUTAMANN (VALBORG etc.) geplant?

Nein, absolut nicht. Ich hab noch in keiner Band so was wie „das ist nicht eigenständig genug, so was können wir nicht spielen" oder Ähnliches gehört. Außerdem gibt es ja durchaus Vergleiche, Parallelen zu anderen Bands. Klar, wir sind schon sehr eigenständig, das sollte man aber auch sein, wenn man ernsthaft Musik macht (also nicht aus kommerziellen Gründen). Wir erfinden aber auch nicht das Rad neu... Klabautamann kann man sicher Verwandtschaft zu Bands wie Opeth, Ulver und Enslaved andichten, während im Zusammenhang mit Valborg oft von Celtic Frost und Ved Buens Ende gesprochen wird. Aber was soll's, das finde ich absolut im Rahmen. Wir haben ja auch alle unsere Vorbilder und Helden!

Während mir zu VALBORG überhaupt kein sinnvoller Vergleich einfällt, lassen sich beim KLABAUTAMANN einige Nähen zu KERBENOK ausmachen. Bei den Holsteinern kann man schon fast von Musik gewordener Naturmystik sprechen. Würdest Du das auch für den KLABAUTAMANN bestätigen?

Für die frühen Werke: ja. Da war unsere Musik sehr von Wald- und Naturstimmungen geprägt. Und danke, uns in der Nähe von Kerbenok zu platzieren ehrt uns. Allerdings haben sich unsere Lebensumstände ja seit der Schulzeit etwas verändert. Wenn man in der Stadt wohnt und alle paar Wochen mal mit Mühe und Not schafft, sich in den Wald zu verdrücken, ist das doch etwas ziemlich anderes, und man beschäftigt sich auch mit ganz anderen Dingen wie Studium, Job, Beziehungen... diese verträumte, leicht naive Unbeschwertheit der frühen Tage ist sicher nicht mehr da. Wir hätten uns ziemlich verbiegen müssen, wenn wir jetzt wieder so ein waldiges, jugendlich-romantisches Album wie unser Debut gemacht hätten. Das wäre aus wirtschaftlicher Sicht bestimmt sinnvoll gewesen, gibt ja mittlerweile einen Haufen Bands, die diesen furchtbaren Begriff „Naturmystik" recht erfolgreich für sich ausschlachten, aber es wäre unehrlich. Und sehr platt. Das Album geht so, wie es ist, viel tiefer und verlangt dem Hörer viel mehr ab. Es geht nicht mehr (nur) um Wald und Natur... das Cover ziert der Weltraum... worum geht es also? Beschäftigt Euch damit!

Grundsätzlich seid Ihr Euch wohl treu geblieben. Was hat sich auf „Merkur" gegenüber „Der Ort" geändert?

Zur Grundstimmung siehe letzte Frage. Musikalisch hat das natürlich auch große Auswirkungen. Du wirst z.B. recht wenige, für "Naturmystikbands" typische Klassikgitarren auf „Merkur" finden. Aber auch von der Wahl der Instrumente abgesehen wird man doch merken, dass sich in Sachen Songwriting und Schlüssigkeit viel getan hat. Ich finde, wir haben der Musik noch mehr Tiefe gegeben, und irgendwie wirkt das Album auf mich homogener. Könnte mit dem Kompositionsprozess zu tun haben, das haben wir - sehr kompakt - in zwei Wochen erledigt, in denen wir uns in unserem Heimatkaff verkrochen haben. Liegt aber sicher auch am Sound, Tim hat das im Prinzip im Alleingang gemischt, und man merkt, was sich da in den letzten Jahren bei ihm getan hat. Außerdem haben wir oft mit dem Session-Drummer geprobt, das war auch dienlich. Der Kram ist bestimmt nicht leicht verdaulich, aber für mich passt alles viel besser zusammen. Ich bin sehr zufrieden und kann also mit Fug und Recht den total bescheuerten Satz benutzen, mit der jede Band ihr aktuelles Release bewirbt: Das ist das Beste, was wir je gemacht haben! Spaß beiseite, ich glaube, wer die 7" und das letzte Album mag, wird gut bedient werden. Das ist nach wie vor eindeutig Klabautamann, sicher verändert und weiterentwickelt, aber auch nachvollziehbar. Der Schritt ist da, aber er ist nicht zu groß.

Im Deutschen gibt's ja die schön praktische / schön doofe Unterscheidung zwischen U- und E-Musik. Wo seht Ihr Euch: Unterhaltung oder Ernst?

Ach, das mit der E- und U-Musik ist doch totaler Kappes, das gehört wegen mir in einen Seminarraum oder eine Doktorarbeit, das ist für Leute die über Musik schreiben, aber uns interessiert das nicht. Wir nehmen uns sicher ernst - aber nicht zu ernst, und was andere Leute mit unserer Musik anstellen und wie sie sie verstehen, das können wir eh nicht bestimmen oder beeinflussen.

Die Kontraste fallen ziemlich harsch aus. Doofe Frage, aber wäre das nicht auch kommerzieller, mainstreamiger gegangen?

Klar! Aber wozu? Gibt genügend Bands, die diesen Weg einschlagen... Wir können eh nicht davon leben, dann können wir das auch so gestalten wie es uns gefällt, nicht, wie es sich am besten verkauft (was ja sowieso keiner garantiert).

In meiner Ahnungslosigkeit habe ich im Review von lateinamerikanischen Rhythmen gesprochen. Vielleicht ahnst Du, welche Stellen ich meine. Was ist das wirklich?

Ehrlich gesagt, ich bin mir nicht so ganz sicher. Wir haben ein paar Mal den Bass recht ungewöhnliche und akzentuierte Linien spielen lassen, das könnte hier und da einen entsprechenden Effekt haben. Ansonsten haben wir aber nichts mit Samba-Rhythmik oder Ähnlichem am Hut...

VALBORG verorte ich für diese Frage der Bequemlichkeit halber im Doom, KLABAUTAMAN im Pagan Black, ISLAND sind vorrangig Prog-Death, WOBURN HOUSE ...ääh... Sludge? Auf welche Spielarten wird man bei Euch vergeblich warten?

Alles ist möglich. Und ich meine wirklich ALLES. Wenn Du wüsstest, was einige Zeitgeister im stillen Kämmerchen oder auch im Proberaum für Musik machen... greetings to Chris Silvers & Nick Parisi!

Was konsumiert die Mafia? Nicht vom Standpunkt des Drogisten, sondern musikalisch...

Uh... auch alles. Wir sind gewiss alle sehr durch Metal-Musik geprägt, aber das macht - grob gesagt - höchstens die Hälfte unserer musikalischen Vorlieben aus. Ich hab mir z.B. die letzten Tage wieder mal mit Hochgenuss die Best of Ella Fitzgerald & Louis Armstrong angehört. Ich kann dir aber beim besten Willen nicht sagen, was ich am liebsten mag. Es kommt eh ständig was Neues dazu. Komme langsam auch in das Alter, wo ich anfange, klassische Musik interessant zu finden...

Apropos Konsum: Merkur. Was ist für den KLABAUTAMANN wichtiger: sein Job als Götterbote oder seine Heiligkeit für Händler, Anlageberater und andere Diebe?

Ich deute die Frage jetzt einfach mal so: definieren die einzelnen Mitglieder sich und ihr Leben mehr über die Musik oder ihren Job, bzw. was nimmt welchen Stellenwert ein? Also mir ist mein Job schon wichtig, ich arbeite mit vielen tollen Menschen zusammen, aber die Musik steht schon im Vordergrund. Ich bin aber über beides froh, weil ich bei beidem eine Menge lerne und gute wie schlechte Erfahrungen mache... ich möchte nichts von dem missen. Ich kann mir schlecht vorstellen, nur eine Sache ganz intensiv zu machen, ich muss auf vielen Hochzeiten tanzen. Und da gehört der Job auf jeden Fall dazu.

Die Texte für Merkur stammen mit der Ausnahme „Herbsthauch" von Christian (Kolf, Gitarrist u.a. bei VALBORG, ISLAND, WOBURN HOUSE...); die Frage geht also eher an ihn... was treibt ihn zu dem ur-romantischen Schritt, die Natur immer wieder als, hmm... Reflexionsfläche zu verarbeiten... Oder habe ich da was missverstanden?

Christian: Ich finde es selbst schwierig, zu den Texten was zu sagen. Es geht mehr darum, dass die richtigen Wörter das richtige Gefühl heraufbeschwören sollen. Es geht nicht darum, was ich damit sagen möchte, sondern was der Zuhörer damit selbst verbinden kann. Welche Bedeutung sie für mich haben, ist zweitrangig.

Wie romantisch seid ihr? Klären wir das bitte erstmal in dem allgemein geläufigen Sinne... Naturbetrachtungen, verliebtes Zeug salbadern, Lagerfeuer und derlei Zeugs.

Naja, bin ich ein Romantiker, weil mich die Natur in ihrer Schönheit anrührt und in ihrer Macht überwältigt, oder weil ich (wie wahrscheinlich jeder, mal vom Stubenhocker-Computernerd abgesehen) die Atmosphäre eines Lagerfeuers genieße? Auf der anderen Seite bin ich ultra rational von der Naturwissenschaft geprägt, und was die Liebe anbelangt sicher mehr verbittert-lethargisch als romantisch...

Und jetzt im Ernst: Ein wichtiges Element der romantischen Kunstproduktion ist Ironie (romantische Ironie ist ein ästhetisches Verfahren: die Reflexion auf und Brechung des Kunstwerks in sich selbst), d.h. durch stilistische / thematische Störungen eine Distanz innerhalb des Kunstwerks zu erzeugen, um so das fiktive Element zu desillusionieren und das Kunstwerk als (Kunst-)Produkt erlebbar werden zu lassen. Wäre es falsch, die Stilbrüche, die bei allen Euren Bands auszumachen sind, so zu interpretieren?

Ha, da hast Du Dir aber gut was zusammen interpretiert! Das kann man sicher so sehen, wenn man so will, ich selber hinterfrage unser Schaffen allerdings niemals auf so einer Ebene. Ich glaube, dafür denke ich viel zu wenig über unsere Musik nach, und das wird auch so bleiben, da ich das gar nicht möchte. Was nicht heißen soll, dass Du Unrecht hast.

Die Natur gilt in der Romantik als Hort des, platonisch gesagt, Guten, Wahren, Schönen... Was bedeutet sie in Musik und Text bei KLABAUTAMANN?

Ich würde nicht von Bedeutung sprechen. Sie ist sicher ein wichtiger Einfluss auf uns als Menschen und Musiker, aber das findet alles sehr unterbewusst statt. Man muss mittlerweile sicher tiefer graben, um diesen Einfluss aufzudecken, als in den früheren Tagen unserer Band, aber das heißt nicht, dass er nicht da ist. Das ist eben nur eine Facette von uns und unserer Musik. Aber du liegst schon richtig, so gesehen sind wir romantisch geprägt. Natur ist ja auch, wenn ein gewaltiger, fieser Räuber ein unterlegenes Beutetier zerpratscht oder lebendig verdaut, diese „böse" Seite der Natur (das ist natürlich Blödsinn, gut und böse gibt es in der Natur nicht, aber du weißt was ich meine) kommt weniger zum Tragen.

Live seid ihr mindestens zu viert? Patrick und Jan... oder wer füllt die Rhythmus-Lücken?

Live läuft im Moment nicht viel, bzw. gar nichts, um genau zu sein. Im Moment ist Valborg die aktive Live-Band. Bislang haben wir (bis auf eine Ausnahme) alle Klabautamann-Konzerte mit Patrick an den Drums bestritten. Bass spielt live ein guter Freund (Christoph), Gesang haben schon mehrere Leute gemacht - erst Marlon (Drummer auf dem Debut-Album), dann Christian (Valborg etc) und zuletzt Tim selber.

 

Womit wir mit Patrick erstmal bei Valborg wären. „The Glorification of Pain" hatte mich ja ziemlich geplättet; aber die Kritik war bestimmt hübsch durchwachsen, oder?

Eigentlich nicht. Klingt doof, aber im Prinzip fanden das Album durch die Bank weg alle Rezensenten ziemlich großartig. Bis auf einen: der hat uns mit Emperor und Obscura verglichen (???) und sich dann darüber ereifert, dass wir ja viel primitiver sind und gar nicht wie die klingen. Eigentlich egal, aber es war mir dann schon schade um die verschwendete CD und das Porto. Einfach weil der Vergleich so absurd war, mit negativen Kritiken an sich hat bei uns keiner ein Problem.

Wie ist es mit positiver?

Über positive freuen wir uns einfach. Sicher ist es nach 10 Jahren Banderfahrung nicht mehr ganz so aufregend, Bestätigung durch positive Kritik zu bekommen, aber sie ist doch auch immer wieder eine zusätzliche Quelle der Motivation. Ist ein schönes Gefühl, wenn Menschen sich ihre Freizeit nehmen um sich eingehend mit unserer Musik zu befassen. Wenn man das dann ab und zu auch in Form eines Reviews lesen kann, ist das was Feines!

Irgendwo habe ich Folgendes gelesen, (Zitat Toyka) „eine von vielen Möglichkeiten VALBORG einzuordnen wäre: irgendwo zwischen ZZ TOP, BATHORY, CELTIC FROST, WHITESNAKE, ABSU und alten ANATHEMA". Erklär mir mal bitte die Nennung von WHITESNAKE... Selbst die verdammt gute alte Zeit vom Debüt oder „Northwinds" kriege ich bei VALBORG nicht rausgehört...

Ja, das greift etwas vor. Warte unser nächstes Album ab. Besonders den Track „I am space" - dann weißt du, was ich damit gemeint habe...

Das Debüt "Songs for a Year" ist, positiv formuliert, vordergründig vielseitiger; kritisch ausgedrückt noch nicht so reif, irgendwie „suchend". Nun ist Patrick aus- und Du bist eingestiegen, wird sich der sehr eigenständige VALBORG-Stil von „The Glorification of Pain" erneut ändern, schließlich war Patricks Drumming ziemlich stilprägend...?

Das glaube ich nicht. Klar, das Album wird anders, aber den größten Einfluss auf die Marschrichtung von Valborg haben sowieso Jan und Christian. Wenn einer der beiden aussteigen würde, könnte die Band nicht weiter existieren. Sicher drücke ich den aktuellen Valborg durch meine Vorlieben und mein Spiel auch einen entsprechenden Stempel auf, aber den Valborg-Stil kann das niemals grundlegend beeinflussen - der ändert sich nicht, egal wer hinter'm Schlagzeug sitzt. Mal davon ab ist mein Drumming mit dem von Patrick auf „Glorification..." relativ gut kompatibel.

Als relativ neues Mitglied der Band besitzt Du ja vielleicht die notwendige Distanz (bei bestmöglicher Kenntnis des Materials), die Stärken VALBORGS vor Deiner Beteiligung zu beschreiben...

Naja, Distanz... ich bin Fan, seit ich die Musik das erste Mal gehört habe. Darum bin ich total voreingenommen! :-) Die Stärken sind sicher die Eigenständigkeit, die Atmosphäre und einfach die Konstellation dieser drei Musiker. Christian ist einer meiner Lieblingsgitarristen, Patrick ein großartiger Drummer und Jan der perfekte Bassist für solche Musik. Ich wollte auf jeden Fall in dieser Band spielen, seit ich sie kennen gelernt habe!

Schwächen?

Fallen mir keine ein. Wenn man böswillig ist, kann man den frühen Valborg vielleicht vorhalten, dass die Sachen so unterschiedlich sind. Das ist aber nur ein völlig falscher, oberflächlicher Eindruck. Der Valborg-Stil zieht sich auch durch die früheren Aufnahmen wie ein roter Faden. Man muss sich nur ein bisschen mehr damit auseinander setzen.

Ziemlich abgefahren finde ich Christians Gitarrensound, insbesondere in den wenig verzerrten Parts hat das was. Soweit ich weiß, spielt er eine Baritongitarre (Anm.: eine Art Mittelding aus normaler Gitarre und Bass; die Mensuren sind hier etwas größer als bei normalen E-Gitarren, weshalb die Standardstimmung eine Quinte tiefer ist). Für unsere Technikfreaks: gibt's noch andere „Tricks" oder aufregendes Equipment?

Also an „aufregendem Equipment" hätten wir höchstens noch den Bass vom Jan im Programm. Das Teil ist aus den guten alten 80ern, neben uns wussten u.a. Sodom und Hellhammer dieses Instrument zu schätzen. Davon ab hängt der Sound sehr eng mit dem, was gespielt wird, zusammen. Und wenn man weiß, was man will, klingt das am Ende auch entsprechend, selbst auf schrottigem Equipment. Es soll bloß keiner denken dass man gut klingt, nur weil man sich für 3000 Euro ne Gitarre geleistet hat...

Wie war das jetzt, ist „Glorification" komplett live eingespielt? Wegen der Authentizität?

Richtig. Wir haben eine ziemliche Abneigung gegen Bands, die alles nacheinander am Computer zusammenstückeln und noch ganz nebenbei mit Hilfe der diversen modernen Tools jede Natürlichkeit und Menschlichkeit wie leichte Temposchwankungen oder kleinere Spiel-"Fehler" aus der Musik eliminieren. Was soll das? Da kann ich mich auch alleine zu hause hinsetzen und gleich alles programmieren - dafür brauche ich keine anderen Leute. Valborg sind aber eine Band, d.h. da spielen drei Musiker zusammen. Ich finde das einfach nur lächerlich, was manche Formationen sich so zusammenfrickeln - ja, die haben dann vielleicht einen Sound, wo man wirklich jeden Bassdrumschlag hört, und wo alles mathematisch perfekt sitzt, dafür sind sie musikalisch irrelevant. War mal Zeit, davon weg zu kommen - ich habe ja auch schon so einiges ausprobiert und hinter mir gelassen. Kudos übrigens an Kreator, die scheinen zum gleichen Schluss gekommen zu sein.

Euer nächstes Album ist bereits im Rough fertig. Ist „Crown of Sorrow" auch so aufgenommen?

Ganz genau. Für mich eine sehr spannende Sache; es war das erste Mal, dass ich ein Album live mit Band eingespielt habe, und dann direkt als Drummer. Auch wenn das eben nicht alles 100%ig perfekt ist, erfüllt mich diese Aufnahme mit mehr Stolz als jede andere aus den letzten 10 Jahren. Ich weiß, dass das, was ich da höre, exakt meinem Können entspricht, und man hört wie die Musik lebt, wie die Band nach vorne geht wenn es nötig ist, etc... Ich kann das nur jedem empfehlen, der die Nase voll hat von Computern und unnatürlichen Aufnahmen!

Wenn man so ambitioniert(e) Musik macht, ist es da nicht frustrierend zu sehen, wie irgendwelche Spinefarm-Luftpumpen in Charts und Polls durchstarten, während Könner wie ABSU trotz Deals mit Candlelight nur wenig mehr als Underground-Status genießen?

Damit muss man leben. Sehr schade, aber nichts Neues. Wenn man sich entscheidet, abseits des Mainstreams Musik zu machen, muss man damit rechnen, dass man nicht über den Underground-Status hinaus kommt. Hat aber auch was sehr Beruhigendes. Da wir nicht von der Musik unseren Lebensunterhalt bestreiten (müssen), können wir immer genau das machen, wann und wie wir es wollen. Dabei gelten nur unsere eigenen Vorstellungen und Ansprüche.

Ziel für Zeitgeister kann es nur sein, soviel Platten und Merch zu verticken, dass man für die Passion, Musik zu machen, nicht allzu viel drauflegt?

Ja, oder dass man am besten gar nichts mehr drauf legt. Klabautamann haben wir ja nun schon seit einiger Zeit soweit, dass mehr reinkommt als ausgegeben wird - mal sehen, wie das mit den anderen, etwas jüngeren Bands in ein paar Jahren so aussieht. Ich bin aber äußerst optimistisch, die Bands haben alle Potential bis sonst wohin. Hängt natürlich auch viel von den Plattenfirmen ab, mit denen wir arbeiten. Noch mal so einen Rückschritt wie mit Vendlus können wir uns sicher nicht leisten, aber man lernt ja dazu und wird vorsichtiger...

Eigentlich sollte das Interview während des Croatan-Festivals in Lüneburg stattfinden, das kurzfristig abgesagt wurde. Und wegen des einen Gigs in Oldesloe seid ihr nicht extra nach oben gekommen?

Doch klar! Das hätte ja sonst bedeutet, den Organisator des dortigen Konzertes hängen zu lassen, was nicht in Frage kam. (Super, du bist ja ein Bescheid-Sager!) Außerdem hatten wir vorher nen Tag in Lübeck und nachher noch eine gute Zeit mit Bekannten, die wir besucht haben. Und darum geht's ja auch bei der ganzen Tourerei: mit guten Freunden unterwegs sein und sich mit anderen netten Menschen treffen. In der Hinsicht hat sich der Gig voll und ganz gelohnt: wir hatten endlich mal die Möglichkeit, Christopher von Kerbenok (der hiermit herzlichst gegrüßt sei!) und seine Pizza-Back-Künste persönlich kennen zu lernen...

Wie stehen die Chancen, VALBORG hier oben mal zu sichten? Oder KLABAUTAMANN im Doppelpack mit KERBENOK? Das wäre lecker.

Wie gesagt, bei Klabautamann geht live erstmal nichts. Wir haben aber auch schon an ein Valborg/Kerbenok-Event gedacht. Das wäre traumhaft! Mal sehen. Wir schreiben jetzt erstmal das neue Album, dann sehen wir weiter. Nächstes Jahr kommen wir aber bestimmt noch mal wieder hoch!

Werdet ihr denn wenigstens im Rheinland oft genug gebucht? Und mit was für Truppen teilt Euch die Bühne? Ein Paket ISLAND - VALBORG - KLABAUTAMANN ist ja kaum zu machen, oder?

Ach, das wäre schon schön. Bis auf Valborg sind leider die meisten Zeitgeister-Bands von Session-Musikern abhängig, darum ist ein derartiges Package relativ unrealistisch. Aber irgendwo in unseren Köpfen gibt es die Idee natürlich. Dann nehmen wir aber gleich noch Gruenewald und Slon dazu. Wenn schon, dann richtig...

Die Z-Mafia scheint ein eingeschworener Haufen zu sein, der sich nicht nur musikalisch ergänzt; so macht Jan viel Artwork, Du bist wohl verantwortlich fürs Kaufmännische... Von außen sieht das insgesamt etwas abgeschottet, eben mafios aus. Welches Verhältnis pflegt man zu anderen lokalen Bands wie AARDVARKS (die völlig anders, aber auch nicht übel sind)?

Man kennt sich. Die einen besser, die anderen schlechter. Patrick hat bei AARDVARKS mal eine Zeit lang als Session-Drummer ausgeholfen.

Um die Verwirrung bei den Lesern nicht unnötig zu erhöhen, verschieben wir meine Fragen zu ISLAND, WOBURN HOUSE etc. auf das nächste Mal. Das könnte bei einem Release sein; was steht da an?

ISLAND und WOBURN HOUSE! :-) Beide CDs sind fertig. Die eine erscheint Ende Juni auf Paradigms Recordings, die andere liegt seit Monaten bei Vendlus rum und verstaubt da... Ich werde dich aber sicher in den nächsten Wochen und Monaten noch mal mit dem einen oder anderen Promo-Päckchen beehren... Sind nämlich auch neue Sachen von EKPYROSIS und GRUENEWALD in Vorbereitung...

Okay, dann die Frage noch: wer von Euch / was steckt hinter EKPYROSIS?

Das ist ein Geheimnis. Jemand, der gänzlich unbehelligt von äußeren Einflüssen nur die Musik für sich sprechen lassen möchte.

Abschließend, weil's für mich so schön bequem ist und du mit unfassbar witzigen und intelligenten Kommentaren brillieren kannst... ein Assoziationsspielchen:

--- Bonn

...macht alle fertig. Vor allem Köln und Berlin! Buh!

--- Der Zeitgeist

...ist eigentlich nicht mehr cool, seit die Smashing Pumpkins damit ihr aktuelles Loser-Album betitelt haben. Pfui!

--- Kommerz

Äh... sicher, ich bin unfassbar witzig und intelligent aber auch ein bisschen faul... Kommerz-Poperz! Bah!

--- Leute, die Mucke umsonst haben wollen

Haha! Ja ja, Leute, die Musik umsonst haben wollen... ein spaßiger Insider unter uns, leider aber ein landläufig verbreitetes Phänomen/Problem. Klar, gibt alles für Lau im Netz, warum also zahlen? Dabei gehen dann ganz langsam die vielen interessanten Underground-Bands vor die Hunde, die es sich nicht mehr leisten können, Musik zu veröffentlichen. Ober-pfui!!!

--- Metal ist...

 ...korrekter shit.

--- Nu Metal ist...

 Kindermusik. Aber das haben die harten Metalheads in den 90ern sicher auch über Grunge gesagt, und Grunge ist auch korrekter Shit... hmm...

--- Florian Toyka ist...

...zu gut für diese Welt! Und davon so frustriert, dass er irgendwann den ganzen Planeten mit eiserner Faust knechten und ins Verderben stürzen wird. Wartet nur ab, ihr Fucker...

--- Corpse Paint

Hell yeah! Habe ich Jahre lang als albern abgetan und nicht verstanden, bis ich dann letztes Jahr erleben durfte, wie viel Power und Heavyness das in einem wecken kann. Muss halt „von Herzen" kommen, unter den richtigen Umständen ist das perfekt. Man muss eben konsequent sein und es nur tun, wenn man sich danach fühlt und es der Situation gerecht wird. So wie Valborg: wir haben bei jedem Gig Schminksachen dabei, aber noch nie benutzt...

--- Frei nach Kafkas „Die Verwandlung": Herr T. wacht eines Morgens auf, und ist...

a) ein Mitglied bei Rammstein

der Schlagzeuger: der hat im "Amerika"-Video so ein korrektes Drumset...

b) Joachim Kardinal Meisner, Diözesanbischof des Erzbistums Köln

tja, Pech gehabt...

c) gar trunken vor Glück, weil...

... es in zwei Wochen nach Amerika geht!

d) zu Tode betrübt, weil...

.
..weil nix. Im Moment geht's mir ganz gut!

e) eine andere Person seiner Wahl, nämlich...


der König von einem eigenen Land!


Und nachdem Du uns noch die drei wichtigsten Nicht-Zeitgeister Bands und Deine drei Lieblingsalben verraten hast, bleibt nur noch die obligatorische Frage: willst Du noch wen grüßen oder so was?

Nach einigem Grübeln beschränke ich mich doch lieber auf eine Lieblingsband und deren aktuelles Album, da es jetzt schon mein Album des Jahres und mir wirklich ein Anliegen ist, diese Band bekannter zu machen. Ist außerdem etwas Einzigartiges: das Album „Part The Second" von MAUDLIN OF THE WELL, eine komplett Fan-finanzierte Produktion, für jedermann kostenlos zum Runterladen oder Streamen auf www.maudlinofthewell.net. (Siehe auch: "--- Leute, die Mucke umsonst haben wollen", der Verf. ) Und wenn es einem gefällt, kann man der Band etwas spenden wenn man möchte. Ich kann nur jedem nahe legen, sich mit MAUDLIN OF THE WELL und deren Schwester KAYO DOT (beides Bands meines Lieblingsmusikers Toby Driver) zu beschäftigen!

Und Grüße, ja: aus aktuellem Anlass ein paar der ganzen netten Leutchen, die wir im Zusammenhang mit der VALBORG-Tour kennen gelernt oder wieder getroffen haben: Kathaarsys, Battalion, Ralph Vroonen, Ezra & Natan, Christopher Duis / Kerbenok, Arlette / Knowhere, Alwis & Malte, Nicoffeine, Eva, Fredy / Nucleus Torn, Tom und Vanja / Triptykon, Henry, Adi & Matthias.

Vielleicht auch noch der obligatorische Aufruf an all die Leute, die mit der Selbstverständlichkeit aufwachsen, dass man Musik kostenlos im Internet bekommt: nichts gegen Sachen runterladen zum Abchecken, aber wenn einem was gefällt, bitte kaufen und den Künstler unterstützen. Sonst ist in nicht allzu ferner Zukunft Schluss mit dem Underground ...