Geschrieben von Samstag, 13 November 2004 20:45

Lostprophets - Interview mit Sänger Ian und Bassist Stuart zu 'Start Something'


interview
Link:http://www.lostprophets.com

Keine Entschuldigung für große Hits

Lostprophets - eine sechsköpfige Band aus Wales, die vor über drei Jahren mit „The Fake Sound Of Progress" bereits ein Ausrufezeichen in der Alternativ-Szene setzen konnte. Mit dem aktuellen Werk „Start Something" liefern sie ein nahezu perfektes Album, das High-Quality-Hits am Fließband liefert. Eigentlich kann man modernen Mainstream-Abgeh-Rock nicht besser machen. Und so wächst mit jeder weiteren Single der Erfolg und die Massen vor den Bühnen, die sich von den energetischen Live-Shows der Waliser mitreißen lassen. Wenige Stunden vor ihrem Konzert in der Kölner Live Music Hall, bei dem sie erwartungsgemäß kräftig abräumten, ging burnyourears.de dem Erfolg auf den Grund. Sänger Ian und Bassist Stuart saßen auf der Interviewcouch.


Als ihr das letzt mal in Köln ward, habt ihr im Prime Club gespielt. Könnt ihr euch an die Show erinnern?
Ian: Klar erinnere ich mich an die letzte Show. Es war drückend eng im Publikum und überall Stagediver. Es war ein klasse Gig! 

Und wie kommt's, dass ihr damals in solch einem kleinen Club spielen musstet und nun auf einer ziemlich großen Bühne auftretet? Haben sich die Verkäufe so stark verbessert?
Ian: Hmm, keine Ahnung, ich denke, die Leute vertrauen uns, dass wir heute mehr Leute anziehen. Natürlich sind auch die Verkaufszahlen seit der letzten Show sehr weit hochgestiegen. Als wir im Prime Club gespielt haben - das war Anfang März - war das Album gerade erst erschienen. Die Leute, die heute dieses Konzert gebucht haben, wissen mittlerweile, was wir für einen Status in Deutschland haben. 

Und was bevorzugt ihr?
Ian: Ich mag beides!
Stuart: Normalerweise sind kleine Clubs besser. Es gibt aber auch Tage, da sind große Shows der Hammer, da muss dann aber auch alles stimmen.
Ian: Wir können glücklicherweise beides Erfahren. In einigen Ländern betreten wir fast nur große Bühnen, in anderen nur kleine Clubs. 
Stuart: Vor paar Tagen haben wir in München gespielt, das war geil! Da standen knapp 500 Fans praktisch direkt vor unserer Nase und sind tierisch abgegangen.
Ian: In der Live Music Hall (Halle des heutigen Auftritts, Anm. d. Verf.) ist die Bühne schon viel zu hoch, etwas seltsam, aber wir haben uns auch daran gewöhnt. 

Im Sommer habt ihr zusammen mit Slipknot im Vorprogramm der Metallica-Stadion-Tour in Deutschland gespielt. Ich habe viele Stimmen gehört und auch oft gelesen, dass euer Sound viel zu leise war. Habt ihr euch ungerecht behandelt gefühlt?
Ian: Joah...
Stuart: Das lag an den Regeln. Wir konnten da nichts machen.
Ian: Ich glaub, so ist das nun mal, wenn man größere Bands supportet. Wobei, wenn wir Bands mitnehmen, setzten wir denen keine Limits auf. Die sollen die gleiche Möglichkeit bekommen wie wir. Metallica kommen wahrscheinlich aus der alten Schule... 
Stuart: Hinzu kommt aber noch, dass diese Stadien in lärmberuhigten Gegenden lagen. Das heißt, ein Lärmlimit wurde da meistens eigentlich jeder Band gesetzt. Je weiter du diese Grenze übersteigst, desto mehr musst du zahlen. Und Metallica können sich diese Strafen natürlich locker leisten, wir nicht. Manche Shows waren für uns deshalb wirklich enttäuschend, da man von uns wirklich nicht viel mitbekam, was am zu leisen Sound lag - es fehlte die Energie, der Einschlag. Ein paar Shows waren gut, aber bei anderen konnten wir leider nicht viel reißen. 

Zum heutigen Konzert: Wer hatte die Idee, Eighteen Visions als Support mitzunehmen?
Ian: Das waren wir. Ganz einfach, weil wir die Jungs und die Musik mögen. Wir sind auch vorher schon mal zusammen getourt und sind gute Freunde geworden, von daher...
Stuart: Eighteen Visions haben eine Hardcore-Vergangenheit, live geht's also gut ab bei denen. 

Gutes Stichwort: Seid ihr von der gegenwärtigen Metalcore-Welle beeindruckt?
Ian: Ich bin von einigen Bands beeindruckt, von anderen denke ich, dass sie sich nur gegenseitig kopieren oder nichts wirklich Neues bringen. Es gibt einige herausragende Kapellen wie Shadows Fall, Unearth oder auch Black Dahlia Murder sind großartig. Aber einige sind halt...
Stuart: Killswitch Engage! Die sind sozusagen die neuen Pantera... 

Wie läuft's für euch in Amerika?
Ian: Großartig. Da läuft's echt gut, unser Album hat auch schon eine Gold-Auszeichnung bekommen und wir hatten ein paar coole Tourneen. 

Mit wem seid ihr dort so zusammen aufgetreten?
Beide zählen auf: Eighteen Visions, My Chemical Romance, Kill Radio, Head Automatica, Solea. 

Und welchen Status habt ihr in Wales? Seid ihr dort Superstars? Gibt es überhaupt Bands, die größer sind als ihr?
Ian: Es gibt definitiv größere Bands als uns; Manic Street Preachers, Stereophonics und nicht zu vergessen Tom Jones, der ja auch aus Wales kommt. Wir spielen in Arenen. Kommt natürlich auf die Stadt drauf an. Nächste Woche spielen wir in Cardiff in einer Arena. Aber es ist nicht so, dass wir nirgends mehr unerkannt die Straße runter laufen können. 

OK, nun zur eurem aktuellen Album „Start Something". Ein Freund von mir ist großer Fan eurer ersten CD „The Fake Sound Of Progress", war aber vom neuen Album enttäuscht. Könnt ihr solche Leute verstehen?
Ian: Ja, können wir schon. Auf der anderen Seite müssen wir uns aber auch treu bleiben und Musik schreiben, die uns gefällt.
Stuart: Es sind vier Jahre zwischen den beiden Alben. Wir wollen uns nicht wiederholen, sondern uns weiterentwickeln, Grenzen durchbrechen, einen Schritt nach vorne tun. 
Ian: Es wird auch Leute geben, die „Start Something" lieben, aber Probleme mit unserer nächsten Scheibe haben werden.
Stuart: Genau so ist es!
Ian: Wir werden uns dafür aber nicht entschuldigen. Ich bin froh, dass wir uns als Musiker und Songwriter verbessern.
Stuart: Man kann nicht sagen, dass wir unseren Stil umgeworfen haben oder sold-out sind.
Ian: Eigentlich sind viele Songs aus „Start Something" heavier als auf „The Fake...".
Stuart: Wir probieren einfach alles aus und setzen uns keine Grenzen. 

Eigentlich sind die Songs auf „Start Something" so ziemlich perfekt. Hört ihr manchmal Vorwürfe, ihr hättet Ghostwriter für das Album gehabt.
Ian: Klar, haben wir oft gehört.
Stuart: Die Sache ist, das erste Album haben wir ohne Hilfe selbst produziert, beim zweiten hatten wir einen bekannten Produzenten. Die Leute hören es und sagen sich „hm, das klingt richtig gut, da muss doch der Producer alles geschrieben haben". Nein, der Produzent nahm lediglich die Songs auf, half uns aber nicht beim Songwriting. Die Songs standen auch schon, bevor wir ihn getroffen haben. 
Ian: Ich denke, durch das tägliche live spielen weiß man irgendwann, was funktioniert und was nicht. Bei „The Fake Sound..." haben wir immer alles in einen Song gepackt: heavy Part, leise Bridge, Jazzpart und so weiter. Jetzt wissen wir, dass das vollkommen unnötig ist.
Stuart: Wir verteilen die verschiedenen Aspekte auf verschiedene Songs. 

Nun ist auf dem neuen Album wirklich jeder Song ein Hit. Nach welchen Kriterien habt ihr euch die Singles ausgesucht?
Ian: Nach einer Weile bekommt man einfach das Gefühl dafür, besonders live kann man am besten sehen, welcher Song am besten ankommt.
Stuart: Für uns persönlich versuchen wir jeden Track so groß wie möglich zu machen. 

Wisst ihr schon, wie ihr „Start Something" toppen wollt?
Stuart: Wir stecken da gerade mitten drin.
Ian: Wir reden schon sehr viel über das nächste Album, in welche Richtung es gehen soll und so weiter. Jeder kommt bereits mit Ideen an und schreibt seine eigenen Sachen. Nach den Touren kommen wir dann zusammen und schreiben unsere Songs gemeinsam. Aber es ist schwer zu sagen, wie es wird. Man kann es nicht einschätzen, bis es passiert.
Stuart: Wir werden von allem inspiriert: Filme, Musik, Kunst. Es gibt viele Bands, das geben sie auch selber zu, die hören sich drei Gruppen an und klingen auch genau wie diese drei Gruppen. Wir wollen nichts kopieren.
Ian: Der Unterschied zwischen dem nächsten und „Start Something" wird nicht so groß sein, wie der von „The Fake ..." zu „Start Something". Es wird keine radikale Veränderung geben. Dennoch werden wir uns weiterentwickeln. 

Werdet ihr wieder mit Eric Valentine zusammenarbeiten (Produzent von u.a. Good Charlotte)?
Beide: Jap! 

Ich habe etwas von einer „Last Summer EP" gelesen. Was hat es damit auf sich?
Stuart: Das ist einfach nur eine Single, für die wir einige B-Seiten aufgenommen haben, vornehmlich Coverversion. Die Single wurde so aber nur in UK veröffentlicht. Wir wurden gebeten vier neue Tracks dafür aufzunehmen, aber wir waren permanent auf Tour und hatten keine Zeit, aber auch keinen Bock auf halbgare neue Songs, für die wir dann auch noch zerissen werden. Also haben wir uns zwei Tag in ein Studio verschanzt und zum Spaß einige Cover aufgenommen. Nichts spektakuläres. Wenn es den Leuten nicht gefällt, auch OK.
Ian: Nicht-Engländer können sich die Songs natürlich gerne aus dem Internet runterladen. 

Ich habe eine Theorie zu „Start Something": Wäre das Album drei Jahre früher erschienen, der Erfolg wäre noch größer gewesen. Ohne euch in diese Ecke drängen zu wollen, denke ich da an Bands wie P.O.D., Papa Roach, Incubus oder Limp Bizkit, die einen ähnlich mainstreamigen Sound auffahren.
Stuart: Klar, in der Zeit war harter Rock im Mainstream für viele relativ neu. Heavy Music, die gleichzeitig eingängig und melodisch ist. Selbst Leute, die vorher nichts mit Rock am Hut hatten, fuhren plötzlich darauf ab. Mittlerweile haben sich die Leute daran gewöhnt, die Auswahl ist viel größer. Vor paar Jahren waren dadurch einige beschissene Bands richtig groß. Sie waren zu richtigen zeit am richtigen Ort. Die guten Bands haben sich herauskristallisiert. Und nun ja, Korn sind tot, Limp Bizkit sind tot ... (leise) wir sind da. 

Wo seht ihr Lostprophets in fünf Jahren?
Stuart: Hoffentlich immer noch hier, abends auf der Bühne. Wir sind sehr stolz auf das, was wir bereits erreicht haben, denn hinter allem steckt viel Arbeit. Natürlich hatten wir auch Glück, aber jede Band mit Plattenvertrag hat Glück gehabt.
Ian: Ich will einfach nur Musik machen, die mich glücklich macht und die andere Leute immer noch spannend finden. Wir werden noch lange existieren und immer wir, also Lostprophets bleiben und uns nicht in eine Schublade stecken lassen, sei es Rock, Metal, Hardcore, whatever.
Stuart: Wir wollen nicht wie Korn werden, die einfach nur noch ihre Formeln wiederholen und nur noch Scheiße produzieren, um ihren Vertrag zu erfüllen. Bevor es so weit kommt... 

Verstehe. Vielen Dank für das Interview.