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Athena, die gefeierten Upbeat-Helden aus der Türkei setzen an zum musikalischen Angriff auf Europa. In ihrem Heimatland haben sie mit ihrem cleveren Crossover aus Ska-Rock, Popappeal und Orient-Flair beinahe alles erreicht, was man erreichen kann - zuletzt der höchstrespektable 4. Platz als Gastgeber bei der Eurovision. Doch auch mit den „Nachbarn" in Europa könnte es klappen mit einem kleinen Erfolg. Im Sommer erschien das neue Ohrwurm-Album „US", das diesmal neben den türkischen Songs mit drei englischsprachigen Hits den internationalen Brückenschlag versucht. Wer eines ihrer Konzerte bei der letzten Deutschlandtour besucht hat, weiß, dass die vier charismatischen Jungs live sogar noch eine Ecke mehr begeistern können. Vor dem Konzert in Köln hatte BurnYourEars die Gelegenheit in einem lockeren Gespräch mit Gitarrist Hakan mehr über Athena und Ska-Musik in der Türkei zu erfahren...
Kannst du dich und Athena unseren Lesern bitte vorstellen und einen kurzen Abriss über eure Entstehungsgeschichte geben?
Gökhan (Sänger, Anm. d. Verf.) und ich haben 1989 angefangen Musik zu machen und wollten schon bald auch eine Band gründen. So ging's dann weiter, Freunde kamen und gingen in der Band, Bassisten und Schlagzeuger. Fünf Jahre lang haben wir in verschiedenen Bars gespielt, in der wir nur Cover performt haben. Zu der Zeit gab es kaum eine Band in der Türkei, die wie wir klangen, in der Bar-Szene war unser Sound etwas Neues. Ab und zu fingen wir an, unsere eigenen Stücke vorzustellen. Eine Firma namens Number One zeigte Interesse unser erstes Album rauszubringen. So nahm alles seinen Lauf...
Ich habe gelesen, dass ihr ursprünglich als Heavy Metal Band angefangen hattet. Wie kamt ihr auf einmal zum Ska?
Nun, als wir Metal spielten waren wir erst 13 oder 14 und noch etwas Grün hinter den Ohren. Mit der Zeit haben wir mehr ausprobiert und Gefallen an anderen Stilen gefunden. Wir hatten einige Freunde aus England und Holland, die uns unterschiedlichste Bands empfohlen haben. So haben wir dann den Ska kennen und lieben gelernt - das war so um 1993. Diesen Stil fügten wir dann in unser eigenes Konzept ein und entwickelten ihn immer weiter.
Was bedeutet für euch Ska? Ist es bloß Musik oder vielleicht auch ein Lebensstil?
Beides. Es ist die Musik, die wir mögen, ganz abgesehen von der Ideologie. Ideologisch gesehen haben wir Ska als Anti-rassistisch aufgefasst, was unserer Denkweise natürlich entgegen kommt. Mit dem Hören von Specials und The Madness fingen wir an.
Wie kommt es, dass ihr euch Athena genannt habt? Gibt es eine Verbindung zu Griechenland?
Nein, nicht als Menschen, wir haben kein griechisches Blut in uns. Aber wir sind natürlich Nachbarn. Die Sache ist, wir haben uns damals neben der Band stark für Mythologie interessiert und der Charakter „Athena" gefiel uns am besten, so dass wir seit unseren Amateur-Tagen schon so heißen.
Alles klar. Ihr habt dieses Jahr bei der Eurovision für die Türkei teilgenommen. Was war das für ein Gefühl?
Das war eine sehr besondere Erfahrung für uns. Man (das Kulturministerium, Anm. d. Verf.) hat uns gefragt, ob wir antreteten wollen. Wir haben überhaupt nicht damit gerechnet. Einen Monat lang haben wir Bedenkzeit genommen und uns die Köpfe zerbrochen, pro und contra abgewogen. Schließlich sind wir an TRT (Türkischer Staatssender, Anm. d. Verf.) herangetreten und haben eingewilligt. Die saßen noch mit den anderen Favoriten am Tisch, haben sich aber letztendlich für uns entschieden. Insgesamt war das Ganze sehr sonderbar. Für uns war das schon eine Ehre unser Land vertreten zu können. Besonders dass wir in solch einem großen Rahmen unsere ganz eigene Musik präsentieren durften, war eine tolle Sache.
Gab es gleichzeitig vielleicht auch Leute, die sich gegen euren Auftritt gestellt haben?
Klar gab es die. Widerstand gibt es immer. Das war auch schon bei Sertap Erener (Gewinnerin der Eurovision 2003, Anm. d. Verf.) und die Jahre davor genauso. Wir sind dem Ganzen aber mit Respekt begegnet und haben uns die Meinungen angehört. Einige wollten, dass auf türkisch gesungen wird, andere sahen einen großen Vorteil im englischen Text, der als größte Fremdsprache natürlich international für alle verständlich ist. Das dachten wir natürlich auch. Englisch erreicht viel mehr Menschen. Wir haben aber auch darauf geachtet, dass das türkische Flair nicht verloren geht.
Auf dem neuen Album sind ja auch drei englische Stücke mit drauf...
Ganz genau. Auf dem aktuellen Werk „US" sind die drei englischen Stücke. Das sind die Songs, die bei der Vorentscheidung in der Türkei zur Auswahl standen. Zwei Wochen konnten sich die Leute diese Songs unter anderem im Fernsehen anhören und abstimmen, welchen Titel sie bei der Eurovision sehen wollten. „For Real" hat ja bekanntlich gewonnen. Wir dachten uns dann, wenn wir schon diese Songs geschrieben haben und sie so gut geworden sind, dann können wir sie auch gleich auf das nächste Album mit draufpacken.
Denkt ihr darüber nach, irgendwann ein komplett englischsprachiges Album aufzunehmen?
Da sind wir gerade bei. Mit Universal Gemany laufen schon die Verhandlungen für ein englisches Album. Momentan arbeiten wir an einer geeigneten Single. Wir suchen gerade einen Produzenten dafür aus. Nach der Tour hier kehren wir nach Istanbul zurück, wo Gökhan dann die Lyrics schreiben wird. Die Musik haben wir auch schon zu 80 Prozent geschrieben. Dann werden wir in Deutschland die Single samt Video veröffentlichen. Zweiter Schritt ist dann das Album.
Glaubt ihr denn, dass ihr international Erfolg haben werdet?
Wir glauben auf jeden Fall an uns! Letztendlich haben wir einen westlichen Sound mit türkischem Flair gemischt, deshalb ist es uns auch wichtig, außerhalb unserer Landesgrenzen erfolgreich zu sein. Als wir anfingen, war unser Ziel, unsere Musik im ganzen Land bekannt zu machen. Das haben wir erreicht. Jetzt ist es an der Zeit, Europa und die Welt für unsere Musik zu begeistern. Wir glauben, dass wir es schaffen können.
Wie waren denn bisher die Erfahrungen in Deutschland?
Bis heute haben wir bestimmt schon sechsmal in Deutschland gespielt. Bei der ersten Tour waren wir für drei Konzerte mit der altgediegenen Ska-Band The Fritz unterwegs. Einmal sind wir bei der Popkom aufgetreten und dieses Jahr standen wir beim großen türkischen Fest in Berlin auf der Bühne. Und bei allen Shows war die Resonanz sehr gut, sowohl bei Türken als auch bei Deutschen. Das hat uns sehr motiviert. Wir wollen dieses Feeling natürlich ausbauen.
Welche deutschen Bands außer The Fritz kennt ihr denn noch?
Beatsteaks. Die kommen doch von hier, oder?
Richtig, nach denen hätte ich dich auch noch gefragt. Kann mir gut vorstellen, dass die euch gut gefallen.
Stimmt, die machen echt coole Musik. Wir könnten uns auch vorstellen, mit ihnen zusammen ein paar Shows zu spielen.
In Deutschland hören die meisten türkischstämmigen jungen Menschen HipHop und R 'n B. Ich weiß, dass das in der Türkei ganz anders ist. Erklär mal, wie sieht die Musikkultur in der Türkei in Wirklichkeit aus?
Nee, nee, in der Türkei ist das anders. Betrachtet man die Türkei im Allgemeinen, nicht nur die Großstädte, dann merkt man, dass überwiegend traditionelle Musik gehört wird. Türk-Pop ist sehr beliebt, aber eher in den Städten. In den letzten Jahren hat zudem Alternative Music, wie Rock, Indie und Metal stark zugenommen. HipHop wird natürlich auch gehört, hält sich aber eher im Underground.
Eure Optik ist ja auch eher alternativ - Piercings, Tattoos und so weiter. Ich weiß, dass es da früher in der Türkei Probleme gab, allein schon wenn man lange Haare trug. Ist das immer noch so, oder hat sich in der Hinsicht etwas geändert?
Himmel, nein, nein, es hat sich viel verändert! Du kannst frei mit langen Haaren, Piercings, Tattos, was auch immer herumlaufen. Vor etwa zehn Jahren fühlten wir uns damit wesentlich unwohler. In der Hinsicht hat sich vieles verbessert. Die Türkei hat sich als modern erwiesen.
Trotzdem haben viele Deutsche oder Europäer Angst vor einem EU-Beitritt der Türkei. Wie seht ihr dieses heikle Thema?
Eigentlich möchte ich nicht allzu viel über Politik sprechen. Nur so viel, es wird der Türkei sehr zugute kommen und auch Europa wird einen Vorteil daraus gewinnen. Es könnte sich gut entwickeln...
Dann kehren wir zurück zur Musik. Sind nach eurem großen Erfolg plötzlich mehr Ska-Gruppen aufgetaucht?
Auf professioneller Ebene nicht, aber im Underground gibt es so einige Bands, mit denen wir auch sprechen. Die wollen natürlich unsere Meinung wissen und wir geben ihnen Rat, schauen uns ihre Konzerte an. Das sich musikalisch in der Türkei so viel bewegt, ist eine wunderbare Sache!
Um was geht es in euren Texten?
Es geht um das nackte Leben - Lügen, Intrigen, Beziehungen zu Frauen und Freunden. Es geht um die Bindung zum Leben oder andersherum, wie sinnlos es ist, sich vom Leben zu trennen. Wir glauben immer fest daran, dass es nicht zwangsläufig schlecht läuft im Leben, es gibt immer Ups and Downs und stets einen Ausweg. Das versuchen wir zu vermitteln.
Seht ihr euch dann als Vorbild für die jungen Leute in eurem Land?
Ehrlich gesagt, wollen wir uns so gar nicht sehen. Wir machen einfach unsere Musik und wollen Erfahrungen auf einer einfachen Ebene mit den Leuten teilen. Es ist nie ein Mensch einem anderen höher gestellt. Wir machen Musik und sind jedem dankbar, der es uns ermöglicht.
Danke für das Gespräch.
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