Geschrieben von Deniz Mittwoch, 12 Januar 2005 20:50
Walls Of Jericho - Interview mit Sängerin Candace und Gitarrist Mike
Link:http://www.allhailthedead.com/
Walls Of Jericho sind ein kleines Phänomen. Die Band aus Cleveland spielt sich seit Jahren mit ultratighten Metalriffs und ungezügelter Hardcore-Finesse in die Herzen der weltweiten Underground-Community. Wer sie zum ersten Mal hört, wird das Quintett lieben oder hassen. Aber wer sie zum ersten Mal live sieht, guckt erstmal blöd aus der Wäsche. Tatsächlich, Herrschaften, da schreit eine Frau - wie besessen. Klar, das ist charmant, aber vor allem ist das eins: gewaltig! Für Sängerin Candace wiederum keine große Sache. Trotzdem musste sie sich im Interview einige Fragen zu ihrer Geschlechterrolle gefallen lassen. Mit ihr und Gitarrist Mike unterhielt sich Burnyourears während der Eastpack Resistance Tour über Hardcore, Hype und das leidige Männerproblem...
Hi Mike! Erste Frage natürlich: Wie verlief die Resistance Tour bis jetzt? Seid ihr zufrieden mit euren Shows?Mike: Es ist ja leider fast schon vorbei, nur noch zwei Shows übrig. Ja also, es war großartig! Wir sind sehr zufrieden mit unseren Auftritten. Einige Leute haben uns ja schon vorher gesehen. Ich hoffe, sie verstehen, wie diese Tour läuft... Das nächste mal, wenn wir wieder in Europa sind werden wir wieder an höherer Position stehen. Jeder hier ist freundlich, die Shows waren super, klasse Bands! Ich kann mich nicht beschweren!
Hast du dir auch die Shows deiner Kollegen angeschaut? Wen fandest du am besten?Mike: Ja, so gut ich konnte. Manchmal muss ich halt auch solchen Kram hier erledigen (lacht). Bei bestimmten Bands geh ich mit auf die Bühne, manche verpasse ich ganz. Soweit es ging hab ich versucht, mir alle anzuschauen.Aber ich lasse mir niemals Sick Of It All entgehen - best band ever! Unearths Performances sind auch immer sehr geil. Jede Band hier ist auf seine Weise gut.
Ich finde, dass diese Tour einen guten Mix aus klassischen Hardcore-Acts und der neuen Generation an Metalcore-Bands bietet. Wo würdet ihr euch einordnen?Mike: (Nach Pause) Keine Ahnung. Wir gehen mehr Richtung Metal, finde ich. Unsere Mucke hat ein richtiges Metal-Feeling. Aber genauso kommen wir auch straight mit klassischen Hardcore-Elementen an. Wir machen das allerdings anders als die anderen Jungs. Deshalb find ich sind wir eher old-school im Gegensatz zu den neuen Metalcore-Bands.
Ihr profitiert aber doch dennoch sehr vom aktuellen Metalcore-Hype, oder? Mike: Ja, sicher. Ich meine, wir haben den Metal und wir schreiben Songs in einem metallischen Stil. Die Sache ist, wir sind zu Metal für die old-school-Leute und zu old-school für die Metaller. Wir sind also genau dazwischen. Mir gefällt das aber so, wir sind zufrieden damit. Wir alle mögen Metalbands und versuchen Einflüsse und Geschmäcker zu verarbeiten. Die Leuten steigen schon drauf ein, vielleicht braucht es nur ein wenig länger bei uns, da Walls Of Jericho sich eben schlecht in eine Schublade stecken lässt.
Wie sieht es eigentlich in Amerika aus? Gibt es da noch eine richtige Hardcore-Szene oder wenden sich die Kids mehr und mehr dem Metal zu, jetzt, wo er wieder angesagt ist?Mike: Populärer und Erfolgreicher ist natürlich Metal-lastiges Zeug, auch Alternativ und Indie-Rock liegen vor Hardcore. Es gibt noch einige „reine" Hardcore-Bands, wir nennen sie old-school oder Youth-Crew-Style. Ein paar machen sich ganz gut, aber die meisten bleiben ganz stur underground. Sie haben ihre eigene Szene, was ich auch großartig finde, aber die meisten Bands bewegen sich nur im gleichen Umfeld, da gibt es keinen Crossover. Die würden nie eine große, gemischte Tour mitmachen und vor einem Metal-Publikum spielen. Es gibt aber genügend Leute, vor denen sie auftreten können. More power to it!
Zum Album: Warum hat es so lange gedauert, bis „All Hail The Dead" rauskam?Mike: Es hat nicht so lange in dem Sinne gedauert, dass wir zu lange mit dem Songwriting beschäftigt waren. Nein, wir haben unseren Drummer verloren. Wir konnten keinen Schlagzeuger aus unserer Region finden, der entweder gut genug oder nicht schon vergeben war. Einen, der weit weg wohnt, hätten wir für den Weg nicht bezahlen können.
Wart ihr also kurz vor einem Split-Up?Mike: Klar, die Band lag fast zwei Jahre auf Eis und wir mussten uns mit Nebenjobs über Wasser halten. Normalerweise müsste ich nicht arbeiten, aber ich tu es, um mich genug zu beschäftigen. Zu der Zeit brauchte ich etwas mehr Beschäftigung. Die Suche nach einem neuen Drummer war echt nicht leicht. Aber wir haben das Bestmögliche draus gemacht. Here we are!
Wo siehst du die Unterschiede zwischen eurem neuen Album und seinen Vorgängern.Mike: Ehrlich gesagt, sehe ich da gar keinen wirklichen Unterschied. Es ist eine sehr natürliche Entwicklung. Wir haben ein neues Mitglied, das seinen eigenen Style einfügt. Aber insgesamt, wenn man die Platte betrachtet, ohne groß die Musik einzubeziehen, dann liegt der Unterschied eher darin, wie wir an die Songs rangegangen sind. Wir haben viel mehr an der Musik gefeilt und auch neue Ideen zugelassen, was wir früher nicht getan hatten. Jetzt sagen wir uns, ok, wenn die Idee kickt und uns das Spielen dieses Parts Spaß macht, dann ist er es Wert, ihn aufzunehmen.
Ist der Song „Revival Never Goes Out Of Style" ein Tribut an den alten Street-Style-Hardcore?Mike: Nein. Er ist eher eine Art Reaktion auf das Old-School Ding. Wir wuchsen alle in einer Zeit auf, wo Hardcore die Masse kein Stück interessiert hat, wo er längst nicht so viele Platten verkauft hat, wie heute. Da hatte jeder Song noch eine Bedeutung und die Macht, etwas zu bewegen, den Menschen die Augen zu öffnen. Egal, ob es darum ging, sein Leben wieder in den Griff zu kriegen, vegan oder straight edge zu leben oder politisch zu sein, es steckte immer der Wille dahinter, die Welt besser zu machen. Jetzt, wo Hardcore groß rauskommt, ist es eher wie im Metal. Die Bands singen über irgendeinen Mist oder persönlichen Kram, aber nicht in einer Art, in der man anderen helfen könnte. Gerade wo die Möglichkeit besteht, mit seiner Stimme viele Menschen zu erreichen, wird sie nicht genutzt. Niemand steht auf, um etwas zu sagen. Natürlich bestätigen Ausnahmen wie immer die Regel, ich spreche über das generelle Bild. Schade, dass so viel Potential vergeudet wird. Darum geht es in diesem Song.
Was ist denn die Message von Walls Of Jericho?Mike: Natürlich wollen wir keine Prediger sein. Uns geht es einfach darum, aufzupassen, was um einen herum geschieht, gleichzeitig ein besserer Mensch zu sein und die Dinge auf die harte Tour kennen zu lernen. Wenn man sich unsere Texte durchließt, wird man verstehen, dass sie zwar sehr persönlich sind, aber immer eine Message mit sich bringen. Lerne aus deinen Fehlern, sei so klug, und steh für deine Fehler gerade.
Ist jemand straight-edge in eurer Band?Mike: Ich selbst, unser Bassist Aaron und unser zweiter Gitarrist, Chris.
Welchen deutschen Hardcore Bands kennst du?Mike: Um ehrlich zu sein, ich kenne nur die größeren Bands. Das liegt aber mehr an dem vielen Touren. Auf der Suche nach neuen Bands und Platten bin ich nämlich nicht mehr so aktiv. Wenn Leute Krach machen, hört man es natürlich. Aber außer Heaven Shall Burn, Caliban, Maroon oder Destiny kenn ich keine. Alles Bands mit denen wir getourt sind, die uns hier geholfen haben und selber gerade gut dastehen.
(Sängerin Candace setzt sich an unseren Tisch, um das Interview fortzusetzen)Hi Candace! Ich habe Mike zur Tour und zum Album schon befragt. Von dir würde ich gerne ein paar Dinge über deine Rolle als Frau in der Band und der Szene wissen.Candace: OK, das ist kein Thema. Oder das sollte eigentlich keins mehr sein, da bin ich schon durch. Es ist nur immer noch ein Thema, weil die Leute daraus eine große Sache machen. Ich bin aus denselben Gründen in der Band, wie die anderen auch und reiß mir nicht weniger den Arsch auf. Also, das ist meine einzige Rolle - zu tun, was ich tun will. Eigentlich kein Thema.
Ups! Also hasst du solche Fragen?Candace: Es ist einfach nur Schade, dass mich die Leute seit Jahren darauf ansprechen, dass ich eine Frau im Hardcore bin. Es gibt einige Frauen in der Szene und je mehr Leute das akzeptieren, desto unbedeutender wird das.
Aber wären Walls Of Jericho genauso erfolgreich, stünde ein Mann am Mikro?Candace: Nun ja, ich liebe, was wir mit unserer Musik tun, wenn die Leute dazu tanzen und singen. Klar kriegen wir viel Aufmerksamkeit, weil eine Frau da singt. Schon cool... Oh Mann, wie soll ich die Frage beantworten (wird unsicher).Mike: Die Frage ist unmöglich zu beantworten, denn wir haben keinen männlichen Sänger und wir werden auch nie einen haben.
Bemerkt ihr denn auf eueren Konzerten einen überdurchschnittlichen Anteil an weiblichem Publikum?Candace: Ja, es sind definitiv viele Mädels bei unseren Shows und die gehen auch gehörig ab. Cool, aber sie tun im Prinzip das gleiche, was sie bei anderen Bands auch tun würden. Natürlich gibt es bestimmt Mädchen, die sich selbst durch die Präsenz einer Frau auf der Bühne sicherer fühlen.
Vielleicht magst du diese Frage nicht, aber mich würde interessieren, ob du schon immer solch eine Schrei-Stimme hattest, oder musstest du sie dir extra antrainieren?Candace: So wie jeder andere auch. Man fängt an und die Stimme wird über die Jahre besser, beziehungsweise höher oder tiefer. Aber ich musste schon dran arbeiten, wie jeder wohl auch. Schreien und sehen, was dabei rauskommt (lacht). Es ist definitiv nicht einfach.
Gibt es auch Tage, wo du richtig davon angepisst bist, fast jeden Abend zu schreien und ständig mit so vielen Männern auf Tour zu sein?Mike: Mit so vielen Männern!? Du meinst mich (lacht)!Candace: (lacht) Es wird schon manchmal stressig, wenn gar keine Frauen um dich herum sind, denn selbstverständlich ist das Verhältnis zwischen Frauen und Frauen anders als zwischen Frauen und Männern. Zugegeben, ich vermisse das, deshalb habe ich auch immer mein Telefon dabei und rufe meine Girls an (lacht), um das beizubehalten. Es ist nicht immer einfach über die Jahre hinweg.
Sind deine Eltern stolz auf dich?Candace: Ja, vor allem meine Mum! Sie war auch neulich zum ersten Mal bei einer unserer Shows. Im Vorprogramm von Fear Factory.Mike: Unsere schlechteste Show bis dato (lacht).Candace: Ja, aber sie stand in der ersten Reihe und hat voll abgerockt, hehe!
Was haltet ihr von Undying?Candace: Geile Band!
Singt da wirkliche eine Frau auf dem aktuellen Album?Candace: Ja, das ist eine Frau. Ganz sicher.Mike: Sie hat eine wirklich tiefe Stimme, kaum zu unterscheiden von einem Mann. Echt brutal.
Nicht schlecht. Was habt ihr in den nächsten 12 Monaten noch so vor?Candace: Wir wollen so viel wie möglich touren. Hoffentlich mit vielen Freunden zusammen. Danach wollen wir uns ans Songwriting machen.
Dann vielen Dank auch für das Interview!Candace: Danke dir!Mike: Danke auch!
Das Interview führten Deniz und Thorsten N.
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