Geschrieben von Mittwoch, 23 Februar 2005 20:51

Killswitch Engage - Interview mit Mike D'Antonio zu "The End Of Heartache"


Review

Zu Killswitch Engage braucht man nicht mehr viele Worte verlieren. Die Anführer der Metalcore-Bewegung sind zurzeit der dicke Konsens in der gesamten Hard 'N Heavy-Szene. Das zeigte auch jüngst die allerorts umjubelte Europatour der fünf sympathischen Amerikaner, die natürlich auch vor Deutschland nicht halt machte. Wer die Reviews dazu liest, weiß, wie es um Band und Fans bestellt ist. Alle anderen Infos erhaltet ihr in diesem Interview, das BurnYourEars vor dem großartigen Auftritt in Köln mit einem gut aufgelegten Mike D'Antonio führte, seines Zeichen Bassist bei Killswitch Engage. 


Mike, 2004: War das das beste Jahr in deinem gesamten Leben?

(lacht) Ja, es könnte eines der besten meines Lebens gewesen sein! Ein ziemlich verrücktes Jahr, in dem der Band Dinge passiert sind, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie jemals eintreffen werden. Es war ein gutes und vor allem langes Jahr mit endlos vielem Touren.

Kannst du ein paar Höhepunkte nennen?

Für den Grammy in der Kategorie „Best Metal Perfomance" nominiert zu werden, war ziemlich spektakulär, woran ich nie im Leben geglaubt hätte. Auch dass wir die 200.000-Marke in Sachen Plattenverkäufen in den USA durchbrechen konnten, war phänomenal. Die Tour mit Slayer war definitiv ein Highlight meiner Karriere. Und so weiter... (lacht)

Gab es rückblickend aber auch vielleicht einzelne Tiefpunkte?

Das Negative war, dass ich nicht genug zu Hause sein konnte. Ich habe viel zu wenig meine Freundin und meine Katze gesehen. Ich bin in ein neues Apartment gezogen, von der ich oft gehört habe, das es ganz schön sein soll (lacht). Das ist so die Kehrseite der Medaille.

Verstehe. Nicht ganz unschuldig daran ist wohl der Metalcore-Boom in den USA und mittlerweile dem Rest der Welt. Kannst du dir diesen Aufschwung erklären?

Hm, das komische ist, dass es diesen Stil eigentlich schon seit mindestens zehn Jahren gibt. Die Meisten Bands waren schon lange, lange unter anderen Namen oder anderen Konstellationen aktiv. Unsere ersten Schritte zum Beispiel mit dieser Art von Musik begannen schon 1991. Es ist für uns also schon eher eine alte Geschichte, nur jetzt ist die Szene an die Oberfläche gelangt. Und den Grund für die große Popularität sehe ich in Hatebreed. Sie haben den Major-Labels gezeigt, dass man auch mit ihrer Art von Musik gut Geld machen kann. Dadurch, dass sie allein von einem Album mehr als 250.000 Einheiten verkauft haben, haben sich die großen Plattenfirmen plötzlich nach den ganzen kleinen Bands umgeschaut, die eine ähnliche Richtung einschlagen. Solche vorher recht unbekannten Combos hätten sonst gar keine Chance gehabt. Hatebreed haben die Tür aufgebrochen und wir haben den Fuß reingehalten, sodass niemand mehr die Tür schließen konnte. Shadows Fall, Lamb Of God und jetzt Unearth, As I Lay Dying oder Bleeding Through sind uns über diese Schwelle gefolgt. Das ist großartig!   

Was war eure Inspirationsquelle? Was haben alle genannten Acts gemeinsam?

Alles hat sich daraus ergeben, dass die USA eine Zeitlang die absolut schlechteste Metal-Szene überhaupt zu bieten hatte. Es war schrecklich, schrecklich und noch mal schrecklich, als die ganzen großen Metal-Bands mittelmäßige bis grottenschlechte Alben herausgebracht haben. Ich spreche hier von der Zeit um 1995, da kam echt nur Scheiße raus. Ich rede hier gar nicht unbedingt von Nu Metal, sondern eher von den traditionellen Bands. Niemand aus den Gruppen, in denen ich gespielt hatte, hat zu der Zeit überhaupt irgendwelches Ami-Metalzeug gehört, so schlecht war es hierzulande um harte Musik bestellt. Davon abgewendet, schauten wir alle rüber nach Schweden, wo uns Bands wie In Flames, Soilwork, Entombed und At The Gates schwer beeindruckten. Die Schweden griffen sich den stagnierenden Metal und führten ihn geradewegs zu einem höheren Level, so wie es eben sein muss. Die Acts, die du jetzt kennst und hörst, nahmen sich ihren Teil vom Schweden-Metal und fügten ihn in ihren eigenen Sound, der deutlich mit einem gewissen Hardcore-Underground-Feeling verbunden ist. Das ist also der Grund für den steigenden Erfolg: Altbewährtes nehmen, in etwas anderes Einfügen und daraus etwas Neues entwickeln...

Interessant. Heute scheint es teilweise andersherum zu laufen: Nicht wenige europäische Gruppen - auch traditionelle - versuchen ihre Musik mit geborgten Metalcore-Rezepten knackiger und moderner zu gestallten. Das ehrt euch doch bestimmt, oder?

Ja, absolut. Darum geht es doch im Metal: sich gegenseitig füttern, anstacheln, inspirieren und dieses Genre zu neuen Höchstleistungen führen. Es ist toll, dass sie uns etwas geben, und wir ihnen etwas zurückgeben können. 

Trotzdem behaupten Skeptiker, dass das Metalcore-Genre irgendwann abflachen wird, so wie das beim Nu Metal schon der Fall war. Was denkst du über solche Stimmen?

Ach, keine Ahnung. Es ist wie in jedem Musik-Genre. Wenn es nicht mehr gute Qualität abliefert, wird es aussterben. Deshalb muss ständig etwas passieren, ein Fortschritt erzielt werden und die Szene in schlechten Zeiten wieder zusammenrücken. Es ist schwer zu sagen, ob es überhaupt bis zum nächsten Jahr reichen wird. Wir selbst versuchen alles zu genießen, solange es gut läuft. Wir wissen aber auch, dass ein Genre nicht funktionieren kann, wenn es von schlechten Bands verwässert wird. Zurzeit sind aber ne Menge geiler Bands am Start, die allen in den Arsch treten können.

Für mich seid ihr für die New Wave Of American Heavy Metal das, was Iron Maiden in den frühen Achtzigern für die New Wave Of British Heavy Metal waren. Seht ihr euch selbst auch als Anführer?

Ach nee, über so was denken wir gar nicht nach, auch wenn es cool zu hören ist, in so einen Zusammenhang gebracht zu werden. Wir hören auch nicht viel auf die Presse oder so, Artikel und Reviews über uns lesen wir erst gar nicht. Wir leben in unserer eigenen Welt, in der wir auf die Bühne gehen, unser Ding durchziehen und wieder verschwinden ...und hoffentlich irgendwann wieder zu Hause ankommen (lacht).

Für wessen Erfolg eurer amerikanischen befreundeten „Konkurrenten" freut ihr euch denn am meisten?

Eigentlich für den von All That Remains. Die sind seit der Zeit, wo wir zusammen angefangen haben, richtig gut vorangekommen und vom letzten zu diesem Jahr noch mal ein gutes Stück. Sie haben sich zu einer richtig tighten Band gemausert. Wir sind hier auf Tour eine riesengroße Gemeinschaft zusammen mit All That Remains und auch Twelve Tribes. Wir haben zusammen echt eine menge Spaß!

Was hältst du denn von Sell-Out-Vorwürfen in eure Richtung von sogenannten „alten Fans"? Nervt es dich, dass Metal- und Hardcore-Fans so konservativ sind und oft an den Anfängen oder besser gesagt „den guten, alten Zeiten" hängen?

Yeah! Ich meine, die gesamte Basis der Harcore- und Underground-Hörer besteht aus den wahren Hard-Music-Snobs, die ihre Nase rümpfen, sobald sich etwas verkauft.Ich finde es sehr, sehr schade, dass Leute, die mit bestimmten Bands aufwachsen und sie begleiten, plötzlich die Nase nach oben strecken, nur weil diese Band schließlich das bekommen hat, was sie sich schon immer gewünscht hat: Annerkennung, genug Leute auf Konzerten oder ein bisschen Geld, um sich die Miete Leisten zu können. Es ist doch beschämend, dass die Leute deswegen einem den Rücken zukehren, anstatt mitzufeiern. Nach allem, was man in so einer Kariere durchmachen muss, wünschen sich im Prinzip alle Musiker, dass sie sich keine Gedanken um die Miete machen müssen, sondern mit dem weitermachen können, was uns, aber auch gerade den Leuten da draußen, am meisten Spaß macht: Musik! Glaubt mir, finanziell gesehen führen wir ein ganz normales Leben.

Jene Leute, die wir ansprachen, können bestimmt auch nicht nachvollziehen, warum ihr den Song „The End Of Heartache" für den Resident Evil 2 Soundtrack neu gemixt habt. Magst du persönlich diese neue Version?

Nein!

Nein? Warum habt ihr das Lied dann verändert?

Roadrunner wollte, dass wir eine möglichst gute Position im amerikanischen Radio bekommen. Wir wollten eigentlich keinen Track ändern müssen. Wobei man sagen muss, dass wir ihn gar nicht so stark verändert haben. Es ist ein 5-Minuten-Songs und solange Sachen werden unmöglich im Radio gespielt. So musste also der Song logischerweise um eine Minute gekürzt werden, was Roadrunner dann auch tat. Zwei Scream-Parts wurden in den Hintergrund geschoben. Howard (Jones, Sänger) ging noch mal extra ins Studio um ein paar hohe, melodische Gesangslinien neu aufzunehmen. Und alles nur, weil Roadrunner 250.000 Dollar ausgab, um einen einzigen Song ins Radio zu kriegen. Wenn also die Bosse da oben sich so viel Mühe machen und 250.000 Dollar für uns ausgeben, ist das Mindeste, was wir tun können, ihnen ein wenig entgegen zu kommen. Es ist eine geben-und-nehmen-Beziehung wie so ziemlich in jedem Job. Ob wir noch mal einen unserer Songs mit neuen Clean-Vocals aufnehmen würden? Absolutely not! Nie und nimmer machen wir das! Die wollten jetzt auch „Rose Of Sharon" als eine Radio-Edition veröffentlichen, und dieses Lied hat fast nur Screams drin. Wir haben gesagt, dass wir keinen Ton von diesem Song verändern werden. Die sagten daraufhin „OK, ihr habt das mit einem Song gemacht, ihr seid einen Kompromiss eingegangen, die Leute kennen euch jetzt, ihr müsst den Scheiß nicht unbedingt noch mal durchmachen."

Hoffentlich...

Hoffentlich! Ja, echt, das war beschissen und hat uns auch enttäuscht, aber gleichzeitig ist ja auch keine gravierende Veränderung auszumachen.

Nun gut, vermisst ihr das Gefühl der Unabhängigkeit? Steht ihr momentan nicht sehr unter Druck?

Nein, die Jungs von der Plattenfirma reden uns, bis auf Ausnahmen, so gut wie gar nicht rein oder wir hören nicht auf sie (lacht). Es ist letztendlich besser viele Leute um einen herum zu haben, die zu dir halten als gar niemanden. Unsere alte Band musste jahrelang erfolglos kämpfen, weil sie keinen Support bekam. Jetzt haben wir ihn. Es ist eher ein gutes als ein schlechtes Gefühl. 

Würdest du vom heutigen Standpunkt irgendetwas an „The End Of Heartache" ändern oder dir wünschen, ihr hättet es anders gemacht?

Keine Ahnung. Alben stehen für sich. Das ist auch der Grund, warum wir niemals Jesses (Jesse Leech, Ex-KSE-Sänger) Stimme von den ganzen alten Alben rausnehmen und sie mit Howards Gesang neu veröffentlichen würden. Ein Album spiegelt den damaligen Zustand der Band  wieder und das sollte man nicht zerstören. Es ist wie ein Bild, mit all den Gefühlen und Fähigkeiten, das man einfängt. Man muss nach vorne schauen. Sonst könnte man immer sagen „ich hätte das und das besser machen sollen". Oft gefallen mir meine Design-Entwürfe im Nachhinein auch nicht, aber man muss es einfach laufen lassen.

Gibt es schon Pläne oder Ideen für das nächste Album?

Nein, kein Stück. Wir haben noch nicht mal darüber gesprochen. Wir sind echt schon seit der Veröffentlichung der letzten CD nonstop auf Tour und das geht noch beinahe ohne Unterbrechungen bis Ende April so weiter. Das schlaucht ganz schön! Das letzte, was wir tun wollen, ist, die Gitarren nehmen und ein neues Album schreiben (lacht). Ich versichere dir, dass wird garantiert nicht vor nächsten September passieren.Es steht noch eine DVD an, die Roadrunner rausbringen möchte. Gerne, aber wir wollen nichts überstürzen und halbfertigen Mist raushauen. Dann lieber gar nicht. Die wollten die DVD für September, wir haben auf Dezember plädiert. Wir haben so viele Shows wie möglich auf Videotape gebannt und bringen das dann für die DVD zusammen. Mal sehen, was daraus wird. Sonst steht nichts an. Ach ja, gerade wurde „The End Of Heartache" als Doppel-CD rereleased mit zwei unveröffentlichten Bonustracks, Live-Stücken von der letzten Tour und unseren letzten Videos.  

Was anderes: Adam, Joel und Justin haben jeweils Musik studiert. Könnten die Jungs einen perfekten Pop-Rock-Hit schreiben oder sogar in einer Band wie Dream Theater spielen?

Ja, absolut! Besonders Adam und Joel. Zu 100 Prozent! Das ist auch das Tolle an meinem Job. Ich habe Musik nie an einer Schule gelernt, sondern mir alles selbst beigebracht. Ich bin auch eher ein Designer als ein Musiker. Aber ich habe bestimmt 100 neue Sachen von den anderen Jungs gelernt, allein nur durch Zuhören und Zuschauen. Die drei sind echt genial. Ich lerne ständig dazu, und das macht die Arbeit so schön. Wenn du aufhörst zu lernen, wird's langweilig. Aber das kann in dieser verrückten Band niemals passieren (lacht). 

Das hört man doch gerne! Möchtest du abschließend noch etwas loswerden?

Geht auf www.killswitchengage.com. Wir schreiben ständig von der Tour aus, was bei uns so abgeht, also schaut vorbei!