Die DEFTONES zählten schon von Anfang an als größte Supporter der ebenfalls aus Sacramento stammenden WILL HAVEN. Und so verwundert es nicht, dass die reanimierte Postcore-Legende ihr Live-Comeback in Europa im Vorprogramm von Chino und Co. feiern darf.
Nach ihrem letzten, wunderbar düsteren Monolithen „Carpe Diem" aus dem Jahr 2001 schien es, als würde eine der brutalsten und gleichzeitig trendfreisten Kapellen dieser Erde für immer „bye bye" sagen. Doch Pustekuchen: WILL HAVEN sind zurück! Mit neuem Sänger, bald einem neuen Album und vor ihrer Show im Kölner E-Werk frischen Neuigkeiten für BurnYourEars. Bassist Mike Martin, Gitarrist Jeff Irwin und Grady-Avenell-Ersatz Jeff Jaworski (früher Sänger bei RED TAPE) standen Rede und Antwort.
Frage an die Originalmitglieder: Wie fühlt es sich an, mit WILL HAVEN wieder auf der Bühne zu stehen?
Martin: So wie immer eigentlich. Jeder fühlt sich wohl dabei. Die Rock-N-Roll-Maschine funktioniert wieder (lacht).
Habt ihr nach der Auflösung jemals dran geglaubt, dass diese Band irgendwann wieder zusammen spielen wird?
Martin: Der Kern der Band, Jeff (Irwin), Mitch (Wheeler; Schlagzeug) und ich waren nachher noch in verschiedenen Projekten aktiv und standen ständig in Kontakt zueinander. Irgendwann saßen wir wieder zusammen und haben Songs geschrieben. Das war cool, denn schließlich kennen wir uns schon seit Ewigkeiten. Es entwickelte sich also ganz natürlich.
Was war aber der Ausschlaggebende Punkt, WILL HAVEN wiederzubelen?
Martin: Nun, WILL HAVEN war nun mal immer noch die am längste aktive und auch beste Band, in der wir gespielt hatten. Wir wollten das nicht so schnell aufgeben. WILL HAVEN ist halten vielen Leuten noch ein Begriff, wir müssen also nicht bei Null anfangen.
Gab es dennoch Einflüsse von außen? Die Familie zum Beispiel oder ein Chino Moreno, vielleicht auch das Geld?
Martin: Oh ja, Gradys (Avenell; Ex-Sänger) Bruder war verantwortlich dafür, dass wir uns wieder ernsthaft Gedanken über diese Band gemacht haben. Er hat Grady angeschubst, wieder mitzumachen. Also, mein Dank geht raus an Scott Avenell.
Kurz nach eurer Reunion und einigen Shows ist Grady Avenell direkt wieder ausgestiegen. Hat er seine Entscheidung so schnell wieder bereut?
Martin: Jein, da stecken familiäre Gründe hinter. Er hat ein tolles Jobangebot bekommen, das er nicht abschlagen konnte. Was auch verständlich ist, da er eine Frau und zwei Kinder hat, die er versorgen muss. Mit WILL HAVEN kann man kein Geld machen. In schlechten Zeit mussten wir sogar draufzahlen. Eine Woche später ist aber glücklicherweise Jeff (Jaworski) für ihn eingesprungen.
Und wie kam es dazu?
Jaworski: Schon damals als WILL HAVEN im Jahre 2003 auseinanderbrachen, fragte mich Jeff, der Gitarrist, ob ich nicht bei ihnen singen möchte. Doch zu der Zeit wurde gerade meine Band RED TAPE unter Vertrag genommen und wir nahmen bereits ein Album auf. Ich lehnte ab, da ich mir die Belastung, in zwei Bands aktiv zu sein, nicht antun wollte. Außerdem fühlte ich mich nicht gewachsen, in Gradys Fußstapfen zu treten. Er war immer schon ein Einfluss für mich. Ich habe zu ihm aufgeschaut. Aber als sie mich vor einigen Monaten wieder fragten, ob ich wenigstens bei der Tour im Vorprogramm der DEFTONES singen wollte, war ich total begeistert von der Idee. Da hatten die Jungs bereits einen neuen Plattenvertrag, mussten also ein neues Album aufnehmen, jedoch fehlte ihnen eben ein Sänger. Als ich hörte, dass Shaun Lopez (ex-FAR) und Chino Moreno (DEFTONES) das Album produzieren werden, konnte ich auch das Angebot nicht abschlagen. Was für eine großartige Vorstellung! Mit Shaun bin ich quasi aufgewachsen. Als wir zusammen im Studio waren, ging alles ziemlich schnell. In einheinhalb Monaten haben wir alle Songs geschrieben. So lange brauche ich normalerweise für einen einzigen, haha! Es lief alles sehr entspannt und natürlich. Die Jungs sind meine Freunde und ich fühle mich bereits pudelwohl. Auch mit der Musik und dem Stil konnte ich mich schnell anfreunden, schließlich bin ich WILL-HAVEN-FAN seit ihrem ersten Album.
War es nicht trotzdem schwierig, auf diesen Gesangsstil umzusteigen? Bei RED TAPE hast du auch viel geschrieen, aber punkiger und melodischer.
Jaworski: Richtig, RED TAPE war schneller Punkrock, aber die Vocals waren schon ziemlich aggressiv. Es gab Parts bei RED TAPE, die klangen wie auf einem WILL-HAVEN-Album, und umgekehrt. Zudem haben wir die gleichen musikalischen Einflüsse. Nicht zu vergessen, dass ich auf „WHVN" (1999) bereits Gastvocals für die Jungs beigesteuert hab und auf einer Tour auch Bass bei ihnen spielen durfte. Der Einstieg war also sehr einfach für mich.
Was ist eigentlich mit RED TAPE passiert?
Jaworski: RED TAPE wurde irgendwann zu einer reinen Wochenend-Band. Wir haben in der Woche gearbeitet und geprobt und nur noch am Wochenende Shows gespielt. Wenn es hoch kam, 2-3 Wochen im Jahr. Wir hatten nie eine große Fanbase oder viel Geld zur Verfügung. Es war von Anfang an für RED TAPE schwer. Der Plattenvertrag mit Roadrunner ging in die Hose. Zwei Wochen nachdem unser Album bei ihnen erschien, haben sie das komplette Marketing-Budget für uns gekappt. Wir waren nie ein Promotion-Schwerpunkt für die. Stattdessen landeten wir als Punkrockband auf irgendwelchen Compilations mit STONE SOUR und anderen Metalbands. Andererseits haben wir Laptops und einen Van von ihnen bekommen, haha. Und wir konnten mit Bands wie den BAD BRAINS auftreten! Ohne diese Erfahrungen, die ich damals gemacht habe, könnte ich wahrscheinlich nicht meine Aufgabe für WILL HAVEN erfüllen. Hat also alles etwas Positives.
Was könnt ihr mir zum neuen Album verraten? Wie weit seid ihr?
Jaworski: Das neue Album wird „Hierophant" heißen. Wir haben den Stil von WILL HAVEN noch weiter nach vorne getrieben. Die ultrabösen, tiefen Gitarren sind immer noch da, aber das Album klingt epischer und beängstigender als alles, was WILL HAVEN je gemacht haben. Für einige Demos hatte Grady bereits seinen Gesang aufgenommen, ohne jedoch echte Lyrics dafür zu schreiben. Ich konnte also seine Ideen übernehmen und eigene Texte schreiben. Alle anderen Songs sind komplett von mir. Auch Shaun Lopez ist dafür mitverantwortlich, dass wir einen großen Schritt nach vorne gemacht haben. Vorher hatten WILL HAVEN immer den gleichen Produzenten. Diesmal konnten wir auch neue Wege gehen. Es werden elf Songs auf dem Album zu hören sein.
Gibt es schon einen Release-Termin?
Martin: Wahrscheinlich wird es Anfang Juni erscheinen.
WILL HAVEN klangen schon immer irgendwie zeitlos. Gab es trotzdem aktuelle Bands oder musikalische Strömungen, die euch beim Songwriting beeinflusst haben?
Jaworski: Ehrlich gesagt: nein. Denn alle Einflüsse, die wir früher hatten, sind auch heute noch unsere Hauptinspiration. Zum Beispiel NEUROSIS oder David-Lynch-Filme. Es gibt für mich heute auch nicht so viel gute Musik da draußen. Ein Grund mehr, mit WILL HAVEN wieder aufzutreten und ein Album zu machen. Wir wollen die Musik spielen, die wir selber gerne hören würden.
Also finden Melodien immer noch keinen Platz in eurer Musik?
Jaworski: Naja, ich hab auch das melodische Singen drauf. Das hab ich auch bei den neuen Songs ein wenig eingebracht. Aber eher unauffällig, nicht nach einem Schema, wie es soviel Bands heutzutage tun.Martin: Außerdem wird es einige coole Back-Up-Vocals geben.
Wie war es, mit Shaun Lopez und insbesondere mit Chino Moreno zusammen im Studio zu arbeiten?
Martin: Mit Shaun konnten wir einige neue Sachen ausprobieren. Durch ihn klingt das neue Album aber auch wesentlich strukturierter als es bei unseren alten der Fall war. Und Chino war einfach da, um uns zu helfen, Songideen beizusteuern. Er hat uns einfach ein bisschen über die Schulter geguckt. Man sollte seine Rolle aber nicht überbewerten, wie es die Presse gerne tut. Im Prinzip waren die Songs schon fertig, als wir ins Studio gingen. Aber es war schon cool, ihn an unserer Seite zu haben.
Gibt es Gastvocals von Chino?
Martin: Nein, nicht von Chino. Aber Shaun hat einige Sachen eingesungen. Außerdem haben wir Gesang von einer Dame einer befreundeten Band aufs Album genommen. Ihr dürft gespannt sein, haha.
Hattet ihr während der Tour auch mal das Gefühl, dass die Leute euren Namen gar nicht mehr auf dem Schirm haben oder die Kids bereits eine ganz andere Generation darstellen?
Martin: Nun, die Tour läuft super. Ich könnte mir nichts besseres für uns vorstellen. Aber klar, wir sind es eigentlich gewohnt, in kleinen Clubs voll mit WILL-HAVEN-FANS zu spielen. Ich lass das mal Jeff beantworten.
Irwin: Wir sind erst das dritte Mal in Europa. Vorher waren wir mit FEAR FACTORY und schon einmal mit den DEFTONES hier. Es hat sich nicht viel für uns geändert. Die Shows sind gut, aber wir müssen uns vielen Leuten erst noch vorstellen. Wir haben einfach noch nie zu irgendeiner Szene gepasst. Die Fans, die wir haben, gehen dafür umso steiler.
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