Dieses Jahr feiert ihr das 30-jährige bestehen von GIRLSCHOOL. Wie geht es euch nach so langer Zeit?
30 Jahre sind für jede Band eine sehr lange Zeit. Ich bin immer noch „die Neue“, dabei bin ich schon seit über zehn Jahren in der Band. Es macht uns immer noch Spaß, zusammen Musik zu machen. Und so lange das so bleibt, werden wir nicht aufhören.
Ihr seid im Moment auf Tour. Wo denn gerade?
Wir haben gerade vier Tage in Berlin verbracht. Die Listening-Session von SAXONs neuem Album, ein paar Parties und ein Konzert. Jetzt haben wir zwei Tage frei, bevor wir uns auf unsere 16 Termine umfassende Europa-Tour machen. Wir eröffnen die Tour mit einer Show in Holland, und ich kann es kaum noch abwarten. Alle Daten kannst du auf unserer Homepage und unserer MySpace-Seite finden.
Wie ist die Reaktion auf eure Auftritte? Gehen vorwiegend eure alten Fans zu euren Konzerten oder habt ihr das Gefühl, auch jüngere Fans für euch zu gewinnen?
Wir waren selbst sehr überrascht über unser Publikum. Wir haben eigentlich eher mit älteren Fans gerechnet, aber heutzutage haben wir ein überwiegend junges Publikum, was toll für uns ist.
Gibt es einen Unterschied zwischen dem Publikum in verschiedenen Ländern? Wo spielst du am liebsten?
Das Publikum ähnelt sich eigentlich sehr, egal wo wir auftreten. Es ist in jedem Land toll, den Enthusiasmus der Rock-Fans zu sehen. Das größte Publikum haben wir wohl in Deutschland. Da liebt man einfach Rockmusik.
Lass uns über euer neues Album reden. Ich finde, es klingt sehr traditionell, besonders die Gitarren und das Schlagzeug. Habt ihr versucht genau wie früher zu klingen, oder ist es einfach so passiert?
Wir haben nie versucht. nach etwas Vorbestimmten zu klingen. Wir spielen einfach, wie wir spielen. Wir haben einen tollen Produzenten und Toningenieur namens Tim Hamill, der uns versteht und unseren Sound kennt, aber dabei auch darauf achtete, dass die Produktion zeitgemäß klingt.
Die meisten Stücke sind auch sehr traditionell arrangiert. Viele klingen sehr heavy, andere fast ein bisschen nach Punk. Obwohl ihr immer der NWoBHM (New Wave of British Heavy Metal) zugeordnet wurdet, habt ihr nie geklungen wie die anderen Bands dieser Ära. Wie würdest du euch einordnen?
Wir sind eine Rockband mit vielen verschiedenen Einflüssen. Wir haben drei Songschreiber in der Band, die alle von sehr unterschiedlichen Bands beeinflusst sind, alt und neu, Rock und Punk.
Der einzige modern klingende Song auf dem neuen Album ist „Whole New World“, mit einer Art Rap-Gesang. Das passt überhaupt nicht zum Rest des Albums?
(lacht) Na ja, jeder hat einen anderen Geschmack, und wie gesagt, haben wir drei Schreiber in der Band. Dieses Stück habe ich geschrieben und dann an Enid (Williams, Gesang und Bass) weitergegeben, die die Gesangsmelodie und den Text geschrieben hat. Das ist eben die Art, wie sie den Song interpretiert hat.
Es gibt auch einen Song über die im letzten Sommer verstorbene Kelly Johnsen, der das Gefühl vermittelt, dass ihr Tod eine große Lücke in der Band hinterlassen hat.
Kelly war ein wichtiger Teil unseres Lebens als ursprüngliche Gitarristin, aber vor allem eine gute Freundin. Ich habe die letzten sieben Jahre mit Kelly zusammen gewohnt, und wir standen uns sehr nah. Als sie starb, schrieb ich „Legend“ um ihr Leben zu ehren. Es gibt noch einen Song namens „On The Other Side“, den Kim (McAuliffe, Gitarre und Gesang) und ich über sie geschrieben haben und das Lied „Just Another Day“, bei dem ich auch an Kelly gedacht habe.
Das Album wurde nur einige Monate nach Kellys Tod geschrieben, und so haben wir den Verlust noch sehr stark gefühlt und Kim und ich haben darüber geschrieben. Das war für uns eine gute Therapie.
Ihr haltet euch auch mit eurer Meinung über politische Themen nicht zurück. In „Spend, Spend, Spend“, übrigens einer meiner Lieblingssongs auf dem Album, geht es um das sinnlose Konsumieren mit geliehenem Geld. Im Moment können wir das Ergebnis dieses Verhaltens weltweit sehr gut sehen. Denkst du, das ist eines der Hauptprobleme unserer Gesellschaft?
Ja. Schon komisch, wie aktuell der Song auf einmal ist. Enid hat diesen Song schon vor einiger Zeit geschrieben, aber wie du sagst, ist er heute relevanter als jemals zuvor.
Ein anderer Song, über den ich gerne sprechen würde, ist „I Spy“. Seit der „Krieg gegen den Terrorismus“ ausgerufen wurde scheint alles möglich zu sein, von dem viele Konservative schon immer geträumt haben.
Dieser Song kam zustande, weil Kim und Enid eine sehr ausgeprägte Meinung zu den CCTV Kameras haben (Überwachungskameras im öffentlichen Raum, wie sie in einigen englischen Städten eingesetzt werden. Neben der allgemeinen Überwachung öffentlicher Plätze können auch Funktionen wie Gesichtserkennung eingesetzt werden).
Ich habe die Musik in meinem Studio geschrieben und fand, dass es ein bisschen nach BLACK SABBATH klang. Dann habe ich es an Kim und Enid weiter geleitet, die den Text verfasst haben, und auch hier lagen wir wohl sehr nah an der Realität.
Wie kam es, dass DIO und Toni Iommi einen eigenen Mix des Songs angefertigt haben?
Na ja, wir haben den Song geschrieben und aufgenommen, und als wir uns die Aufnahmen anhörten fanden wir, dass er gut zu DIOs Stimme passen würde. Wir hatten bereits einige Gastmusiker auf dem Album, also schickten wir ihm die Aufnahmen, um zu sehen, ob sie ihm gefallen würden. Sie taten es, auch Toni Iommi. Wir hatten unsere Version bereits fertig, also dachten wir uns, wir könnten einfach zwei verschiedene Versionen mit unterschiedlichem Gesang auf das Album nehmen. Auf der GIRLSCHOOL-Version ist noch ein Gitarrensolo von Phil Campbell (MOTÖRHEAD), der eines Tages bei uns im Studio war und den Song gemocht hat. Wir haben also wirklich komplett unterschiedliche Versionen auf der Platte.
Ihr habt auch eine Coverversion von MOTÖRHEADs „Metropolis“ auf dem Album, bei dem ihr von einigen (teilweise ehemaligen) MOTÖRHEAD-Musikern unterstützt werdet. Ihr hattet ja schon immer eine besondere Beziehung zu dieser Band.
Wir wurden gefragt, ob wir ein MOTÖRHEAD Cover für eine Veröffentlichung ihres Fanclubs in diesem Jahr aufnehmen wollten. Wir wählten „Metropolis“, weil wir den Song alle mögen. Wir wurden gebeten, eine deutlich andere Version zu machen, aber als wie sie eingespielt hatten, klang sie doch sehr ähnlich und unser Produzent musste für die Compilation einen anderen Mix anfertigen..
Dann haben wir Fast Eddie (Ex-MOTÖRHEAD-Gitarrist) gefragt, ob er ein Solo für uns aufnehmen würde. Er tat es und wir beschlossen, den Song auf das Album zu nehmen. Dann emailte ich Phil, als wir in einem Studio in Wales aufnahmen, das nur einige Kilometer von seiner Heimat entfernt liegt. Er kam mit seinen beiden Söhnen einen ganzen Tag zu uns ins Studio, spielte zu etwa füng Songs Soli ein und meinte, wir könnten davon benutzen, was uns gefällt.
Und Lemmy war natürlich sowieso unsere erste Wahl, wenn es um einen Gastmusiker geht. Immerhin haben beide Bands eine lange gemeinsame Geschichte. Er schickte mir eine Nachricht in der er fragte, welche Art der Unterstützung wir wollten: Bass, Gesang, Mundhamonika, Triangel…Und natürlich schickte ich ihm eine Antwort, in der ich die Triangel auswählte, und auch das spielte er ein. Genial!
Sehr gefallen hat mir auch „Zeitgeist“. Wie kommt es zu den deutschen Textteilen?
Enid hat die Texte zu diesem Song geschrieben. Ihre Mutter kommt aus Deutschland und sie kann ein bisschen Deutsch.
Lass uns über die Zukunft von GIRLSCHOOL sprechen. Der Albumtitel klingt ein wenig nach Abschied.
Kein Abschied im eigentlichen Sinn. Wir werden so lange weiter machen, bis es uns keinen Spaß mehr macht. Eine Karriere von 30 Jahren ist etwas ziemlich Seltenes im heutigen Musikgeschäft. Der Name „Legacy“ (Vermächtnis) bedeutet eher, dass wir eine tolle Zeit hatten und egal was jetzt kommt, dieses Album eines ist, an das sich die Leute erinnern werden. Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr auf der ganzen Welt auftreten können.
Noch irgendwelche letzten Worte an unsere Leser?
Vielen Dank an alle, die uns über die Jahre unterstützt haben. Ich hoffe, wir sehen euch bald.
Geschrieben von Thorsten Freitag, 17 Oktober 2008 23:38
Girlschool - Interview mit Gitarristen Jacky Chambers zu "Legacy"
Die englische All-Girl Rock-Institution GIRLSCHOOL hat dieses Jahr allen Grund zum Feiern. Neben dem neuen Album „Legacy“ steht das 30-jährige Bandjubiläum an. Gitarristin Jacky Chambers stellt sich aus diesem Anlass den Fragen der BurnYourEars Redaktion.
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