Hola S., manch Begeisterter kennt Euch schon, viele, die sich noch begeistern lassen müssen, noch nicht. Lass uns mal so anfangen: Ich habe eine Platte der Black-Metal- Wüstlinge WATAIN, „Casus Luciferi". Der Eröffnungstrack heißt „Devil's Blood" und das Artwork zeigt u.a. eine umgedrehte Pyramide und „Das Auge der Vorsehung"; beides wird in abgewandelter Form auch von Euch benutzt. Sicher kein Zufall. Erzähl uns bitte ein bisschen über eure Beziehung. Mal abgesehen davon, dass E. ( = Erik Danielsson) den Text für "The Yonder Beckons" verfasst hat.
Ich würde sagen, dass mich in all den Jahren der Suche und dem Abschaben der Häute meiner Persönlichkeit nur wenige Dinge so sehr, so grundlegend und auf so hinterhältige Weise inspiriert haben, wie WATAIN. Diese Band und viele andere, die derselben Szene angehören wie DISSECTION, haben mich für immer auf jenen Pfad geschickt, der zwar ohnehin vor mir lag, aber den ich nur unter großer Vorsicht betreten habe, den ich aber nun furchtlos beschreite.
Nach einer Weile des Komponierens entschied ich, dass THE DEVIL'S BLOOD das angemessene Banner sei, unter dem ich die Sachen jenen bekannt machen wollte, die zuhören würden.
Der letzte Vers von WATAINs "Devil's Blood" geht so: "The Devil's blood, the curse of salvation, the odious essence of his holy revelation from the tongues of the serpent into chalices three, the Devil's blood runneth through me!" Das ist ein Statement, das du ohne Zögern unterschreiben würdest? Und Deine Musik ist so ein „Fluch der Erlösung"?
Oder eine Segnung der Verdammnis, ja.
Du bist bekennender Satanist? Was heißt das für Dich? Und bist Du eher dieser ältere Typus, der antichristliche Metaphysiker, oder eher der moderne Vertreter – ein Atheist, der Satan als Metapher benutzt für ... ääh ... hedonistischen, sozialdarwinistischen Individualismus?
Ich bin ein antinomischer anti-kosmischer Satanist. Anders gesagt, ich glaube u.a. an die finsteren Kräfte, die von Sithra Ahra durch den Einfluss von Qliphoth ausgehen. Wie auch immer die Dogmen und Doktrinen lauten, die mit diesen Begriffen verknüpft werden, ganz allgemein zielen sie in eine Richtung des Antinomismus, bedeutet: in Richtung einer gesetzlosen Offenheit. Hier ist Satan das Gegenbild zu jedem Gesetz und jeder Moral. Zugleich ist Luzifer der Bringer der Weisheit, die den Geist des Lernenden befreit. Ich teile die Welt nicht in Gut und Böse ein, weil diese Begriffe für mich all ihren intrinsischen, wesentlichen Gehalt verloren haben.
Deshalb kann ich relativ frei über die Zeit, die ich hier in diesem Schmutz des Universums zubringen muss, verfügen. Und zwar in der Gewissheit, dass all meine Taten durch die Anwendung von Chaos in meinem alltäglichen Leben die Grenzen der Realität einreißen und so das Kali Yuga fördern und verstärken. Hedonismus ist ein wichtiger Teil dieser Praxis.
Aber ich habe auch gelernt, dass oftmals eine gewisse Ordnung und Disziplin durchaus im Einklang mit den Ursachen des Chaos ist. Und hierin liegt ein schönes Paradoxon, das ich sehr schätze. Widerspruch und Paradoxon sind meine beiden wichtigsten Begleiter und Inspirationsquellen.
Um auf diesen Darwinismus zu sprechen zu kommen: Zumindest was seine Anwendung auf Gesellschaft betrifft, interessiert mich das überhaupt nicht; das geht eher in den Bereich der Soziologie als alles andere. Solche Sachen interessieren mich generell nicht mehr.
Trotz Okkultismus / Satanismus: Deine Musik ist nicht schwarz, wie man wohl erwarten würde, sondern sehr farbig. Ein bisschen geleitet von der NWoBHM, mehr schon von älterem Heavy Rock, am meisten von diesen psychedelischen Okkult-Rock-Bands der späten 60er wie COVEN, BLACK WIDOW und THE13th FLOOR ELEVATOR. Das ist mal definitiv nicht state-of-the-art in Sachen musikalischer Satanismus / Okkultismus – was macht dieses 60er Zeug für Dich so interessant?
Wenn es um Musik geht, empfinde ich es als völlig idiotische Einstellung, dass satanische Musik Metal sein muss. Die Farben, die wir Dir mit unserer Musik zeigen können – und, ja, unsere Musik ist bunt – sind die vielen verschiedenen Farben des Todes. Verfall und Verrottung enthalten Myriaden von Farbtönen in Gelb, Grün, Braun und manchmal auch Blau und Violett. Sie alle sind stark und dynamisch in der okkulten Tradition.
Ebenso sind Geruch und Aussehen des Todes alles andere als bloß total Schwarz. Ich höre viele verschiedene Musikstile und liebe diverse Perioden des Rock'n'Roll, aber die Spontanität (oder wieder: die Gesetzlosigkeit), die THE DEVIL'S BLOOD auszeichnet, wird von dieser Musik bestimmt und keiner anderen. Es war nie geplant zu machen, was ich mache. Es war nie ein Ziel, wie dies oder das zu klingen. Ich habe schlicht meinen Geist geöffnet und das Tor darin ... und empfangen, was im Moment dadurch kam. Hail Satan!
Versuch' mal bitte, einem heutigen Hörer zu erklären, der nie „Death Walks Behind You" von ATOMIC ROOSTER gehört hat (das allerdings mal von PARADISE LOST als Single B-track gecovert wurde) ... oder "Bloody Hammer" von ROKY ERICKSON, was THE DEVIL'S BLOOD eigentlich so machen.
Good fucking music, die jenseits der Seele entspringt. Unerwachsener Rock'n'Roll mit einem tiefen Sinn für Spiritualität. Einen Wirbelwind! Eine große Wolke! Ein wütendes Feuer! Musik, die etwas bedeutete, als sie gemacht wurde, und die etwas bedeutet, solange es diese Welt gibt und darüber hinaus. Eine Kunst, die Bestand hat, ob mit oder ohne Publikum.
Bin ich auf dem Holzweg, wenn ich Dich einen Apostel des Chaos und Individualismus nenne? Was ist die fundamentale Botschaft des Apostels S.L.? Vor dem Ballroom in Hamburg sagtest Du zu mir, dass die Texte tatsächlich etwas mitzuteilen haben, von dem Du Dir wünschst, dass die Hörer das mitbekämen.
Nein, ich bin kein Apostel, denn das impliziert, dass ich mich hinter einem Messias eingefunden hätte. Und einen messianischen Zug habe ich auch nicht. Ich glaube aber, dass meine Musik und meine Texte für manche nützliche Werkzeuge darstellen könnten, um ihren Leben zu entfliehen, die sie krank machen. Viele im Feuer Geborene liegen in Fesseln aus verkrusteten Moralvorstellungen und Indoktrinationen, die ihre feurigen Seelen überlagern. Ich weiß das, ich war auch mal so. Deswegen möchte ich die Botschaften auch nicht darlegen, weil jeder seinen eigenen Weg finden muss, und nicht zwei Wege auf dieser Reise sind genau gleich.
Neben dem Chaos betonst Du oft den Individualismus, so auch eben gerade. Hilf mir mal, das am modernen Satanismus zu verstehen, denn die Begriffe Chaos und Selbstbestimmung schließen sich ja eigentlich aus.
Individualismus interessiert mich nur insofern, als er meinen Umgang mit der Welt als Ganzes betrifft. Chaos ist der Weg, den ich qua Selbstbestimmung gewählt habe, mit ihr umzugehen. Ich sehe darin keinen Widerspruch und falls da einer ist, ist er irrelevant, denn im chaotischen Geist gibt es nichts, das sich gegenseitig ausschließt. Alle Paradigmen verlieren hier ihr Fundament und verschwimmen ...
Aus heutiger Sicht ist Eure Musik ziemlich charmant und irgendwie ungewöhnlich "sexy". Wie wichtig ist Erotik für THE DEVIL'S BLOOD?
Die weibliche sexuelle Energie ist reichlich in meiner Arbeit. In unserem Umgang mit Qliphoth müssen wir erst den Blutdurst und den Spermahunger der Dunklen Mutter stillen! Hail Lilitu! Das wird oft in der modernen Musik vergessen, weshalb sie oft so entgeistigt, öde und ohne Sex-Appeal ist. Ohne Energie. Und deswegen ist sie auch ohne Bedeutung. Musik war traditionell eine sehr sinnliche Sache und ich bin froh, dass es mir scheinbar geglückt ist, diese Tradition aufleben zu lassen und dass meine Musik diese Sinnlichkeit rüberbringt.
Wie groß ist der Anteil Deiner Schwester an dieser Sinnlichkeit? Und war es von Anfang an klar, dass F. den Gesangspart übernehmen sollte / würde? Es ist Eure erste gemeinsame Arbeit, glaube ich. Übrigens, was sind THE DEVIL'S BLOOD eigentlich – eine Band, ein Familienprojekt mit Gästen?
THE DEVIL'S BLOOD sind mein Vehikel, etwas (Un)Sinniges aus den Sachen zu machen, die ich (nicht) gelernt habe. F. war die logischste und einfachste Wahl, bedenkt man unsere enge Beziehung, die von tiefer, gegenseitiger Liebe und ungezügelter Aggression und Hass geprägt ist. Die Verbindung ist so stark, dass man sagen könnte, dass nur sie in der Lage wäre, meine Worte auszudrücken. Ohne sie oder mich gäbe es keine TDB. Vielleicht sind wir einander unser jeweiliges Yin oder Yang, aber niemals nur der oder die Eine.
Auf "Come, Reap" gingen die Credits an IX & VRDBR von dem Black-Ambient-Projekt URFAUST. Wer half diesmal im Studio, waren das dieselben Leute, die Du mir nach dem Gig im Ballroom vorgestellt hast, denn leider war ich nicht mehr ganz fit ...?
Nicht wichtig.
Na dann. Reviews für die Single und die EP waren durch die Bank überwältigend, und Live-Reviews lesen sich wie die Protokolle von Götzendienern. Was hältst Du von der Euphorie? Und sind THE DEVIL'S BLOOD die Band, die die Massen wieder zu den Wurzeln zurückführt, das „next big thing"? Ich schätze mal, dass Dir das egal wäre, aber das war nicht die Frage.
Hahaha, ja, da hast Du sowas von Recht. Das ist mir völlig egal. Ganz ehrlich, nicht im Entferntesten verschwende ich einen Gedanken an solche Möglichkeiten. Lass mich das so sagen: Ich habe das Gefühl, dass wir auf dieser wilden und seltsamen Reise noch mehr Musik, mehr Texten begegnen werden. Also werden wir sehen, was daraus wird. Ich versuche im Jetzt zu leben, sofern es die Band betrifft. Und jetzt ist die Zeit von „The Time Of No Time Evermore".
Heutige Musiker würden eher auf den Black- oder Doom-Metal-Zug aufspringen, um satanische oder okkulte Ideen zu transportieren. Hast Du je daran gedacht, dasselbe zu tun?
In früheren Jahren habe ich mich auf dem Gebiet ausgetobt und mache es später vielleicht wieder. Es hängt alles davon ab, was mir die Musen der Hölle zutragen. Ich habe eine tief verwurzelte Liebe für diese Stile, und ich würde sie gerne in meine Musik einbauen. Aber wenn es ans Kreative geht, habe ich schlicht nicht mehr die Zügel in der Hand. Kreativität ist eine Hure, die auf einen Ritt zu mir kommt und mich leer, verschrammt und wund zurücklässt, und mit der Kunst der Enthüllung. Ich habe keine Ahnung, wann sie das nächste Mal kommt und was sie bringen wird. Diese Unsicherheit macht alles noch viel interessanter, meinst Du nicht?
Du nimmst dieses okkulte Ding ziemlich ernst. Welche Auswirkungen hat das auf Dein tägliches Leben? Mal abgesehen davon, dass es Dich inspiriert, Musik zu machen. Praktizierst Du z.B. irgendwelche Rituale, off-stage meine ich?
Ja ... in Form von Studien, Gebeten, Mantras, Ritualen und praktischen Übungen. Das hat mich völlig verändert, mich noch weiter von der Menschheit entfernt und mich zu einem halben Einsiedler gemacht. Es brachte mir Wahnsinn, Einsicht, Offenbarung, Verwirrung, Wahrheit, Lügen, Lügen in der Wahrheit, Wahrheit in Lügen. Es brachte mir Narben und Kronen. Es brachte mir eine Form der Freiheit, von der ich nicht gedacht hätte, dass sie möglich ist: die Freiheit, alle Dinge mit völliger Gleichgültigkeit zu betrachten und meinen Weg weiterzugehen, ohne mich darum zu scheren, was um mich herum vor sich geht. Fuck The World!
"The Time Of No Time Evermore" beginnt mit einem ungesungenen Zitat von Johannes, 2:18. Wie oft liest Du die Bibel – und, vielleicht wichtiger, warum?
Es ist immer gut, den Feind zu kennen, außerdem ist es eine prächtige Lektüre! Aber im Ernst, es stecken viele Wahr- und Halbwahrheiten da drin, mehr oder weniger verdeckt durch die engen metaphysischen Grenzen. Aber die große Kraft des Satanismus ist es ja, Grenzen zu durchbrechen, Wahrheit in andere Formen zwingen durch die Verdrehung von Grammatik und Syntax. Und so finden wir Sinn in den kraftlosen Lügen eines wie verrückt jaulenden Gottes und seinen lehmgeborenen Nachkommen ...
In diesem Instrumental-Intro "The Time Of No Time" greifst Du ein paar Akkorde von "Voodoo Dust" auf, dem finalen Track der Vorgänger-EP „Come, Reap". Soll das sagen, beide Platten sind als Einheit anzusehen, als übergreifendes Konzept?
Nicht als Einheit im strengen Sinne, aber definitiv als Konzept, ja. Es übergreift ein emotionales, begriffliches und – natürlich! – musikalisches Ganzes, das in zwei Veröffentlichungen getrennt ist und sie auseinander zieht. Das so den Kreis schließt und den Boden für den nächsten bereitet. Fin de siecle? Ouroboros.
Der Titel scheint einerseits metaphorisch, vor allem metaphysisch verstanden werden zu wollen. Andererseits beschreibt er auch perfekt, was musikalisch passiert: Die Zeiten der 60er bis zu den 80ern verschmelzen zu einer Einheit. War das eine Intention: Den Hörer das "ewige Chaos" fühlen zu lassen, oder wenigstens über den Punkt zum Nachdenken anzuregen, an dem alle Dinge ihre finite Gestalt verlieren?
Um ganz ehrlich zu sein: Auf die musikalische Konnotation des Titels habe ich nie geachtet, aber vielleicht ist da etwas dran. Meine Absicht war es, auf diese große, gedankenlose Leere hinzuweisen, die unseren Kosmos verschlingen wird, wie elf schwarze Flüsse aus eiskaltem Chaos und feuriger Verdammnis.
Hättest Du Lust, uns die einzelnen Tracks mit Deinen Worten vorzustellen?
Ich würde es vorziehen, dass sich jeder seine eigenen Gedanken zu den Bedeutungen meiner Arbeiten macht.
Was mich persönlich am meisten beeindruckt, ist Dein überaus seelenvolles Spiel, das mich sehr an die Dinosaurier des Heavy Rocks denken lässt. Leider ist diese Art des Gitarrenspiels heute fast gänzlich verschwunden. Wer hat Dich am meisten beeinflusst?
Als Gitarrist war ich nie sonderlich an technischem Können interessiert. Das langweilt mich. Aber sehr an der direkten Kommunikation zwischen dem Instrument und meinem Herzen. Und wenn es um Inspiration geht, dann bin ich halt jenen zugeneigt, die auch aus der Seele heraus spielen. Ich wollte immer genau wie Toni Iommi klingen zum Beispiel. Dann die Gitarrenduos von WISHBONE ASH, THIN LIZZY, IRON MAIDEN und JUDAS PRIEST. Und natürlich waren auch Jimi Hendrix und Jimmy Page von großer Wichtigkeit für mich. Und noch viele andere, die nicht alle unbedingt aus dem Metal- oder Hard Rock-Umfeld stammen: Leute wie Steve Howe und Steve Hillage, Robert Johnson und Marc Ribbot hatten ebenfalls Einfluss auf mein Spiel.
Gerade jetzt läuft hier ROKY ERICKSON AND THE ALIENS (das ist natürlich Euch geschuldet, habe ich seit Jahren nicht mehr gehört). Wahrscheinlich nur eine Geschmacksfrage, aber mal mit kritischem Unterton gefragt: Es fällt auf, wie gut dieser Uralt-Sound die lyrischen / musikalischen Themen und Atmosphären bedient. Warum ziehst Du diesen doch recht modernen Sound bei Deinen Aufnahmen vor?
Ich glaube, das liegt daran, dass wir schlicht der Musik folgen. Sie brachte uns dahin, wo wir stehen. Sicher, wir sind nicht so oldschool wie das Album, das Du gerade genannt hast, aber anderseits haben wir ja nicht jenes Album gemacht, sondern unseres. Ich denke, wie Wasser den Berg hinabfließt, so wurde unser Album, was es werden sollte.
Auch wenn THE DEVIL'S BLOOD weder Doom noch überhaupt Metal ist – meistens steht ihr mit Doom-Bands wie PENTAGRAM oder GRIFTEGÅRD auf derselben Bühne. Mal abgesehen davon, dass die Leute ein interessantes Package zu sehen bekommen: Würdest Du es nicht vorziehen, mit Bands zu spielen, die etwas ähnlicher sind? SWORD vielleicht ... Roky Erickson ist noch oder wieder aktiv ... Mit ihm gemeinsam "White Faces" zu spielen, sollte lustig sein, oder?
Ja, das wäre schon klasse, und ganz sicher nichts, wozu wir „Nein" sagen würden. Aber wir sind absolut glücklich damit, zusammen mit Doom oder Black oder anderem Metal auf den Bills zu stehen. Es macht für uns keinen Unterschied.
Tourpläne?
Ja, aber noch nicht definiv fixiert.
S., Du hast das letzte Wort.
Danke dafür, hier sprechen zu können.