Dann habe ich sie vor ein paar Monaten als Bassist und Drummer der HUDSON FALCONS erlebt. Auf dieser Show waren TFW auch die Vorband (also zwei Gigs an einem Abend für die beiden), und das war dann etwas vollkommen Anderes. Das hatte nichts mehr mit Streetpunk zu tun. Die beiden waren aufeinander eingestellt und haben die Songs je nach Stimmung verändert, sind in unheimlich viele saugeile, atmosphärische Parts gegangen und haben eine absolut dynamische Achterbahnfahrt innerhalb der Songs hingelegt.
Ich habe selten gesehen, dass sich jemand in seiner eigenen Musik so intensiv fallen lassen kann. Ein wenig mutete die Musik an wie ein einziger Trip, nur dass es eben Punkrock und keine typische Drogenmukke war. Außerdem ist Shank (der Shank-O-Saurus) einer der krassesten Schlagzeuger, die ich je live gesehen habe. Ich habe noch nie gesehen, wie jemand ein Drumset so zerlegt hat. In einer Show in Dülmen hat er mehrere paar Sticks, die Snaredrum, das Kickpedal und etwas vom Beckenständer zerdroschen. Und das mit Leidenschaft und spielerischem Können.
Man merkt diesen Zeilen vermutlich meine Begeisterung mehr als deutlich an. Und deswegen haben wir dann auch dieses Mail-Interview vereinbart. Vorhang auf für THE FIRST WAVE:
Könntest du bitte dich und deine Band vorstellen?
Ich bin Chris Schnabel, und ich spiele mit Matt Shankle in The First Wave.
Erzähle uns bitte die ganze Geschichte über THE FIRST WAVE. Wie habt ihr euch getroffen und warum seid ihr zu zweit?
Ich habe TFW 2003 in Memphis gegründet. Eigentlich haben wir als Trio begonnen, sind ein Vierer geworden, wieder zurück zum Trio und dann zu dem, was wir jetzt sind. Einige Leute meinten zwar, das wäre keine so gute Idee, ohne eine Bassisten zu spielen, aber irgendwie fühlt es sich an, als wären wir immer schon eine Zwei-Mann-Band gewesen. Nichts gegen unsere ehemaligen Bandmitglieder, aber Shank und ich haben uns einfach von Anfang an verstanden und tun das auch heute noch.
Offiziell sind wir 2006 zum Duo geworden. Wir hatten ein paar Shows außerhalb geplant, und unser Bassist war aus familiären Gründen verhindert, weswegen er auch nicht mehr weiter in der Band hätte spielen können - also auch alle geplanten Shows eben nicht mehr. Nachdem er uns das erzählt hat, haben wir nicht darüber diskutiert, die Shows ausfallen zu lassen, und wir haben auch nur kurz darüber nachgedacht, einen neuen Basser zu rekrutieren. Wir haben uns direkt wieder an die Arbeit gemacht und zugesehen, wie wir das zu zweit machen können. (We never felt like we wanted to be a band that had to melt peoples' faces, but felt we wanted to touch their hearts.)
Wir waren nie damit beschäftigt, eine große Wall Of Sound aufzubauen, dafür sollte es aber direkt aus unseren Herzen kommen. Wenn du Shank jemals live gesehen hast, weißt du, dass er niemanden braucht, der ihn beim Rhythmus unterstützt. Ich spiele meine Gitarre durch eine A/B Box. Ein Signal geht durch einen Bass-Effekt und das andere durch den Gitarren-Effekt. Ich kann das eine, das andere oder beide gleichzeitig spielen. Natürlich gibt es ein paar Sachen, die wir wegen des fehlenden Basses nicht machen können, aber es gibt auch sehr Vieles, was wir machen können, und darauf konzentrieren wir uns. Die Songs haben niemals dieselbe Struktur, und da wir keine Setlist nutzen, hängt das Set jeden Abend nur von unserem Gefühl ab. Und ehrlich gesagt ist das Beste am Duo, dass wir es genau so mögen und uns so wohl fühlen. Wenn wir noch etwas dazufügen wollten, wären es eher andere Instrumente als ein Bass.
Wie würdet ihr eure eigene Musik bezeichnen? Was sind eure Einflüsse?
Das war schon immer eine harte Frage. Wir sind niemals Teil einer bestimmten Szene gewesen und ich schätze, das hat damit zu tun, dass wir stark versuchen, uns nicht zu verbiegen um zu behaupten, wie wären irgend eine bestimmte Art von Band. Wir machen halt was wir wollen, wie wir wollen und wann wir es wollen. Wir sind also im Sinne des Wortes wohl Punk. Aber so ein Wort bedeutet immer etwas anderes - kommt darauf an, mit wem du gerade redest. Ich schätze, du kannst uns als zwei Typen bezeichnen, die Musik zusammen schreiben und spielen, und die mit der ganzen Welt teilen möchten - mit denen, die es interessiert.
Wir haben Einflüsse von Menschen genauso wie von anderen Bands. Tom Rohr, ein guter Freund von uns, ist grade gestorben, und er hat sechs Jahre lang gegen den Krebs gekämpft, und mein Vater arbeitet seit 38 Jahren im Philadelphia Police Department. Wir halten uns also an die Vorstellung, niemals aufzugeben. Meine Mom und meine Schwester waren für mich da in einer Zeit, in der ich mich nicht um mich selber kümmern konnte. Shanks Mom arbeitet zwei bis drei Jobs gleichzeitig, nur um zu überleben. Also halten wir unsere Familien nahe und beziehen unsere Einflüsse auch von ihnen. Das Leben und die Musik von Joe Strummer hat uns seit Beginn begleitet. All diese Leute hatten einen großen Einfluss auf unser Leben und unsere Musik. Soweit es Bands betrifft, sind meine Favoriten R.E.M.. Knapp an zweiter Stelle würde ich Fugazi, The Clash, Tom Waits, Springsteen und Billy Bragg nennen. Und heutzutage inspirieren uns Leute wie Jesse Malin und unser guter Freund Sala im Baskenland.
Ich habe mir euer Album angehört, und es klingt absolut überhaupt nicht nach eurer LiveShow. Warum ist das so, und was macht ihr auf der Bühne, damit es so dermaßen anders klingt?
Bei den letzten Aufnahmen sind wir es angegangen wie eine reguläre Band. Wir haben es live aufgenommen und danach den Bass darüber gelegt. Wir waren grade erst seit ein paar Monaten zu zweit, und wir waren uns noch gar nicht darüber klar, wer wir sind und was wir machen wollten. Wir planen zur Zeit, eine Platte im Herbst aufzunehmen, die dann mehr danach klingt, wie wir uns live anhören. Allerdings werden wir trotzdem noch mit Extra-Instrumenten arbeiten. Wir werden ein paar neue Songs aufnehmen und welche von unseren alten Aufnahmen, die uns am besten repräsentieren, noch mal aufnehmen, um so mit sozusagen noch mal "ein Debüt" abzuliefern. Wir denken aber, dass eine Platte und eine Live-Show zwei verschiedene Erfahrungen sein sollten. (The record might take you to a place with the help of everything that's going on musically and the live set might take you somewhere else with just simplicity and intensity.)
Wie seid ihr an die HUDSON FALCONS gekommen, und wie war es, eine Europa-Tour mit Mark zu spielen? Werdet ihr weiterhin mit ihm zocken? Wie hat euch Europa denn gefallen, und was waren die größten Unterschiede zu den USA ?
Europa war unglaublich. Shank meinte auf dem Rückflug, dass diese Erfahrung ihn sich wieder in Musik hat verlieben lassen. Manchmal gibt es in den USA einfach so viele Bands und Shows, dass die Leute sich ziemlich aussuchen, wohin sie gehen, und das sind dann meist die eher populäreren Bands. Also in Europa an Plätzen zu spielen, an denen nicht ganz so viel los war, mit Respekt behandelt zu werden und sich zu fühlen, als würde man von einer Familie willkommen geheißen, war ein unglaubliches Gefühl. Wir haben das zwar auch an einigen Orten in den Staaten, aber das in verschiedenen Ländern der Welt zu haben, ist einfach etwas vollkommen anderes. Wir können es echt gar nicht abwarten, zurück zu kommen.
Was die HUDSON FALCONS betrifft, haben wir Mark (Linsky) 2006 kennen gelernt. Wir haben mit ihnen eine komplette US-Tour, eine Europa-Tour und ein neues Album gemacht. Während der Touren haben wir zwei Mal pro Abend gespielt, ein HF-Set und eine FIRST WAVE-Set. Wir haben uns aber seit Europa weiterbewegt und sind ganz froh, uns wieder zu 100 Prozent auf THE FISRT WAVE zu konzentrieren.
Was für Arbeiten geht ihr neben der Musik noch nach?
Wir nehmen, was auch immer wir an Arbeit finden können. Ich habe immer wieder mal in einem Tattoo-Shop in Memphis in den letzten Jahren gearbeitet, und in Philly suche ich mir Jobs als Krankenwagen-Fahrer - wenn sie mich aufgrund meines Tourlebens und meiner Tätowierungen nehmen. Shank arbeitet auf dem Bau mit einem guten Freund von uns und versucht, Catering-Jobs zu bekommen, wenn er welche findet. Wir haben nichts gegen das Arbeiten. Eigentlich genießen wir das sogar. Wir fühlen uns als THE FISRT WAVE auf und vor der Bühne, und die Arbeit gibt uns nicht nur einen Ethos, den wir auch auf die Band übertragen, sondern lässt uns auch unsere Rechnungen bezahlen, Touren, Aufnehmen und die Band am Leben halten.
Bringt es einen finanziellen Unterschied, wenn man eine Zwei-Man-Band ist?
Eine Band am Laufen zu halten und dabei komplett unabhängig zu sein, ist immer schwer, egal, wie viele Leute in der Band spielen. Auf Tour haben wir allerdings nur zwei Mäuler zu füttern, und das hilft dann schon ein wenig, da wir vorher nie viel zu Essen unterwegs hatten. Wenn es aber darum geht, etwas für die Band anzuschaffen, müssen wir es immer direkt durch zwei teilen. Das kann manchmal schon ziemlich hart sein. Aber im Endeffekt müssen alle Entscheidungen nur mit zwei Leuten getroffen werden, und das geht dann schon einiges schneller und effizienter. Wie immer gibt es halt Vor- und Nachteile.
Ihr scheint eine ziemlich politische Band zu sein. Was sind eure Einflüsse? An was glaubt ihr und was möchtet ihr ändern?
Wir fühlen uns nicht als politische Band. Wir sind keine Politiker - wir versuchen nicht, irgendwem irgendwas zu verkaufen, wir versuchen nur die Leute zum Nachdenken zu bewegen. Es gibt ja immer zwei Seiten einer Geschichte. Weißt du, warum du an etwas glaubst und etwas unterstützt? Basiert es auf Fakten und Überzeugungen, oder ist es eher trendy, ein gewisses Thema zu unterstützen? Unser Hauptaugenmerk lag in letzter Zeit darauf, den Individualismus zu pushen. Nicht in dem, was du anziehst, sondern für was du stehst und womit du dich wohl fühlst, mit dem was du bist. Sei ein Individuum, be a "Power of One". We still come out strong with what we believe in our songs. Wir sind z.B. Pro Life, unser Song "Choice" ist aus der Perspektive eines ungeborenen Kindes geschrieben, indem gefragt wird, ob es seine Wahl hatte. Es geht nicht um das Predigen, sondern darum, Menschen zum Nachdenken zu bewegen.
Ich habe auf eurer MySpace-Seite Bilder gesehen, die dem Cop Respekt zeugen, der von Mumia Abu Jamal umgebracht worden sein soll. Kannst du uns etwas darüber erzählen?
Ich habe neulich eine Mail von einem Kid aus New Hampshire bekommen, das ziemlich sauer auf uns war. Ich glaube nicht mal, weil wir Mumia Abu Jamal nicht unterstützen, oder Daniel Faulkner (den Cop), sondern dafür, dass wir Polizisten im Generellen unterstützen. Das scheint sogar ziemlich oft der Fall zu sein. Ich werde jetzt nichts über den Fall Mumia Abu Jamal sagen, da die Fakten und Abschriften des Gerichtes auf danielfaulkner.com und die Gegenseite auf freemumia.com einzusehen sind. Aber was ich erklären möchte, ist die Gefahr, die darin liegt, eine Gruppe von Menschen (egal welche) zu generalisieren.
Ich denke, das füttert einen rassistischen Geist. Wir sagen ja nicht: "Alle Cops sind toll!" Das ist genauso ignorant. Ich weiß, dass es Polizeibrutalität gibt, und es macht mich krank. Aber zu behaupten, eine komplette Gruppe von Männern und Frauen, die zu unserer Working-Class gehören, seien böse oder korrupt, ist lächerlich. Abgesehen davon erscheinen uns die Fakten im Falle Mumia einfach auf der Hand zu liegen. Die meisten Leute, mit denen wir darüber reden, können uns noch nicht mal den Namen des Polizisten nennen oder genauer ausführen, was da eigentlich passiert ist. Sie wissen eigentlich gar nichts darüber, skandieren aber "Free Mumia!". Es geht also wieder zur letzten Frage, also darum zu wissen, woran man glaubt und warum man etwas unterstützt.
Clinton oder Obama? Und wer wird dieses Mal die Wahlen gewinnen? Demokraten oder Republikaner?
Zu diesem Zeitpunkt ist Clinton ja eh schon raus, also ist es ein Obama vs. McCain. Ich kann nicht mal sagen, wer von beiden richtig liegt, da ich mir da nicht ganz sicher bin. Ich denke, da sollte es eine Menge geben, das in den Entscheidungsprozess mit einfließt. Es braucht seine Zeit. Ich würde niemals aus Prinzip demokratisch oder republikanisch wählen.
Du bist ja bis einschließlich der Hände tätowiert. Hast du damit jemals Probleme gehabt?
Was die Tattoos angeht, bereue ich nichts von dem, was ich gemacht habe. Aber ich würde die Leute dazu ermutigen, da sehr lange drüber nachzudenken, bevor sie sich ihren Hals und ihre Hände stechen lassen. Die Menschen starren dich nun mal immer an. Manchmal bewundernd, manchmal auch eher weniger. Ich kann da zwar drüber wegsehen, aber Arbeitgeber finden dass zu 99 Prozent extrem uncool. Das macht das Finden eines Jobs ziemlich schwer. Aber an diesem Punkt ist es nun mal wer ich bin, also muss ich einfach mehr versuchen und genauer Ausschau halten und die Dinge so akzeptieren, wie sie sind. But it still feels good to try and live life on your own terms.
Wo werden THE FIRST WAVE in fünf Jahren sein?
Fünf Jahre? Keine Ahnung! Wir sind jetzt hier, schreiben Musik und bringen sie heraus. Das ist die einzige Sicherheit, die ich im Moment habe. Ich hoffe, dasselbe auch in fünf Jahren noch zu machen, und in 10, 20 Jahren auch noch - aber das Leben ist immer sehr unberechenbar.
Famous last Words?
Thoughts and ideas mean nothing without action, so get moving!
http://www.myspace.com/thefirstwave