DIORAMIC bringen dieser Tage ihr neues Album auf Lifeforce Records raus, das sich einen Dreck um irgendwelche Stilgrenzenwie schert. Die Schnittmenge aus Metal und Hardcore wurde mit einer großen Portion Prog angereichert und alles durch den Fleischwolf gedreht. Das klingt nach Amiland, dabei stammen die Jungs aus Kaiserslautern. Basser Jochen beantwortete uns einige Fragen.
Bitte stellt Euch kurz vor.
Ich bin Jochen Müller, Bassist und zweite Stimme von Dioramic. Wir sind ein Trio aus Kaiserslauter/Rlp und gründeten uns Anfang 2002. Seitdem schreiben wir eigene Songs, spielten und gewannen viele Wettbewerbe. 2005 kam dann das erste Album heraus, das aber nur regional vertrieben wurde. Dann gab es viel Chaos und Durcheinander, bis wir Anfang 2008 zu Kurt Ebelhäuser ins Studio gingen, der auf uns aufmerksam geworden war und uns eine Zusammenarbeit angeboten hatte.
Wie ich gelesen habe, sollen eure früheren Songs eher im Metalcore zu verorten sein. "Technicolor" dagegen ist eine Mixtur aus verschiedenen Stilen und immer leicht progressiv. Wie kam es zu dieser Veränderung?
Das stimmt so nicht, denn das 2005er Album "Phase of Perplexity" bestand aus Songs, die eher dem Alternativ-Rock zuzuordnen sind. Es gab darauf nur in zwei Songs ein bisschen Geschrei und sonst sehr ruhige Passagen. Trotzdem war die Platte auch damals schon für Alternativ Rock ziemlich progressiv. Wir wurden dann zunehmend härter und komplexer, weil wir einfach andere Grenzen ausloten wollten. Wir haben dann auch Metal Elemente miteinbezogen, weil wir irgendwann auch technisch dazu in der Lage waren. Es war also eine natürliche Entwicklung für uns, wir wollten einfach experimentieren.
Der Sound eures Albums ist ziemlich dick und klasse. Könnt ihr das zu dritt auch live so umsetzen?
Ich denke schon, dass das Live auch rüberkommt. Wir haben einen sehr fähigen Tonmann und live noch einen Keyboarder auf der Bühne. Der fettet den Sound noch leicht an. Weniger durch sein Spiel als durch seine Erscheinung, versteht sich.
Warum heißt das Album "Technicolor"? Und worum geht es in den Texten?
Das Wort "Technicolor" hat für uns zwei Bedeutungen: Zuerst ist es ein Begriff, der im Zusammenhang mit der Entwicklung von Farbfilmen steht. Da wir alle große Filmfans sind, hatte es für uns einen gewissen Reiz, einen Terminus aus der Filmsprache als Titel für unser Album zu wählen. Das bringt eine visuelle Assoziation mit in die Musik.
Zweitens hat der Begriff für uns aber auch eine Bedeutung unabhängig der geläufigen. Die beiden Worte "Technic" und "Color" lösen für sich gesehen ganz unterschiedliche Impressionen aus. Während man sich unter "Technic" eher etwas Kühles, Steriles und Maschinelles vorstellt, verbindet "Color" in sich Eigenschaften wie Farbenvielfalt und Lebendigkeit. Die Zusammenführung dieser sich kontrastierenden Begriffe gefiel uns besonders, da wir der Meinung sind, dass auch unsere Musik von dem Widerspruch aus "Technic" (z.B. die technischen Aspekte auf den Instrumenten) und "Color" (z.B. die Dynamik und Harmonik der Kompositionen) lebt.
Unsere Texte sind meistens von Filmen inspiriert. Das können konkrete Themen sein, wie z.B. Identität, aber auch abstrakte Eindrücke, wie die Farbgebung oder Bildsprache. Oft versuchen wir auf der ersten Ebene eine in Filmen aufgegriffene Atmosphäre lyrisch umzusetzen. Dieser Rahmen wird dann mit persönlichen Themen gefüllt, die die zweite Ebene der Texte bilden. Da geht es dann bei einer eher psychologischen Betrachtung um Hybris, Nostalgie, Abhängigkeit, um Neid und Sehnsucht.
Wie kam der Deal mit Lifeforce zu Stande? Und hat sich seitdem viel für euch verändert in Sachen Häufigkeit von Shows, etc.?
Wir waren seit 2006, nachdem wir eine Promo mit neuen Songs an Lifeforce geschickt hatten und unsere Freunde von Fear My Thoughts sich für uns bei Lifeforce einsetzten, in Kontakt mit dem Label. Damals kam dann aber ein anderes Angebot dazwischen, das sich im Nachhinein als Fehler entpuppen sollte. War From A Harlots Mouth haben sich schließlich auch für uns eingesetzt, und nach der Aufnahme mit Kurt hat sich dann doch eine Zusammenarbeit mit Lifeforce ergeben. Wir hatten also das Album schon fertig aufgenommen, als wir bei Lifeforce unterschrieben.
Bisher hat sich nur geändert, dass wir mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhalten und auch Interviews wie dieses geben dürfen. Ich denke, nach dem Release wird sich aber erst wirklich spürbar was tun.
Was macht ihr neben der Band noch?
Arkadi und ich geben Bass- und Gitarrenunterricht, Anton startet als "Zedd" seine Karriere als Electro DJ, und gemeinsam arbeiten wir im bandeigenen Tonstudio, dem "Mysterium Studio", zu finden unter
myspace.com/mysteriumstudio.
Ihr habt mit eurem Produzenten jemanden beteiligt, der eher aus dem Indi-Bereich kommt. Habt ihr da irgendwelche Kommunikationsprobleme gehabt?
Nein, wir kommen ja ursprünglich auch aus der Indie-Alternative-Ecke. Wir mögen keinen typischen Metalsound, sondern wollten eher einen alternativen Sound. Deshalb waren wir sehr froh, als uns Kurt zu Testaufnahmen eingeladen hat. Mit dem Ergebnis waren wir alle sehr zufrieden. Auch für das Album schaffte er einen natürlichen, druckvollen Sound, der nicht durch das Mastering unnötig laut oder zerstört wurde. Man kann die ganze CD meiner Meinung nach auch auf höherer Lautstärke ganz durchhören, ohne dass man vom Sound und dem "Metal-Höhen-Föhn" genervt wird.
Im Info eurer Platte steht "Art-Core". Habt ihr euch das ausgedacht oder ist das eher Werbung vom Label? Seid damit schon mal auf Unverständnis bzw. Ablehnung im Sinne von "Jaja, bestimmt!" gestoßen?
Das ist ein Kunstbegriff, den wir einst erfanden, um Eingeweihten einen etwaigen Eindruck von unserer Musik zu verschaffen. Das "Art" ist entlehnt aus dem "Art-Rock" der 70er Jahre. Wir mögen Genesis, King Crimson und Yes sehr, Arkadi und Anton sind damit aufgewachsen. Wir glauben, dass diese Bands uns schon sehr beeinflusst haben, auch wenn man das heute nicht mehr so ganz heraushört. Dafür steht dann das "Core", das sich mittlerweile leider hinter jedem Wort beliebt gemacht hat. Es verweist auf Einflüsse aus dem (Post)-Hardcore Bereich. Zudem bedeutet das Wort "Art-Core" für uns der Übersetzung nach, dass die Kunst der Kern unseres Schaffens ist. Auf Ablehnung sind wir damit bisher noch nicht gestoßen, hängen den Begriff jetzt aber auch nicht an die große Glocke.
Welche Bands würdet ihr als Vorbilder für euren Sound nennen?
Vorbilder haben wir eigentlich keine, wir sind generell oft unzufrieden mit den Vergleichen, die viele Leute anbringen. Ich denke, wir habe eine ziemlich eigene Vorstellung davon, wie wir klingen wollen. Wir wurden bestimmt von vielen Bands inspiriert; das passiert ohne dass man es merkt, einfach beim Hören von Musik. Aber richtige Vorbilder gibt es da nicht.
Was werdet ihr 2010 alles in Angriff nehmen?
Wir werden versuchen, so viele Konzerte wie möglich zu spielen, und wir werden in unserem Tonstudio noch einiges zu tun haben, da werden bestimmt noch Aufträge reinschneien. Außerdem werden wir uns vielleicht schon mal mit dem Plan für die nächste Platte befassen, die Songs dafür sind schon fertig. Und wir freuen uns über Steuererklärungen und Umsatzsteuer-Voranmeldungen. Ein Hoch auf unser Steuersystem!
Ihr tanzt ja auf vielen Hochzeiten mit eurem Sound. Mit welchen anderen Bands fühlt ihr euch live am wohlsten?
Das kommt ganz darauf an. Am liebsten mit Bands, die locker sind, Humor haben und sich nicht zu ernst nehmen. Die Tour mit Blackmail war zum Beispiel hervorragend. Die mit Meshuggah leider weniger. Es gibt aber auch viele sympathische Metal Bands. Das kann man echt schwer sagen. Wir müssen uns persönlich einfach gut mit der Band verstehen und Spaß haben.
Wenn man so lange an seinen Songs tüftelt, liest man dann Kritiken besonders gern und setzt sich mit ihnen auseinander, oder steht man dann locker darüber, da man sich selber zumindest schon mal keine Faulheit bzw. das Aussuchen des einfachsten Weges vorwerfen muss?
Wenn die Kritiken gut sind, lese ich sie besonders gern, wenn sie nicht so toll ausfallen, stehe ich natürlich drüber. Nein, im Ernst: Es ist schon interessant zu lesen, was andere über die Musik, die man macht, denken. Aber ich nehme mir das nicht so sehr zu Herzen. Egal, was jemand schreibt: Ich mache das, was ich für richtig halte, weil ich davon eben überzeugt bin. Wenn dann jemand nichts damit anfangen kann: Na gut. Man kann es auch nicht jedem recht machen. Musik ist schließlich auch Geschmackssache. Dass man aber nur, weil man sich den schweren Weg ausgesucht hat, über Kritiken erhaben ist, halte ich ebenso für einen Fehlschluss. Da gehört dann doch noch etwas mehr dazu. Viele Kritiker haben doch irgendwo Recht mit dem, was sie schreiben.
Famous last Words?
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