Geschrieben von Freitag, 06 Juni 2008 00:03

Sirocco - Interview mit Gitarrist James Tobin



Darf man hier so persönlich werden? Ich bin mal so frei: Seit einem ¼ Jahr kenne ich die Erfinder des „Celtic Thrash“ nun (dank Markus Ecks paganer Metal Message Vol. 5) und bin schlichtweg besessen von der Truppe. JEDEN (!) Tag rotiert mindestens eines der beiden Alben. Normalerweise beide, plus Demos. Ich opfere meinen Jahresurlaub und drei meiner Hartz IV-ähnlichen Monatsgehälter, um sie nächsten Monat auf dem D.o.D in Ballylinan zu treffen. „SIE“ das sind vier Jungspunde aus Waterford / Cork (Irland), die die beiden einzigen 10er für die beiden einzigen rundum perfekten Alben abgegriffen haben, seit ich hier für BYE Platten berede. Was die Jungs abliefern, ist weder zeitgemäß noch seiner Zeit voraus. Ganz traditionalistisch und doch so noch nie da gewesen. Wer auf klassisch-britischen Metal und keltisch-folkige Melodien steht, kommt an SIROCCO nicht vorbei… Wer weder mit dem einen, noch dem anderen etwas anfangen kann, verpasst nichts. Allenfalls eine der sicher besten, traditionellen unsigned Metal Bands der Welt. Auf die Schnelle ein paar Fragen an Bandgründer und Rhythmusgitarristen James Tobin….

Tach Jim, als erstes: meinen Glückwunsch zu zwei phantastischen Metal Alben… zwei der besten überhaupt, falls mich jemand fragt. Stell die Band doch mal bitte vor, die mir seit Monaten tagtäglich den Alltagsfrust aus der Schüssel fegt…

Hails Dirk, vielen Dank. Freut mich ehrlich, dass dir unsere Musik so sehr gefällt… Sirocco ist eine Heavy Metal Band aus dem Süden Irlands mit Folk- und Thrash-Einflüssen. Uns gibt’s seit 2003. Am Anfang haben wir klassischen Metal gecovert… während wir unsere Instrumente eingespielt haben. Nach einigen Wechseln im Line-Up haben wir angefangen, eigenes Material zu schreiben und Konzerte zu spielen.

Ich kenne meine eigene Euphorie, was haben andere Rezensenten so im Allgemeinen geschrieben?

Die Reviews für unser letztes Release waren durch die Bank recht gut. Im Schnitt gab’s 8 von 10 Punkten.

Ihr habt jetzt zumindest mal einen Vertriebsdeal mit Plastic Head … aber noch immer seid ihr ohne richtigen Plattenvertrag. - Was stimmt nicht mit den Plattenfirmen?

Ach, wir sind eigentlich sehr zufrieden mit Code7 und Plastic Head. Sie veröffentlichten “The March...” im U.K. und in Irland am 7. April. Außerdem kann man das Teil über den Online Katalog von Grau in Deutschland bestellen. - Wir konnten zwar Interesse von Plattenfirmen feststellen, aber irgendwie hatte sich das schon immer sehr bald erledigt. Und so müssen wir eigentlich ganz glücklich sein, unsere Musik selbst zu veröffentlichen… bis das richtige Angebot hereinschneit.

Ein paar Worte bitte zu dem nur bedingt passenden Label „Celtic Thrash”. Wieso Thrash? Im Vergleich zu anderen Einflüssen scheint Thrash nicht sooo wichtig zu sein…

“Celtic Thrash” entstammt meiner Liebe zum Pagan / Folk Metal Und Johns (Owens, Lead Git; Anm. d. Verf.) Liebe zum Thrash Metal. Ich meine, dass man die Stile auf „Nemed“ ein bisschen klarer heraushört. Einige Songs sind eher thrashy, andere eher keltisch. Erst auf „The March…“ haben wir beides stärker miteinander verschmolzen, um einen charakteristischen Sound zu kreieren, der eher speziell SIROCCO ist.

Die Einflüsse von MAIDEN und LIZZY sind offensichtlich, dazu eine Prise Bay-Area Thrash und keltische Klänge… so weit, so gut. Aber das name-dropping erklärt noch nicht den Zauber des epischen und irgendwie mittelalterlichen Charakters der Atmosphären, die SIROCCO erzeugen. Aus Deiner Sicht: welche fünf Adjektive beschreiben euren Stil am treffendsten?

Episch, melodisch, historisch, mythologisch, „ancestral“ (Anm. d. Verf.: wusste ich nicht zu übersetzen „ancestral“ hat die Bedeutung von „die Ahnen / Vorfahren betreffend“)

SIROCCO ist bis zum Hals in den 8oern verwurzelt. Was macht es für eine junge Metal Band so attraktiv, ein Anachronismus zu sein, anstatt den leichten Weg zu gehen und „zeitgemäßes“ Material zu spielen?

So viele große Bands und Sub-Genres entstammen den 8oern, so dass es gar nicht möglich ist, die Beiträge dieser Dekade zu ignorieren. Und gerade durch die älteren Metalheads in der Szene werden die Jüngeren doch permanent gezwungen, auch die Klassiker zu hören -- Maiden, Slayer, Megadeth, Priest, etc…

Celtic Folk scheint unverzichtbar für irische und nordirische Bands zu sein: CRUACHAN, PRIMORDIAL, DARKEST ERA und SIROCCO, natürlich. Ist das nur ein Ausdruck der normalen irischen Erziehung in Sachen Musik, oder (auch) ein irgendwie politisches Bekenntnis?

Ich glaube unser „keltischer” Einfluss kommt schlicht aus der Geschichte, die uns in Irland auf Schritt und Tritt umgibt. Hier sind so viele Burgen, Ruinen und Denkmäler; dazu noch die wunderschöne Landschaft… Alles hier atmet Geschichte. Und dann natürlich noch die mythischen Erzählungen, die unsere Altvorderen über Generationen mündlich überliefert haben. Ich glaube, der keltische Einfluss ist unser natürliches Erbe.

Ob man sie im Einzelnen nun mag oder nicht… Es ist beeindruckend, wie eigenständig nahezu alle irischen Metal Bands sind; das unterscheidet euch, so meine ich, von der deutschen oder italienischen Szene (zum Beispiel). Hast Du dafür eine Erklärung?

Ich stimme dir völlig zu. Für so ein kleines Land haben wir eine Riesenzahl an Bands hier. Und das dürfte auch der Grund sein, dass jede Band so einzigartig ist. Wir haben nämlich nur eine Handvoll Labels hier. Und somit sind die Bands einfach gezwungen, jeweils ihr ganz eigenes Ding zu machen, um sich vom Rest abzusetzen. Andernfalls würde dich niemand zur Kenntnis nehmen.

Zurück zu SIROCCO: Seid ihr ein Teil der paganen Szene? Oder was bedeutet dir Paganismus… und was der Katholizismus?

Wir schreiben Musik, die sich mit heidnischen Themen beschäftigt. Alle vier haben wir unseren ganz individuellen Glauben. Wir kommen zwar aus einem fast durchweg katholischen Land, ergo sind wir katholisch aufgewachsen. Aber die Religion ist uns nicht aufgezwungen worden, wie es 20 Jahre früher hier ganz gewiss der Fall war. Darum haben wir mit dem Christentum keine Rechnung offen – abgesehen von John, glaube ich, der die Texte für „Sacrostine“ und „Christian Cry“ geschrieben hat.

Kann man Paganismus heutzutage überhaupt Ernst nehmen? Oder ist das nur eine Geste der Hilflosigkeit gegenüber der Borniertheit des Monotheismus und der dümmlichen Arroganz des Materialismus?

Ich denke, Paganismus ist (nur) ein Begriff, den man am besten dazu benutzt, Leute zu charakterisieren, die eine persönliche Einstellung zu religiösen Fragen einnehmen, ohne sich konformistisch der einen oder anderen religiösen Gemeinschaft anzuschließen.

Paganisten geraten gerade im sensiblen Deutschland leicht mal unter den Verdacht politischer Inkorrektheit… Übersetzt man den Titel “Blood & Soil” ins Deutsche, dann heißt es „Blut und Boden“, dem zentralen Begriffspaar der Nazi-Ideologie. Beabsichtigt?

Absolut nicht! “Blood & Soil” ist einfach die Geschichte einer archaischen Winterschlacht aus der Perspektive eines lyrischen „Ich“.

Du hast mir vor kurzem erzählt, dass ihr für drei Gigs in Deutschland gebucht seid. Haben sich Ort und Zeit mittlerweile konkretisiert? Und gibt’s sonst irgendwelche Shows außerhalb Irlands bis dahin?

Leider scheinen diese Dates für den Moment nun doch nicht stattfinden zu können. Aber ich hoffe doch sehr, dass wir bald mal in Deutschland spielen können. Bis dahin werden wir das Summer Solstice Festival in Hull, U.K., headlinen und auf dem Day of Darkness Festival in Irland am 4. Juli spielen.

(Anm. D. Verfassers: Auf dem D.O.D. spielen u.a. auch UNLEASHED, WATAIN, MOURNING BELOVETH und diverse irische Kleinode wie CELTIC LEGACY, DARKEST ERA… Im Übrigen kommt man da mit dem Flieger billiger hin als mit der Bahn von Hannover nach Wacken.)

Ihr habt ja schon ein paar Erfahrungen mit Deutschen gemacht… auf der Mini-Irland Tour mit den Melodic Deathern von SUIDAKRA. Erzähl mal kurz etwas über die Tour…

Es war großartig mit den Jungs. Wir hatten zwar nur drei Gigs zusammen, aber das hat gereicht, dass wir uns mit ihnen richtig angefreundet haben. Ciaran (O' Cearuill, Bass und Gesang, Anm. d. Verf.) und ich tauchen auch kurz auf ihrem neuen DVD-Release (13 Years Of Celtic Wartunes) auf. Die Tour selbst war ziemlich schwierig, weil wir in die unfähigen Hände eines miesen Promoters gefallen waren. Aber trotzdem hatten wir mit SUIDAKRA eine geile Zeit und ich hoffe sehr, mit ihnen bald mal wieder spielen zu könnenn.

Die deutschen Fans haben ja den Ruf besonders loyal und auch sehr interessiert an traditionellem Stoff zu sein. Habt ihr darum hinsichtlich Deutschlands vielleicht besondere Erwartungen?

Ich habe schon viel über das deutsche Publikum und dessen tolle Behandlung von Musikern gehört. Und wie angedeutet; Deutschland gehört definitiv zu den Ländern, in denen ich am liebsten mal spielen würde. Ich hoffe, das ist bald der Fall. Meine Erwartung: dass dann jeder, der zu einer Show kommt, den Pit entert und eine gute Zeit haben wird.

Themenwechsel: “Nemed” hat eine Textbeilage und Ciaran war auch schon Bandmitglied während der Aufnahmen; warum habt ihr trotzdem das Risiko auf euch genommen, ohne Sänger zu debütieren?

Du wirst Ciaran ja demnächst treffen; dann wirst du verstehen, wie es passieren kann, dass er drei Jahre lang nichts davon erzählt hat, dass er singen kann. Wir waren verzweifelt auf der Suche nach einem Sänger und schon richtig frustriert. Darum sagten wir uns: „Scheiß auf den Sänger, lasst uns einfach aufnehmen, was wir bis jetzt haben!“ Erst vor Beginn der Aufnahmen von „The March…“, dem zweiten Album, kam er endlich damit rüber, dass er es ja mal versuchen könnte… Und als wir ihn dann hörten, wussten wir, dass wir drei Jahre unseres Lebens vertan hatten, haha.

Würdest du der Behauptung zustimmen, dass Ciaran zwar nicht „der perfekte Sänger“ ist, aber eine intensive Stimme hat, die perfekt zu SIROCCO passt?

Du hast völlig Recht; er ist wirklich der perfekte Sänger für uns. Und was du bis jetzt kennst, sind ja nur seine ersten Aufnahmen in einem Studio. Mittlerweile hat er Riesenfortschritte gemacht. Seine Stimme strahlt heute bei Live-Auftritten noch viel mehr Selbstvertrauen aus. Er hat wirklich seinen Stil gefunden. Und ich bin sicher, du wirst von ihm beeindruckt sein, wenn wir irgendwann im nächsten Jahr Album Nummer 3 veröffentlichen.

Perfekt für euch scheint mir auch euer Produzent zu sein. Finny Cocoran hat ja nicht nur euch einen exzellenten Sound mit zartem Old-School Appeal verabreicht, sondern auch die Band eures Ex-Sängers SEVENSCARS hat einen absolut individuellen und passenden Sound abgekriegt.

Mit Finny zu arbeiten ist einfach nur klasse. Ein Perfektionist. Besonders sein Drumsound gehört sicher zum Besten weit und breit. Und wir hören eigentlich immer auf seine Meinung, nicht nur während der Aufnahmen. Er kriegt es irgendwie hin, dem Mix eine Spur echter Magie zu injizieren. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, in Zukunft irgendwo anders aufzunehmen. Er hat zwei großartige Alben für uns produziert, und ich bin sicher, da werden noch viele dazu kommen.

Was ich auf jedem Fall noch fragen wollte: Spricht bei euch eigentlich keiner Geailge, oder warum nutzt ihr nicht den mystischen Hauch der gälischen Sprache? Zudem wäre es ja recht praktisch, sich bei Vorlagen wie z.B. dem „Lebor Laignech” (oder auch: „Book of Leinster“, einer Chronik aus dem Mittelalter; Anm. d. Verf.) zu bedienen…

Doch doch, tun wir; wobei John (der ursprünglich aus England ist) das wohl von uns vieren am besten spricht. Man wird vermutlich ein bisschen mehr von der irischen Sprache auf zukünftigen Veröffentlichungen zu hören kriegen, auch wenn Mael Mórdha eigentlich diese Ecke besetzt halten.

Anstatt die nächsten 20 mehr oder wenigen doofen Fragen zu stellen, lass mich einfach ein, zwei Stichworte fallenlassen, und du bist so nett, sie zu kommentieren?!

- NWoBHM… Das Fundament des gesamten Metals.

- Unvermeidbar: Mr. Philip Parris Lynott… Eine Legende unserer (sic!) Zeit.

- Emerald… Enthält eine der besten zweistimmigen Gitarrenharmonien überhaupt!

- Bester Gitarist / …e Band / …es Album

Gitarrist? Zu viele, um sie zu nennen.
Band? Ich bin der totale ROTTING CHRIST Fan!
Album? KATATONIAs „Tonight’s Decision” wird wohl ewig zu meinen Favoriten zählen.

- Die Irische Metal Szene… Eine Talentexplosion. Ich erinnere mich, dass mal jemand zu mir sagte, Irland würde das „ neue Norwegen“ sein.

- Plattenfirmen… Hilfreich, aber nicht notwendig.

- MySpace… Unverzichtbar für Musiker.

- Guinness, Murphy’s oder Beamish… Ich trinke Lager(;-p). Aber John würde zu Guinness raten.

- Eine englische Redensart: “Rugby is a game for men, played by gentlemen // Football is a game for gentlemen, played by men. Daraus folgt: Gaelic football ist ein Spiel für... Krieger!

- Irland ohne Christianisierung wäre…Viel weniger verbittert.

- Irland ohne Anglisierung wäre… Friedlich.

-Tiocfaidh ár lá (Anm. d. Verf.: „Unser Tag wird kommen“, Wahlspruch der I.R.A.)… Ein überholter Terminus…

- 30. Januar 1972 (Anm. d. Verf.: Der so genannte Bloody Sunday, an dem britische Fallschirmjäger in Derry 26 Zivilisten töteten)… Macht mich krank.

Und zum Schluss: warum der schräge Name „SIROCCO“? Laß mich raten; ihr wolltet den Titel „Beste Metal Band mit beknacktem und irreführendem Namen“… dabei denkt man doch wohl eher an eine tuntige Boy-Group aus Italien.

Haha, als wir damals nach einem Bandnamen suchten, tippte ich das Wort “Disaster” in den Thesaurus und raus kam “Sirocco”. Dummerweise peilte ich damals nicht, dass das ein Antonym war. Und als ich das endlich mitkriegt hatte, hatte uns PRIMORDIALs Nemtheang schon ein Logo Backdrop gemalt; und außerdem waren auch schon T-Shirts gedruckt. Naja, und jetzt wollen wir uns nicht mehr umbenennen.

Na dann, vielen Dank. Deine letzten Worte …

Ich danke dir für deine Zeit, und freu mich, dich in Ballylinan zu sehen. - Wenn du / ihr uns in Deutschland sehen wollt, bitte nervt eure lokalen Veranstalter solange, bis sie uns kontaktieren. Und wenn ihr unsere CDs nicht im Laden stehen seht, dann fragt bitte nach ihnen… In der Zwischenzeit, besucht uns auf www.siroccoband.com und addet uns unter www.myspace.com/siroccoband. Horns up!

www.siroccoband.com
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