Geschrieben von Chris Freitag, 05 März 2010 09:54
Undertow - Interview mit Bassist Tom zum Album "Don't Pray To The Ashes... "
Mit ihrer aktuellen Scheibe „Don't Pray To The Ashes" sind UNDERTOW in aller Munde, und das zurecht: Drei Jahre nach dem allseits gelobten „Milgram"-Album konnten die Schwaben noch ein ganzes Pfund drauflegen und ihren eh schon intensiven Sound mit viel Gefühl und herausragenden Hooklines verfeinern. Wir befragten Bassist Tom zur neuen Platte und erfuhren dabei unter anderem, welche Auswirkungen die Pole-Position im "Rock Hard"-Soundcheck hatte.
Hi Tom, erst mal Gratulation zu „Don't Pray To The Ashes" – das Album ist ein Meisterwerk! Sieht man sich die Resonanz von Fans und Presse an, sind sich darin auch offenbar alle einig. Seid Ihr selbst überrascht davon, wie gut die Scheibe bei den Leuten ankommt, oder habt Ihr bereits beim Songwriting gemerkt, dass da was „Großes" entsteht?
Hey Chris, vielen Dank für die Blumen! Die Resonanzen sind wirklich mehr als überwältigend, und das hätten wir so natürlich nicht erwartet. Wir hatten auch bei den vorherigen Alben oft richtig gute Reviews und nur sehr selten schlechte am Start – aber in der Masse ist das tatsächlich neu. Weder beim Songwriting noch im Studio ist uns der „Verdacht" gekommen, dass das (noch ;o)= ) stärker ist als unser seitheriges Material.
Der „große Durchbruch" war nie Euer Ziel, obgleich die Fans Euch das seit dem „34CE"-Album zutrauen. Haben die überschwängliche Reaktionen und der erste Platz beim Rock Hard Soundcheck konkrete Auswirkungen auf die Band?
Ich vermute mal, dass es für Bands auch ein recht schweres Schicksal ist, wenn man an den Start geht und sich sagt „OK, wir geben jetzt mal drei Jahre Vollgas und versuchen den Durchbruch und von der Mucke zu leben". Denn wenn's dann nach drei Jahren nicht geklappt hat, macht man dann den Laden zu und probiert's mit dem nächsten Projekt? Egal... bei uns ging's immer nur um den Spaß, den wir zu dritt an der Mucke haben.
Konkrete Auswirkungen lassen sich schwer feststellen, aber was sich tatsächlich vergleichen lässt, ist die Resonanz auf "Don't Pray..." im Vergleich zu "Milgram". Und da scheint die fast durchweg überschwängliche Rezeption doch was zu bewegen. Gerade in Sachen CD-Verkäufe, Mails und Einträge von Fans auf diversen Plattformen und auch Bestellungen im Undertow-Shop hab ich schon den Eindruck, dass das mehr ist als vor drei Jahren. In Sachen Booking sind wir auch gut dabei, mussten aber auch schon diverse Shows und Festivals wegen Terminproblemen ablehnen - leider!
In der Platteninfo sprecht ihr von einer „ausgedehnten Vorbereitungsphase" – wie viel Zeit habt Ihr in „Don't Pray To The Ashes" investiert, und was habt Ihr anders gemacht als beim Vorgänger „Milgram"?
Das mit der „ausgedehnten Vorbereitungsphase" kokettiert etwas mit dem Umstand, dass es (auch durch den Labelwechsel) halt wieder mal drei Jahre bis zum neuen Album waren. Wir investieren generell viel mehr Zeit in die Band, als wir nach logischen Gesichtspunkten eigentlich zur Verfügung haben dürften – bei den ganzen Sachen, die „nebenher" sonst noch so wichtig sind für uns.
Die Unterschiede zu „Milgram" sind aus meiner Sicht hauptsächlich soundtechnischer Art. Unser Produzent Roger Grüninger kennt uns seit Jahren und wir ihn natürlich auch; und der Mann feilt permanent an seinem Equipment. Zudem haben wir dieses Mal ganz stark darauf geachtet, dass die Drums so sind, wie wir uns das vorstellen – da gab's leichte Defizite beim Vorgänger. Diesesmal haben wir das Schlagzeug erst ganz am Schluss aufgenommen und dann auch noch mehrere verschiedene Takes angefertigt, sodass wir beim Mixen dann aus dem Vollen schöpfen konnten.
„Don't Pray To The Ashes" lautet der Titel der Scheibe, das Intro endet mit dem Satz „...my point ist that destiny is what you make it". Dagegen heißt es im Song „They Say Time Heals... I'm Still Waiting": „It's not true that time will heal as it is going by – Why should tomorrow feel suddenly different than today?". Also doch alle Mühen vergebens?
Nee, wir reden hier von zwei Paar verschiedenen Schuhen. Das Intro zielt auf die ewige Diskussion, ob man denn als Mensch, wenn man geboren wird, quasi schon durch genetische Vorgaben etc. einen vorbestimmten Weg hat und sich ganz katholisch in sein Schicksal ergeben sollte, weil man ja eh nix ändern kann, oder ob man durch eigenes Strampeln im Butterfass doch was bewegen kann – wir strampeln und halten uns in weiten Teilen für die Schmiede des eigenen Glücks.
Bei „Still Waiting" geht's um diesen Spruch, dass die Zeit alle Wunden heilt. Und ich weiß nicht, wie das bei Dir und den Lesern hier so ist, aber bei uns tut sie das nicht. Es ist keinesfalls so, dass wir permanent alte Wunden lecken und jammern, aber die Narben sind eben da und jucken dann und wann durchaus.
Wie wichtig sind Euch generell die Texte? „Don't Pray To The Ashes" kann einen ja ganz schön runterziehen... wäre da nicht der positive, tröstliche Titel, der im Kontrast zu den eher desillusionierenden Lyrics steht.
Texte sind uns bzw. mir sehr wichtig. Ich hab früher auch schon mal Alben wieder verkauft, weil sie hohle Texte hatten, so was geht nicht. Wir sind aber auch weit davon entfernt, die Texte an oberster Stelle zu positionieren. Ich bin immer wieder fasziniert, wenn ich in Interviews lese, dass bei Band XY der Text zuerst da war und dann angeblich die Musik dazu entstanden ist. Es war auch nicht unser Ziel, dass die Texte sonderlich deprimierend werden sollen, es kommt da immer, wie's kommt; aber ich würde hier einfach mal ausschließen, dass wir zukünftig trällernde Songs über die sonnige Wetterlage fabrizieren werden. Der Albumtitel bezieht sich auf ein Zitat von Gustav Mahler und zielt eher auf die Bretter vor dem Kopf, die manche Leute in der Szene so mit sich rumschleppen.
Dank Michelle Darkness' Gastgesang bei „Beyond Dreaming" dürft Ihr Euch nun Vergleiche mit TYPE O NEGATIVE anhören (zusätzlich zu CROWBAR). Wie kam es zu dieser sehr gelungenen Zusammenarbeit mit dem END OF GREEN-Frontmann?
Uns verbindet bereits seit vielen Jahren eine enge Freundschaft mit END OF GREEN. Ich glaube, wir haben mit keiner Band mehr gemeinsame Shows gespielt und wir würden jederzeit wieder mit ihnen spielen! Gerade die Sänger sind sich sehr nahe, und so kommt es immer wieder zu „Arbeitstreffen" zwischen den Goldkehlchen, wo sie dann auch immer das ein oder andere Getränk zu sich nehmen aber auch sehr produktiv sind. So hatte Joschi z.B. auf dem letzten Album der Greenies einen Credit bei einem Song, und Miss Darkness war ja auch auf unserem „UnitE"-Album schon mal zu hören.
Auf „Threedouble Chime" ist eine Sitar zu hören, „Smoke Garden" endet mit Pianoklängen und Jazz-Drumming. Eine tolle Sound-Erweiterung, wie ich finde – warum habt Ihr diese Instrumente nicht öfter eingesetzt?
Das wird immer von Fall zu Fall entschieden mit den „Zutaten". Der Mittelpart bei „Threedouble Chime" schrie quasi nach etwas in der Art, und die Idee zu den Pianoklängen am Schluss von „Smoke Garden" hatte der END OF GREEN-Sänger, als er die Vorproduktion gehört hat; und wir fanden die Idee offensichtlich auch sehr gut. Mit dem Jazz-Drumming: unser Rainer ist voller funky Drumstyles!
Welche Idee steckt hinter dem akustischen Schrammel-Song am Ende der Platte? Mich persönlich nerven Hidden Tracks eher, wenn man erst mal minutenlang zu ihnen hin spulen muss – obwohl der Track gelungen ist.
Schrammel-Song? Wie bitte? Ich muss Dir aber erst mal Recht geben in Sachen Hidden-Tracks, find ich auch eher suboptimal. ABER. „Everything" – wie der Song heißt – stammt nicht aus der Studiosession für das Album, sondern von der Vorproduktion, die wir im Proberaum recht rough durchgezogen haben. Wir haben im Studio dann allerlei probiert mit der Nummer, hatten ne Cellistin da, haben mit Samples und Synthies experimentiert usw. – aber am Schluss kam keine Version an die Intensität der Vorproduktion heran. Der Kompromiss mit dem Hidden-Track klang ganz schlüssig für uns...
„Milgram" erschien noch beim Label Silverdust, „Don't Pray To The Ashes" wurde jetzt bei Prevision veröffentlicht. Wie kam es dazu, nachdem Ihr das Album ursprünglich sogar in Eigenregie veröffentlichen wolltet?
Silverdust hat die Option fürs nächste Album nach „Milgram" nicht gezogen, und wenn wir keine andere Labelheimat gefunden hätten, dann wären wir's wohl in Eigenregie angegangen. Aber wir hätten gar keine Zeit für den Papierkrieg gehabt und sind froh, dass wir mit Prevision Music wieder nen starken und engagierten Partner für den Bereich gefunden haben.
Bei unserem letzten Interview hast Du noch ordentlich gegen MySpace gewettert, mittlerweile habt Ihr dort selbst einen Account und seid zudem bei Twitter und Facebook vertreten – die Zeiten ändern sich offenbar auch für Euch ...
Ich verstehe immer noch nicht, warum man als Band unbedingt ne MySpace-Seite braucht, aber egal... Veranstalter haben permanent nach MySpace gefragt, viele Fans auch und hey, der Kunde ist König. Da wir leider nicht METALLICA sind, können wir es uns auch nicht leisten, Wege zu ignorieren, die uns eventuell ein paar Interessenten mehr bescheren, warum also nicht!?
Was seht Ihr aktuell auf UNDERTOW zukommen und wie wollt Ihr selber Eure Zukunft gestalten?
Es stehen ne Menge toller Shows und Festivals auf dem Plan, und die ersten Ideen für neue Tracks werden auch schon im Proberaum angegangen. WENN wir unsere Zukunft selbst gestalten könnten, DANN würde das nächste Album keine drei Jahre auf sich warten lassen, wir würden ne Menge großer Festivals im In- und Ausland spielen und gerne auch etwas Geld mit der Band auf die Seite bringen – aber wir haben da leider relativ wenig Einfluss!
Viele alte Helden genießen aktuell ihren zweiten Frühling in der Metal-Szene, oldschool ist angesagt... Wo seht Ihr Euch denn in der aktuellen Musiklandschaft verortet, und was läuft bei Dir aktuell im Player?
Oldschool taugt mir nur in gewissem Rahmen. Also mit neuen Bands, die klingen als stammen ihre Alben und ihre Mucke aus 'ner Zeit, die 20 Jahre zurück liegt, kann ich recht wenig anfangen. Andererseits freu ich mich, dass FAITH NO MORE wieder Shows spielen, SOUNDGARDEN wieder Shows spielen werden und ALICE IN CHAINS zudem sogar wieder ein neues, bockstarkes Album vorgelegt haben. Aktuell in meinem Player, jeweils die aktuellsten Alben: Katatonia, Fear My Thoughts (R.I.P.!), Baroness, Clutch, Ghost Brigade, Raised Fist, The Haunted, Hackneyed, Russian Circles, Audrey Horne, Long Distance Calling. Und abseits von Gitarren: Peter Fox, Pantha Du Prince, Massive Attack, Sigur Ros, Johnny Cash, Frank Ramond, Sade, Fettes Brot, Everlast, Hayseed Dixie ...
Zum Abschluss die obligatorische Frage: Wann kommt Ihr endlich mal in den Norden?
Wir touren auf jeden Fall zwischen dem 29.10. und dem 6.11., und ich gehe mal stark davon aus, dass wir uns da nicht nur auf Süddeutschland verlegen werden. Köln, Hamburg, Berlin usw. stehen auf dem Plan. Wir werden wohl Co-Headliner sein, aber mehr kann ich dazu noch nicht sagen!
Vielen Dank für das Interview!
Nicht dafür, WIR danken!
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Chris
Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!