Geschrieben von Montag, 22 März 2010 20:58

Goldust - Interview mit Lars, Chris und Christoph zu "Destroyer / Borderlines"



GOLDUST aus Münster spielen zerrissenen und depressiven, aber dennoch extrem angepissten Hardcore, der sich gerne am Metal bedient, ohne dabei groß Klischees aufzufahren. Der Fünfer bringt dieser Tage sein zweites Album "Destroyer / Borderlines"
als Let It Burn Records-Debüt unter die Leute und ist dem Verfasser dieser Zeilen bereits als sehr energiegeladene Live-Band unter die Augen getreten. Mehr als Grund genug also, uns mal mit der Hälfte der Band über ihr Machwerk zu unterhalten.


Stell doch bitte mal dich und deine Band vor.


Lars: Die Band GOLDUST besteht aus Christoph Gerhard (Bass), Robert (Gitarre), Chris (Gitarre), Lars (Vocals) und Christoph (Drums). Das zweifelhafte Vergnügen hast du mit mir, Lars. Ich bin 28 und singe und texte in GOLDUST, einer Hardcoreband aus Münster, die seit September 2005 besteht, weitere Antworten folgen von Chris und Christoph Gerhard.

Ich habe euch letztes Jahr mit DEAD SWANS und THIS IS HELL in Essen gesehen. Seitdem ist viel passiert. Wie seid ihr zu Let It Burn gekommen, und was hat sich allgemein in den letzten Monaten bei euch getan?

Lars: Wir haben in der Vergangenheit ein paar Shows mit der Band vom Chris/LIB gespielt (THE BLACKOUT ARGUMENT), und dort muss er auf uns aufmerksam geworden sein. Ob es im Speziellen die Essen-Show war, wird nur er dir beantworten können. Die Reaktionen, welche uns an dem Abend seitens der Leute entgegen gebracht worden sind, waren unbeschreiblich. Wir sind an dem Abend zum ersten Mal auf Euro-Tour gegangen, haben unser damaliges neues Release, die "Noir" 7", vorgestellt und waren daher selbst unheimlich motiviert und gepusht. Dass es aber einen solchen Zustrom geben sollte, damit haben wir selbst niemals gerechnet. Ich selbst konnte erst Tage später realisieren, wie heftig die Show eigentlich war.
Eines Tages kam Chris/LIB auf uns zu und hat angefragt, ob wir uns vorstellen könnten, unser nächstes Release auf LIB zu machen. Soviel vielleicht dazu, hinzu kommt noch, dass Chris/LIB und unser Gitarrist Chris sich noch von früher her, von Konzerten im Münchener Umland, kennen. Außerdem, wieso sollte ein Chris/LIB nicht eine Band unter Vertrag nehmen, die drei Christoph's in der Besetzung hat? Es ist ein Zusammenschluss, und wir fühlen uns seitens LIB bis aufs Äußerste unterstützt. Das Vertrauen, welches LIB in uns und "Destroyer | Borderlines" steckt, finde ich unglaublich. Die Vinyl-Version wird übrigens rechtzeitig zur Tour mit STORM & STRESS über APIL erscheinen.
Ansonsten haben wir uns in der Zwischenzeit als Band wie sonst fast ausnahmslos zwei Mal die Woche im Proberaum aufgehalten, schreiben nebenbei neue Songs und spielen hier und da Shows.

Chris: Zudem haben wir im Dezember letzten Jahres noch eine Split 12" mit unseren Freunden von EVENWORSE veröffentlicht (bzw. über Final Exit Records veröffentlichen lassen). Das war auch so eine Herzensangelegenheit, die wir unbedingt machen wollten.

Ich werde bald euer Album reviewen. Wo seht ihr selbst eure Einflüsse? Helft mir doch mal, das Ding zu verschubladen – da kommt man ja in einem Review selten drum herum.

Lars: Diese Frage kann und will ich nicht beantworten, dazu bin ich nicht im Stande.

Chris: Von Schubladendenken halten wir alle ehrlich gesagt nicht besonders viel, für mich stellt es ein Ding der Unmöglichkeit dar, das angemessen zu machen. Das Album ist, was es ist, wer das "verschubladen" will, soll das gerne tun, wird sich aber wohl seine eigenen Gedanken machen müssen. Die Einflüsse sind so verschieden wie die Individuen, die hinter der Band stehen. Manche sind offensichtlicher als andere, und wer sich ernsthaft mit Musik auseinandersetzt, wird (hoffentlich) entsprechende Einflüsse ausmachen können.
Christoph Gerhard: Ich würde mich ehrlich gesagt sogar freuen, wenn das Album für Dich beim Hören in keine Schublade passt. Das würde ich als großes Lob empfinden.

Ihr kommt aus Münster, wo es immer eine gute Musik-Szene gab. Wie hat das alles bei euch angefangen, und ab wann wurde es langsam größer?

Lars: Es gibt viele gute und aktuelle Bands, und dazu möchte ich folgende zählen: ALPINISTt, RITUAL (mittlerweile Wahl-Münsteraner), PRESS GANG, NERVOUS BREAKDOWN. Münster ist, was Shows angeht, in den letzten Jahren durch den Wegfall eines relativ unkomplizierten Veranstaltungsortes wie der Baracke oder (aktuell) Lappe, eher schwach auf der Brust gewesen. Aber insbesondere sollte man in den kommenden Monaten die Veranstaltungen im Stadtteilhaus Lorenz-Süd und im Spec Ops im Auge behalten.
Für uns als GOLDUST fing die Geschichte erst wirklich mit dem Release der "Axis" CD/LP an. Es gab auf einmal ein größeres Interesse, das über unseren Bekannten- und Freundeskreis hinausging, und wir bekamen mehr Reviews und mehr überregionale Show-Angebote. Der Release der "Axis" war sozusagen ein Punkt, an dem wir herausfinden konnten, ob diese Band überhaupt einen Sinn da draußen hat. Letzten Endes schreiben und kreieren wir aber nur für uns, wir hätten so oder so weitergemacht.

Christoph Gerhard: Ich würde gerne noch DURANGO95 hinzufügen, wenn wir schon beim Name-Dropping sind. Und ich würde mich Lars anschließen, was die "Axis" betrifft. "Wendepunkt" oder "Durchbruch" sind als Begriffe da natürlich viel zu hoch angesiedelt, aber ab der "Axis" lief es irgendwie kontinuierlich rund für uns. Den nächsten - und wahrscheinlich wichtigsten und einschneidensten - Schritt für GOLDUST stellte dann unser Line-Up-Wechsel Anfang 2009 dar. Da ist Christoph als neuer Drummer zu uns gestoßen, und ich bin an den Bass gewechselt. Christoph war sowohl musikalisch als auch menschlich so ziemlich das Beste, was uns anderen Vieren hätte passieren können.

Soweit ich das lesen konnte, wollt ihr veganes Catering haben. Für was steht GOLDUST? Welche Philosophien kann man bei euch finden?

Lars: GOLDUST ist keine Band, die versucht, dir Werte zu vermitteln oder dir Ansichten den Hals runterzuschütten. Wir sind weder eine politische, noch jammernde, noch eine religiöse Band. Ganz klar haben die einzelnen Mitglieder klare Philosophien, die sie privat verfolgen, sei es verkürzt gesagt Veganismus/Vegetarismus oder auch (nur noch vereinzelt, haha) Straight Edge, aber auf die Gesamtheit bezogen betreffen diese die Band GOLDUST nicht. GOLDUST steht in erster Linie für die Freundschaft, die zwischen uns Fünfen herrscht. Ohne diesen Bestandteil hätte diese Band keinen Sinn. Jedes Mitglied bringt seine Gefühle, sein Potential und seine Empfindung in diese Band und in den Entstehungsprozess der Songs. Im Studio wird dies als Vertonung gebannt, und live vermischen sich diese Gefühle und werden offenbart. Ich möchte hier zum Ausdruck bringen, dass ich froh sein kann, trotz aller meiner dunklen Phasen und Schwierigkeiten, die mit meiner Person verbunden sind, solche Freunde in meinem Rücken zu haben. Das kann ich nicht mit Worten bemessen.

Chris: Ich denke auch, dass die Band primär Ausdruck unserer Freundschaft ist, so kitschig das jetzt klingt. Ich glaube, man kann nicht in ein, zwei Stichworten sagen, wofür die Band steht.

Was bedeutet euer Name eigentlich, oder stehe ich da nur auf dem Schlauch?

Lars: Der Name GOLDUST hat keine Bedeutung, es handelt sich um einen abiträren Begriff, in dem jeder selbst sehen kann, was er möchte. Der Name reflektiert nur die Band an sich.

Chris: Lars und ich haben uns damals primär der Phonetik wegen für den Namen entschieden, er hat keine tiefere Bedeutung, außer dass es unser Bandname ist. Manchmal wünsche ich mir, wir hätten irgendwie einen Namen mit Blood und Kill und einem Monatsnamen gewählt, dann würden die Fragen danach vielleicht mal aufhören, hahaha.

Christoph Gerhard: Bloody November Kills. Oder gibt's da etwa auch 'nen Wrestler, der so heißt? Haha

Ihr vermischt Hardcore und Metal, ohne dabei im geringsten nach Metalcore zu klingen. Wie steht ihr dieser Szene gegenüber?

Lars: Seltsam, ich habe letztens darüber nachgedacht, wieso ich z.B. BLEEDING THROUGH oder THROWDOWN nicht mehr wirklich als Hardcore-Bands ansehe. Sie stammen ganz klar aus dem Hardcore-Background und haben auch ein gewisses Mindset zugrundeliegend, z.B. Straight Edge oder Vegetarismus/Veganimus. Ich bin für mich zu dem Punkt gekommen, dass zu einer Hardcore-Band ein gewisser Sound gehört und ein gewisser Anspruch, "klein" zu bleiben. Und je mehr ich aber drüber nachdenke, desto weniger kann ich diese Frage klar beantworten. Ich halte den Metalcore, wie er in einschlägigen Medien vertreten ist, für überaus oberflächlich, zu sehr auf Effekthascherei konzentriert und vor allem zu kommerzialisiert. Es gibt hingegen aber auch weiterhin integeren Metal(core), wie z.B. HEAVEN SHALL BURN. Was nicht heißt, dass ich mir nicht gerne EIGHTEEN VISIONS, POISON THE WELL oder NORMA JEAN anhöre. Für meinen persönlichen Musikgeschmack hat diese Schubladensortierung aber keine Bedeutung, der Großteil der aktuellen Metalcore-Sachen interessiert mich schlichtweg nicht.

Chris: Der aktuellen Metalcore-Szene stehen wir gar nicht gegenüber, sie interessiert sich nicht für uns (verständlicherweise), und uns ist das ziemlich egal. Wenn jetzt Metalcore-Kids auf unseren Shows auftauchen, gerne, wenn nicht, dann eben nicht. Musikalisch gibt mir das, was man heute als Metalcore versteht, allerdings zu 99% gar nichts.

Was könnt ihr uns zu euren Lyrics und dem Artwork der neuen Platte sagen?

Lars: Es handelt sich um ein zusammengewebtes Werk aus Fließtext, Lyrics und Klang und Bild. Die "Destroyer | Borderlines" beschreibt inhaltlich Symptome eines persönlichkeitsgestörten, zerrissenen menschlichen Wesens, das keinen Platz für sich in dieser Welt sieht und von anderen als krank und abnormal verstanden werden würde. Seine Störungen, sein Unvermögen, sein Kontrollverlust (über sich selbst), aber auch seine Leidenschaft und seine Abscheu werden schonungslos entblößt. Das Artwork wurde von unserem engen Freund Daniel Ehrlich entworfen, der schon früh rudimentäre Teile des Vorwortes und der Lyrics kannte. Unseres Erachtens hat er sich dieses Mal selbst übertroffen und hätte unsere Vision der "Destroyer | Borderlines" nicht besser darstellen können.

Wenn ihr euch vier Bands für eine Welttournee aussuchen könntet (meinetwegen auch schon seit 50 Jahren aufgelöste Bands oder verblichene Musiker), mit wem würdet ihr für ein halbes Jahr auf Tour gehen?

Lars: Wenn ich es mir wirklich aussuchen könnte: SEED OF PAIN, BLACK SABBATH (gerne mit dem Alter, Aussehen und den Fähigkeiten zu Zeiten der ersten drei Alben), CROWBAR und REVERSAL OF MAN.

Chris: BLACK SABBATH ist auch auf meiner Liste, außerdem ganz klar BLACK FLAG mit dem Line-Up der "My War"-Demos von 82, SLAYER bis 89 und DAMNATION AD in den 90ern.

Christoph Gerhard: Wahrscheinlich auch BLACK SABBATH, dann auf jeden Fall noch METALLICA mit Cliff Burton, CONVERGE und BARONESS. Dann könnte ich die ganze Tour lang jeden Abend sabbernd den jeweiligen Musikern auf die Finger gucken.

Ihr habt ja mittlerweile etwas Abstand zu den Aufnahmen der Platte. Gibt es schon Kleinigkeiten, die Euch auffallen, so nach dem Motte „ach, das hätte man vielleicht noch anders/besser machen können"?

Lars: Ja, definitiv ist das der Fall. Ich würde ein paar Dinge vocal-technisch anders machen oder andere Textstellen verwenden und umschreiben; es sind wahrscheinlich ganz andere Abschnitte, als die, die mancher vermuten würde. Ich kann niemals zufrieden sein mit dem, was ich versuche, zu Stande zu bringen. Das liegt nicht in meiner Natur. Ich bin hauptsächlich nur zu Zweifeln und Unsicherheitsbekundung fähig.

Christoph Gerhard: Ja, die gibt es definitiv - zum Glück. Christoph, unser Drummer, hat mal irgendwas gesagt, dass Zufriedenheit immer eine gewisse Stagnation mit sich bringt. Da steckt, glaube ich, viel Wahrheit drin.

Chris: Sicher, solche Sachen gibt es immer. Unsere Aufnahmen entstehen immer unter mehr oder weniger extremem Zeitdruck, da kann man einfach nie solange rumprobieren und rumfeilen, bis alles allen zu 110 Prozent gefällt. Dennoch denke ich, dass wir angesichts der Umstände schon das Beste aus der Studiozeit rausgeholt haben.

Famous Last Words?

Lars: Get The Kid With The Sideburns!

Christoph Gerhard: House.

Chris: Roadhouse!

http://www.myspace.com/goldusthc
Kai