Geschrieben von Pändy Samstag, 15 Mai 2010 16:17
Die Zukunft (Bernadette La Hengst, Knarf Rellöm & Guz) - Freiburg / The Great Räng Teng Teng
08.05.2010 - Hin und wieder kommt es vor, dass man sich bei Selbstbefragungen ertappt, was einem die Zukunft denn wohl so bringen möge. Meist enden Hirnmarter wie Grübelei schlicht ergebnisfrei, weshalb man bald besser dran wäre, solche Befragereien tunlichst zu vermeiden. Doch statt sein Geld nun in bilderbuchhaft verschrobene Gestalten mit mysteriösen Glaskugeln zu investieren, bezahle man besser etwas Geld für höchst eigenwillige, positiv anders geschraubte Musik, auf dass uns die Künstler auch in künftigen Zeiten noch oft beglücken können.
So wurden vor zwei Jahren drei solcherart Musizierende von einem hiesigen Plattenlabelbetreiber für eine ursprünglich einmalige Sache zusammengetrommelt. Hierbei fanden Bernadette La Hengst, Knarf Rellöm & Guz offenbar so viel Spaß miteinander, dass sie in der Folgezeit gleich ein ganzes Album aufnahmen, einen verheißungsvollen Bandnamen drauf schrieben und sich damit umgehend auf Tour begaben. Am Samstagabend hatte ich denn also das Glück, Die Zukunft nicht nur leibhaftig sehen, sondern gleich auch noch hören zu können! Und wie!
Knallvoll war‘s bis Konzertbeginn in dem kleinen, dunklen Keller im Herzen der Schwarzwaldmetropole. Waren es hundert Leute? Oder gar mehr? Nicht wenige mussten jedenfalls draußen bleiben, um die Gemäuer nicht zum Bersten zu bringen. Passend zur Lage der Lokalität kam das Eröffnungsstück "In einem schwarzen Unterseeboot", ein leicht angejahrter Guz-Song in natürlich neuem, dem Sound des Trios geschuldeten Gewand. Sehr erfrischend wirkte der elektronische Groove von Bernadette, der des Lieblings-Schweizer‘s Gesang wie auf Wellen trug, percussiv von Knarf (u. a. auf den Lüftungsrohren) vorzüglich abgerundet. Sofort war spürbar: diese drei ham Spaß! Und mit eben diesem beglückten sie die Menschen mit in loser Folge dargebotenen Songs von "Sisters & Brothers", ihrer noch presswerkfrischen Platte.
Doch wie soll dieser Sound nun beschrieben werden? Als kreischbunter und dauergroovender Stilmix aus Elektronik, Rock, Pop, Blues, Soul, Dancefloor, Dub, durchwoben vom herzhaft anarchistischen Geist des Ur-Punk vielleicht? Anyway, Genre-Schubladen sind zum Öffnen da, und sind sie offen, nimmt man sich raus, was gefällt...
Guz war meist an der Gitarre beschäftigt, gelegentlich am Bass, Knarf an Bass und Schlagzeug, zwischendurch an der Harp und auch sonst mal irgendwie Geräusche produzierend, Bernadette an Elektronik, Bass, Gitarre und Drums - so viel zumindest war mit meist etwas eingeschränkter Sicht zur Bühne auszumachen. Gesungen haben selbstverständlich alle - mal alleine, mal im Chor, mal als Background und dann wieder alles im Wechsel.
Vorgetragen wurde mit hemdsärmeliger Eleganz und verschwitzt-verschmitztem Charme, mit Humor und Witz, Reflektiertheit und Selbst- wie Fremdironie; ganz nach Art der Texte, die kein Blatt vor den Mund nehmen, sich und andere nicht schonen, gerne gesellschaftliche Missstände aufzeigen, doch nie anklagen - und häufig einfach nur amüsieren. Dementsprechend verlief auch die Kommunikation on stage bevorzugt sympathisch stichelnd. Man merkte leicht: niemand von den dreien muss sich oder anderen noch groß etwas beweisen, allesamt sind sie kleine Ikonen, die sich liebend gerne ins gegebene Gefüge fügten. Nicht zuletzt das Publikum wurde auf dieselbe Art immer wieder angesprochen oder bekam die eine oder andere Anekdote erzählt, so dass nebst Trommelfell-Streicheleinheiten in vorzüglich aufbereiteter klanglicher Qualität zudem jederzeit hoher Unterhaltungswert inbegriffen war und man sich aufs Beste amüsieren konnte.
Das Set war außerdem natürlich mit Songs von diversen Herkunftsbands des Trios angereichert (z. B. "Primitiv" von der tollen letzten Guz-Platte), sowie (vermutlich) der einen oder anderen Coverversion, so dass die Zukunftler sich binnen hervorragender 110 Minuten in einen kleinen Rausch zu spielen schienen. Es wurde gerockt und gegroovt, es wirbelte Melodien und Ohrwürmer, es wurde gegrummelt, gehüpft und karikiert, dabei endlos Charme bis in die letzten Ritzen des Raumes versprüht - und die Songs klangen gar noch besser als auf Platte. Selbst das Publikum, das in nicht kleinen Teilen für meine Begriffe erstaunlich lange einen eher reglosen Eindruck machte, konnte bis zum Schluss praktisch durchweg in Bewegung gebracht werden, so dass das einzige Manko jenes unvermeidliche war, dass einfach alles irgendwann ein Ende hat...
Da fällt es natürlich extrem schwer, einzelne Highlights zu benennen. Doch sollte eines hier unbedingt Erwähnung finden: beim herzlich entspannten "Lass uns Drogen nehmen und rumfahrn" ließen sich die Künstler nicht entgehen, ihren quasi Zwangs-Gründer auf die Bühne zu zitieren und den Background singen zu lassen. Und: jawohl, er meisterte diese ihm obliegende hehre Aufgabe ausgesprochen gut!
So waren kurz nach Mitternacht durchweg glücklich verschwitzte Mienen zu sehen, es wurde sich noch mit Tonträgern eingedeckt, (legale!) Drogen genommen und rumgefallen - äh, -gehangen - bis schließlich irgendwann doch dem inneren Ruf nach der heimischen Bettstatt nachgegeben werden musste...
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