Geschrieben von Fabien Samstag, 28 August 2010 17:52
Obituary, Cerebric Turmoil, Requital & Defeated Sanity - Berlin / Lido
Todesanzeigen aller Art im Berliner Lido: Neben den Old-School-Meistern OBITUARY gibt’s noch eine ordentliche Schlammpackung Tech-Death auf die Ohren.
Vornehmes Späterkommen hat sich im Lido schon oft als fatal erwiesen; bereits mehrfach habe ich dadurch Vorbands verpasst. An diesem Donnerstag soll mir das nicht passieren. Pünktlich zum Einlass um 19 Uhr stehe ich auf der Matte – und sitze erst mal eine Stunde fast allein rum. Als CEREBRIC TURMOIL die Bühne betreten, sind kaum mehr als dreißig Leute im Club, und auch die verteilen sich hauptsächlich auf die Sitzgelegenheiten und den langen Bartresen. Soll mir aber recht sein, so habe ich vor der Bühne wenigstens Bewegungsfreiheit beim Fotografieren.
CEREBRIC TURMOIL spielen heute ihren ersten Gig seit zweieinhalb Jahren, erst vor kurzem hat Gitarrist Martin die Band wiederbelebt. Leider scheint das kaum jemand mitbekommen zu haben, zumal im Programm des Lido stattdessen WEAKENED VITALITY stehen. Die Band nimmt's jedoch gelassen; Sängerin Priscila (Ex-SINNERS BLEED, Ex-ARISE) ist gut gelaunt und lächelt den wenigen Leuten ein paar nette Ansagen entgegen, wirkt aber dennoch etwas gehemmt. Der break-lastige, sehr verfrickelte Tech-Death der Band kommt bei dem wenigen Publikum auch leider kaum an, obwohl ein paar Jazz-Einlagen á la WAR FROM A HARLOT'S MOUTH die Songs auflockern und für Aha-Momente sorgen. Für den ersten Gig seit zweieinhalb Jahren dennoch solide.
Nach nur kurzer Pause entern REQUITAL die Bühne. Die vier Jungs sind im Berliner Untergrund bereits seit längerem eine Hausnummer, waren mir aber noch nicht bekannt. Das wird sich ändern, denn REQUITAL begeistern von vorne bis hinten! Ihr Groove-orientierter Death Metal, Marke „CANNIBAL CORPSE meets AMON AMARTH“, ist abwechslungsreich und wird durch ein paar markante Screams sowie kleine Choreo-Elemente (Synchron-Headbanging und -Propeller) zusätzlich gewürzt. Nur sollten sie sich abgewöhnen, quälend lange, unkommentierte Trinkpausen zwischen den Songs einzulegen und gleichzeitig zu behaupten, sie hätten nur wenig Zeit für ihr Set. Von solchen Kinkerlitzchen abgesehen: Top!
Als dritte Band des Abends sind anschließend DEFEATED SANITY an der Reihe. Interessanterweise geht damit erneut ein Stilwechsel einher, was die meisten Anwesenden jedoch mehr befremdet als erfreut. Da verständlicherweise der Großteil der Zuschauer im mittlerweile vollen Lido wegen OBITUARY gekommen ist, gibt es entsprechend wenig Zuspruch für den extrem brutalen Deathgrind der vier Berliner. Und selbst wenn man sich dafür interessiert, ist es unfassbar schwierig, aus dem krass verzerrten, abgrundtiefen Wurstsound und dem Gegurgel des Sängers auch nur eine musikalische Nuance herauszuhören. Ein paar Leute bangen und gröhlen trotzdem. Hoffen wir, dass die Band trotzdem Spaß hatte.
Nach wiederum erfreulich kurzer Umbaupause gehen OBITUARY ohne Intro direkt auf die Zwölf. Mit Aushilfsbasser Terry Butler (SIX FEET UNDER) wird zur Einleitung, wie immer seit dem Comeback-Album „Frozen In Time“ (2005), „Redneck Stomp“ gespielt – und wie immer ist es verblüffend, welche Wucht ein derart einfaches Riff haben kann! Spätestens als zwei Minuten später John Tardy die Bühne betritt und in „On The Floor“ einstimmt, ist im Lido die Hölle losgebrochen. Die gut 500 Leute toben und feiern wie im „Titty Twister“!
Auch ein anderes OBITUARY-typisches Phänomen gibt es zu beobachten: Die Band spielt ohne Setlist, was dazu führt, dass zur Mitte des Konzerts kaum noch jemand weiß, welcher Song von welchem Album gerade gespielt wird. Doch das interessiert niemanden, OBITUARY werden abgefeiert wie Borussia Dortmund nach einem Auswärtssieg auf Schalke. Ein paar Eckdaten lassen sich vernehmen, „The End Complete“ ist dabei, „Find The Arise“, „Cause Of Death“ und der eine oder andere neuere Song. Da OBITUARY aber OBITUARY sind und immer sein werden, hätten sie auch „Darkest Day“ komplett spielen können – solang zum Schluss „Slowly We Rot“ kommt, hätte sich niemand daran gestört.
Nach gut 75 Minuten, kurz nach halb zwölf, ist der Spaß vorbei. Beim Rausgehen sieht man ausschließlich glückliche Gesichter.
Fotos (c) BurnYourEars / Fabien Blackwater
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