Geschrieben von Chrischi Sonntag, 17 Oktober 2010 14:09
Blind Guardian, Van Canto, Steelwing & Enforcer – Düsseldorf / Philipshalle
Dass man von dem Heimspiel von BLIND GUARDIAN (Krefeld liegt ja quasi um die Ecke), das laut Band immer einen der Tourhöhepunkte darstellt, einiges erwarten kann, ist klar. Dass die Deutschen, die mit "At The Edge Of Time" jüngst das beste Album seit vielen, vielen Jahren veröffentlicht haben, aber tatsächlich so gigantisch abgefeiert werden, führt dann doch ein ums andere Mal zu einer dicken Gänsehaut.
Nein, es ist wirklich zu keiner Zeit empfehlenswert, erst über die A4 und dann die A3 nach Düsseldorf zu fahren. Obwohl es durch das Länderspiel gegen die Türkei eine Bundesliga-Pause gibt, sind der Kölner Ring und die Gegend rund um Düsseldorf so verstopft, dass sich die Hinfahrt extrem zieht und meine Begleiter und ich erst spät in der bereits ziemlich vollen Philipshalle eintreffen.
Obwohl auf den Eintrittskarten und der Homepage der Philipshalle 20:00 Uhr als Beginn angegeben ist, sind STEELWING gegen halb acht bereits mitten im Set. Der tief in den Achtigern verwurzelte Heavy Metal macht Laune, amüsieren kann man sich natürlich über die Outfits der Musiker, die genauso aussehen, wie die Musik klingt (Spandexhosen, weiße Tennissocken, lange Schweißbänder). Die Musiker meinen es aber durchaus ernst und sind sichtlich davon begeistert, bereits nach einem Album für eine solch bekannte Band wie BLIND GUARDIAN eröffnen zu dürfen.
Als VAN CANTO auf die Bühne steigen, wundere ich mich etwas, da ich immer noch auf ENFORCER warte. Die haben aber anscheinend abgesagt; warum, ist mir leider nicht bekannt. Das deutsche Acapella Metal-Gespann beäuge ich anfangs misstrauisch, da ich mit den CDs nicht viel anfangen kann. Die Idee dahinter ist zwar nett, die eigenen Songs auch durchaus gelungen, aber trotzdem fehlt mir auf CD ein wirklicher Bass und Gitarren. Live sorgen die Sänger inkl. Drummer aber für enorm viel Stimmung, sowohl mit eigenen Songs als auch mit Coverversionen. Wenn mehrere Tausend Leute bei "Rebellion (The Clans Are Marching)", "Wishmaster" und "Fear Of The Dark" einer solch speziellen Band zujubeln, als ob es sich um den Headliner handeln würde, ist das schon sehr beeindruckend. VAN CANTO machen an diesem Abend alles richtig, die freudigen Ansagen sind ehrlich und voller Respekt für die BLIND GUARDIAN-Fans, die die bekannten Coverversionen lautstark mitsingen und kräftig Zugaben fordern. Eine sehr stimmungsvolle Performance einer ungewöhnlichen Band, die zumindest live sehr stark ist.
Durch das Internet konnte man sich schon im Vorfeld einen Überblick darüber verschaffen, welche Songs man von BLIND GUARDIAN erwarten kann. Wie ich bereits vermutet hatte, eignet sich der Opener "Sacred Worlds" mit seinem stimmungsvollen Intro als perfekter "War Of Wrath"/"Into The Storm"-Ersatz und geht direkt in "Welcome To Dying" über, das nach wie vor zu einer der stärksten BLIND GUARDIAN-Speednummern überhaupt gehört. "Nightfall" wid ebenso kräftig mitgesungen wie "Born In A Mourning Hall", die Stimmung in der Düsseldorfer Philipshalle ist bestens, die Musiker sehr gut aufgelegt. Wie gewohnt halten sich Michael "Mi" Schüren (Keyboards) und Oliver Holzwarth (Bass; kommt nur bei manchen Instrumentalpassagen mal nach vorne) im Hintergrund, während Hansi Kürsch, André Olbrich und Marcus Siepen direkt am Bühnenrand stehen. Die Setliste lässt kaum einen Wunsch offen, "Fly" vom ungeliebten "A wist In The Myth"-Album funktioniert wie schon 2006 live ziemlich gut, während bei "This Will Never End" die Stimmung ein wenig absackt.
"Time Stands Still (At The Iron Hill)" und "Valhalla" bringen diese jedoch wieder zum Kochen. Gerade letzteres zählt mal wieder zu einem der absoluten Höhepunkte, der von wirklich jedem in der Halle mitgesungen wird. Selbst während der Ansagen zu den nächsten Songs branden immer wieder "Vahalla, deliverance – why've you ever forgotten me"-Chöre auf. "Traveller In Time" ist zusammen mit der atmosphärischen Lagerfeuerballade "A Past And Future Secret" ein weiterer Gänsehautmoment, während im Zugabenblock neben "Lost In The Twilight Hall" und dem finalen "Imaginations From The Other Side" dann endlich der "Bard's Song" zum Zuge kommt, der wie erwartet ein himmlisches Vergnügen darstellt, auch, wenn Hansi meines Erachtens etwas zu viel singt. Die Fans sind nach der Ansage, dass diese Version gerade mitgeschnitten wurde, natürlich nicht mehr zu halten. Vom neuen Album gibt es neben dem Opener übrigens nur das klasse "Wheel Of Time" und "A Voice In The Dark" zu hören, obwohl BLIND GUARDIAN angekündigt hatten, das Album breit live vorzustellen.
Die Bühnenshow ist nett, wenn auch nicht spektakulär: Eine Videoleinwand zeigt die Songs unterstützende Bilder und Animationen, links und rechts sind die Wächter-Figuren des Albumartworks zu sehen, und bei "A Past And Future Secret" gibt es die obligatorischen Feuer. Ansonsten konzentrieren sich die Beteiligten auf das Wesentliche, nämlich die Musik. Und das klappt hervorragend, instrumental gibt es nicht ein einziges Mal etwas zu meckern. Allerdings ist es äußerst schade, wie Hansi Kürsch in den hohen Passagen krächzt (wenn er sie so singt und nicht gleich eine tiefere Stimmlage benutzt). Zwischen den Performances auf der "Live"-CD Anfang der 2000er und dem heutigen Auftritt liegen in den hohen (!) Passagen Welten. Besonders krass ist es bei dem einleitenden "Ohohoh" von "Traveller In Time", in dem entweder der Gesang völlig übersteuert ist oder Hansi wirklich bei jedem einzelnen Ton meterweit daneben liegt. Anlass zur Kritik gibt auch der Sound, denn während STEELWING und VAN CANTO gut ausbalanciert sind, aber einen Tick lauter hätten sein können, wird es nach anfänglich gutem BLIND GUARDIAN-Sound hinterher viel zu laut und undifferenziert.
BLIND GUARDIAN-Fans schweben nach dem generell sehr gelungenen, von minimalen Schönheitsfehlern begleiteten Konzert natürlich ganz hoch oben auf Wolke sieben. Wer so eindrucksvoll Gas gibt und es schafft, sich so dermaßen von seinen Fans abfeiern zu lassen, darf gerne sehr, sehr bald wiederkommen.
Setliste:
Sacred Worlds
Welcome To Dying
Born In A Mourning Hall
Nightfall
Fly
Time Stands Still (At The Iron Hill)
Traveller In Time
Valhalla
A Past & Future Secret
This Will Never End
Bright Eyes
A Voice In The Dark
Mirror Mirror
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Lost In The Twilight Hall
The Bard´s Song
Wheel Of Time
Imaginations From The Other Side
http://www.blind-guardian.com
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