Geschrieben von Donnerstag, 28 Oktober 2010 00:00

Dark Tranquillity & Insomnium - Berlin, Lido


darktranquillity-lido


DARK TRANQUILLITY und INSOMNIUM gemeinsam auf Tour – Melodeath-Herz, was willst du mehr?

Obwohl es sich beim Konzerttermin um einen Sonntagabend kurz vor der Winterzeitumstellung handelt – ergo alle Anwesenden am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen und schweren Gliedern zur Arbeit fahren werden – ist das Lido rappelvoll. Ausverkauft ist das ehemalige Kino in der Kreuzberger Cuvrystraße zwar nicht, trotzdem steht man sich gegenseitig auf den Füßen.

Das Lido ist ein toller Liveclub mit schöner Bühne, super Licht und astreinem Sound. Neben dem Saal gibt es eine geräumige Merchecke und dahinter eine große Lounge mit zahlreichen Sitzgelegenheiten und außenliegendem Raucherbereich. Ausnahmsweise gibt es an diesem Abend statt dem gewohnten 0,33-Flaschenbier für 2,80 (Marke Astra) 0,4-Becher für 3 Euro. Macht mehr Bier pro Euro, entsprechend gut ist die Stimmung unter den ca. 600 Leuten.

Wie gewöhnlich betrete ich den Club genau in dem Moment, als die erste Vorband ihren letzten Song beendet. Somit kann ich noch nicht erfahren, ob EXUVIATED eine gute Liveband sind.

INSOMNIUM hingegen sind eine sehr gute Liveband – diese Erfahrung konnte ich bereits vor drei Jahren bei der Tour mit AMORPHIS und SWALLOW THE SUN machen. Die vier Finnen schaffen es immer wieder, eine Brücke zu schlagen zwischen melancholischer Grundstimmung, ausladenden Songstrukturen auf der einen Seite sowie Spaß und Leidenschaft auf der anderen. Eine Band mit Songs, die nicht selten zwischen sechs und acht Minuten lang sind und bei denen zahlreiche Spuren vom Band mitlaufen, sollte nach allgemeinem Empfinden eigentlich Probleme haben, beim Publikum zu landen, oder nicht? INSOMNIUM umschiffen diese Klippe bravourös. Die großartigen, mitreißenden Gitarrenharmonien und -melodien setzen sich sofort im Kopf fest und legen dort ein Feuer, das noch Stunden später lodert. Diese Band kann man sich jeden Tag angucken, ohne dass es jemals langweilig wird.

Zudem sind die Finnen unglaublich sympathisch – großen Anteil daran hat Sänger und Bassist Niilo Sevänen, der ein bisschen Deutsch spricht und mit seinen Ansagen die Herzen des Berliner Publikums im Sturm erobert. Zudem hält sich die Band nach ihrem Auftritt in der Lounge auf und quatscht fröhlich und offen mit jedem, der eine Frage hat. Vorbildlich!

Nach angenehm kurzer Umbaupause von gerade einmal 15 Minuten entern auch schon DARK TRANQUILLITY die Bühne. Statt eines Backdrops hängt hinter dem Schlagzeug eine raumfüllende Leinwand, die zu (fast) jedem Song passende Visualisierungen zeigt, teils sogar mit taktgenau platzierten Textauszügen. Klar, dass die Band für solche Finessen nach Klick spielen muss – angenehmerweise fällt dies durch perfekte Abstimmung der Songübergänge aber gar nicht auf.
Auch sonst bieten DARK TRANQUILLITY vom ersten Schlag an eine saugut organisierte Show, die durch ständige Positionswechsel auf der Bühne, extreme Publikumsnähe und kraftstrotzende Performance durchweg begeistert. Sänger Mikael Stanne im Zentrum der Aufmerksamkeit springt grinsend von einer Monitorbox zur anderen, beugt sich bis auf Augenhöhe zum Publikum herunter und feuert gestenreich jeden einzelnen im Saal an. Bei seinen Ansagen zeigt er sich beeindruckt von der begeisterten Reaktion des Publikums, scherzt gut gelaunt herum und wird nicht müde zu betonen, wie überwältigt er sei, dass so viele Leute an einem Sonntagabend zu ihrem Konzert gekommen sind.

Das Publikum im Gegenzug liegt Stanne und seiner Band zu Füßen. Zwar kann man am Ende des Abends auch einige kritische Stimmen vernehmen, die sich mehr älteres Material gewünscht hätten – während des Konzerts hingegen sieht man fast ausschließlich begeisterte Mienen. Und Grund zur Kritik gibt es wirklich keinen: Der Sound ist superb, das Licht ebenso, die Band sympathisch und bewegungsfreudig, das Set neunzig Minuten lang und mit drei Songs Zugabe... und am Ende versprechen DARK TRANQUILLITY sogar noch, bald wieder nach Berlin zu kommen.

Melodeath-Herz, was willst du mehr?
Fotos © BurnYourEars / Fabien Blackwater