Geschrieben von Fabien Samstag, 20 November 2010 00:00
Airbourne, Enforcer & Black Spiders – Berlin, Huxley's
Veni, vidi, vici: AIRBOURNE kommen auf die Bühne, reißen alles ab und alle Anwesenden mit – und fertig. Purer Wahnsinn.
Eine knappe Woche vor dem Konzerttermin wurde die Veranstaltung von der C-Halle in das Huxley's verlegt. Ungefähr 1.500 Besucher kommen, sodass noch etwas Platz zum Bewegen bleibt und das Bierholen auch nicht allzu lange dauert.
Als ich die Halle betrete, stehen BLACK SPIDERS schon auf der Bühne. Ärgerlich, dass in Berlin die Vorbands fast immer vor dem offiziellen Beginn auf die Bretter müssen. Oft ist mir das wurscht, wenn ich die Vorbands nicht kenne. Von BLACK SPIDERS jedoch hätte ich gern mehr als nur die letzten drei Songs gesehen, denn der Blues-geschwängerte Hard Rock der fünf Briten (mit drei Gitarren) macht reichlich Dampf unterm Hintern. Man stelle sich BLACK SABBATH mit einer Sahnehaube CREAM vor, und als Cocktailkirsche obendrauf ein Hauch von B.B. KING. Trotz relativ starrer Performance und verbesserungsdürftigen Ansagen wissen die Kerls zu überzeugen.
ENFORCER kannte ich bis dato auch noch nicht, wurde von den fünf jungen Schweden aber überzeugt, ihnen zukünftig einiges an Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Und ENFORCER geben sich auch reichlich Mühe – die nur leider nicht fruchtet, da der Sound unterirdisch schlecht ist. Das Schlagzeug matscht, der Bass dröhnt, die Gitarren klirren und der Gesang ist praktisch nicht vorhanden. Ein verdammtes Todesurteil für ENFORCER, deren Wir-lassen-die-Achtziger-auferstehen-Speed-Metal dadurch zu einem undefinierbaren Krach wird. Um die Musik „hören“ zu können, muss man den Musikern auf die Finger gucken.
Man kann gar nicht genug betonen, wie schade dieser Umstand ist! Denn ein kurzer Check bei Youtube verrät, dass ENFORCER sautalentiert sind und mitreißen können. Im Huxley's lässt sich leider niemand beeindrucken – außer mir. Ich freu mich schon darauf, die Jungs bald wieder und mit besserem Sound zu sehen. Das wird ein Erlebnis!
Bei AIRBOURNE ist schon vorher klar: Wenn der Sound gut ist, haben die Australier schon gewonnen. Abgefeiert wird die Band schon, bevor sie auf die Bühne kommt. Der weißhaarige Backliner, Typ Biff Byford, verzichtet auf das übliche „Check, one, two“ beim Mikrofoncheck und schmettert stattdessen ein langgezogenes „Yeah“ ins Publikum, was auch dankbar von den Leuten aufgenommen wird. Zehn Minuten später gehen die Lichter aus, die „Terminator“-Titelmelodie an und das Publikum ab.
AIRBOURNE stürmen auf die Bühne, Frontmann Joel O'Keeffe schon oberkörperfrei und nass wie nach einem Vollbad – und als der Opener „Raise The Flag“ nach vier Minuten vorbei ist, fällt es schwer zu glauben, dass diese Energie, das ununterbrochene Headbanging anderthalb Stunden lang durchzuhalten ist.
AIRBOURNE aber beweisen, dass es möglich ist. Ständig sind Bassist Justin Street und Gitarrist David Roads auf der Bühne unterwegs, singen alle Refrains mit und schütteln sich auch die letzte Schuppe aus den langen Haaren. Trotz dieser beiden Kraftprotze an seiner Seite ist Joel O'Keeffe der unzweifelhafte Mittelpunkt des Geschehens. Bei jedem Gitarrensolo springt er am äußersten Bühnenrand umher, schmeißt Gelächter, Hard-Rock-Posen und Blitze ins Publikum und animiert zum Mitsingen und zu maximaler Bewegung.
Und wer bei „Hellfire“ und „Diamonds In The Rough“ nicht mitmacht, muss wirklich tot sein. Die Motivationskraft von AIRBOURNE ist grandios und ständig auf Anschlag – der Sound zum Glück auch. Bei „Girls In Black“ dann verlässt Joel die Bühne, um sich auf den Schultern eines Sicherheitsmanns durch den Saal tragen zu lassen, während er ein Endlossolo gniedelt. Es geht einmal um den Tonmann rum, zur Bühne zurück, auf die linke Saalseite, (jetzt ohne Sicherheitsmann) auf den Tresen, über die Seitentribüne auf die Hintertribüne, über die Absperrungen auf die rechte Saalseite, über den anderen Tresen – hier schnappt sich Joel einen Becher Bier – und zurück zur Bühne, wo der Becher zur Hälfte ausgetrunken und mit Schmackes ins Publikum geschleudert wird. Wenn das nicht Rock 'n Roll ist, was sonst?!
Die ersten Reihen müssen sich eh auf eine klebrige Heimfahrt gefasst machen: Mehrfach bringt O'Keeffe Bierdosen an seinem Körper zum Aufplatzen und die Dosen anschließend per Schleuderwurf ins Publikum. Was ein Glück, dass er den Rotwein nur trinkt und nicht verschüttet! Aber auch sonst wird eher unkonventionell mit Getränken umgegangen, literweise Mineralwasser muss auf der Bühne als Duschwasser herhalten. Was allerdings auch nicht verwunderlich ist, denn AIRBOURNE halten das Energielevel tatsächlich konstant auf dem höchsten menschenmöglichen Niveau.
Auch der Mitgröhlfaktor lässt nicht nach: „Cheap Wine & Cheaper Women“, „Born To Kill“, „No Way But The Hard Way“... die Hits nehmen kein Ende. Rein musikalisch betrachtet sind AIRBOURNE auf Dauer zwar etwas eintönig, aber wen kümmert das bei einer solchen Show?
Nach 75 Minuten geht’s in die Zugabe: „Runnin' Wild“ beginnt gewohnt ruhig und mündet wie gewohnt (bzw. wie befürchtet) in den ausgedehnten C-Part, in dem Joel O'Keeffe an den Traversen bis in acht Meter Höhe klettert, dort ein Solo spielt und wieder runterklettert. So oft der Kerl das schon gemacht hat – man hält jedes Mal den Atem an. Als Abschluss wird noch „Stand Up For Rock 'n Roll“ geschmettert, dann sind auch schon 85 Minuten volle Power vorüber. Wenn AIRBOURNE diese Show jeden Abend durchziehen, kann man als normaler Mensch nur den Hut ziehen. Purer Wahnsinn, Alter.
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