Am 04.01.1986 ist mit Phil Lynott einer der begnadetsten Musiker und Songwriter von uns gegangen. Und seit dieser Zeit hält Smiley Bolger sein Versprechen, ihm zu Ehren ein Event in seiner von ihm so geliebten Heimatstadt Dublin zu veranstalten – in diesem Jahr zum 25sten Mal. So standen die VIBE FOR PHILO diesmal unter dem Motto „Black Rose – The Vibe 25th Anniversary". Und da ich im letzten Jahr schon völlig von den Socken war, habe ich es mir 2011 natürlich nicht nehmen lassen, wieder einmal nach Dublin zu reisen um mit vielen Fans aus der ganzen Welt Phil Lynott und seine Musik zu feiern.
Im letzten Jahr fand das Event noch in der Button Factory statt, aber für die 25. Auflage der Vibes stand schnell und frühzeitig fest, dass diese Location anno 2011 vom Fassungsvermögen nicht ausreichen würde. Und so zog man in die Vicar Street um, einen Club, der ca. 1500 Fans aufnehmen kann. Und er war, das sei schon einmal vorweg genommen, restlos ausverkauft. Glücklicherweise spielte dieses Jahr auch das Wetter mit, den obwohl es sich natürlich um eine Indoor Veranstaltung handelte, hielt der wirklich harte Winter im letzten Jahr vor allem viele Iren davon ab, vor die Tür zu gehen. Die Stimmung war dementsprechend gut, und während sich der Saal langsam aber sicher füllte, liefen traditionell alte Videoaufnahmen von THIN LIZZY über die Leinwand und wurden teilweise - wie zum Beispiel das Video zu „Old Town" - bereits lautstark bejubelt.
GNASHER hatten die Ehre, nach einer kurzen Begrüßungsansprache von Mastermind Smiley Bolger, die diesjährigen Vibes zu eröffnen und legten bei einem zu diesem Zeitpunkt bereits richtig fetten Sound mit „Baby Face" eindrucksvoll los. Neben der wirklich tollen Stimme von Paul Toal machte vor allem Gitarrist Jimmy Coup Eindruck, der permanent in Bewegung war und sich als Aktivposten und Anheizer der alten Schule präsentierte. Während der Songs war das Publikum eher noch etwas zurückhaltend, aber zwischen Tracks wie „Showdown" brandete ordentlich Jubel auf.
TONY POWELL, der nur mit seiner Akustik Gitarre bewaffnet einige Klassiker zum Besten gab, während hinter im völlig entspannt und ohne Hektik umgebaut wurde, durfte als nächster Künstler ins Rampenlicht. Besonders laut wurde der Jubel, als er die Anfangsmelodie von „Black Rose" einstreute. Leider hat er den Titel aber nicht ganz durchgespielt (oder wahrscheinlich nicht durchspielen dürfen). Wie im letzten Jahr auch hatte Brian Grace, der später auch in mehreren Formationen selber mit am Start war, die musikalischen Zügel der „Vibes" in der Hand, damit nicht 10 Mal „Whiskey In The Jar" oder „The Boys Are Back In Town" gespielt wurde.
Es folgte das CONOR McGOURAN QUARTET, wobei Gitarrist und Namensgeber Conor eindrucksvoll unter Beweis stellte, dass er sein Instrument wirklich beherrscht. „Bad Reputation", „Do Anything You Want To", aber vor allem das grandiose „Out In The Fields", bei dem der Refrain lautstark mitgesungen wurde, sorgten bei mir zum ersten Mal an diesem Abend für eine Gänsehaut. Sänger/Bassist Frankie Hayes entpuppte sich trotz seines braven und seriösen Äußeren als wahre Frontsau und hatte das Publikum während und zwischen den Songs 100 prozentig im Griff.
In der nächsten, kurzen Umbaupause lief ein Videoclip von Conor Ryan über die Leinwand, der es wirklich in sich hatte, und mit lautem Applaus bejubelt wurde:
Phil Lynott from Conor Ryan on Vimeo
MARK DIGNAM hab ich dann leider verpasst, weil auch die leckersten Guiness irgendwann wieder raus müssen und ich auf dem Weg zurück mit einem Norweger ins Gespräch kam, wir uns also etwas festquatschten.
Pünktlich zu MATT'N PHIL war ich wieder zur Stelle. Hierbei handelt es sich um den Phil-Lynott-Look-Alike Matt Wilson und Gitarrist Phil Edgar, der eigentlich bei den HOODOO RYTHM DEVILS in die Saiten greift, und das natürlich später auch noch tat. Die beiden spielten bereits in der Thin Lizzy Tribute Band TIZZ LIZZY zusammen, allerdings noch nie vor so einer großen Menge – was Matt auch nach jedem Song ausgiebig zur Sprache brachte und damit Smiley Bolger, der am Bühnenrand permanent auf die Uhr zeigte, schier zur Verzweiflung trieb. Sei's drum, der Gig war solide, unterhaltend und hat seinen Applaus verdient, ohne einen aber dabei wirklich aus den Schuhen zu hauen. In der sich anschließenden kurzen Pause wurde Smiley Bolger ein Riesenplakat der 25. Vibes mit den Unterschriften aller beteiligten Künstler verliehen, was ihn sichtlich rührte.
Kontrastprogramm pur und damit wahrscheinlich voll im Sinne von Phil Lynott, ging es mit der 15jährigen LEANNE HARTE weiter. Zusammen mit drei weiteren Mädels, auf Barhockern sitzend und bewaffnet mit Geige, Flöte und akustischer Gitarre, spielte sie ein kurzweiliges Set, in das sie mit „Tribute To Sandy" sogar eine Eigenkomposition einbaute. Irgendwie erinnerten mich die Mädels etwas an ihre Landsfrauen THE CORRS, und mit „Old Town" konnten sie bei mir richtig fett punkten.
Das erste wirklich fette Ausrufezeichen folgte dann mit der PAT McMANUS BAND. Pat selber kommt optisch ziemlich wie der junge Gary Moore rüber und hatte ganz offensichtlich enorm viel Spaß bei seinem Set. Verstärkt durch Bat Kinane (Ex-GLYDER) an der akustischen Gitarre, brillierte die Band von Beginn an bis zum letzten Ton. Besonders stark fand ich die Umsetzung mit der Kombination elektrische / akustische Gitarre, denn eigentlich wurden die Songs ja für zwei E-Gitarren komponiert. Die Performance kann man wirklich nur als extrem gelungen bezeichnen, und die Band wurde zu Recht lautstark gefeiert. Bat Kinane, der auch die ein oder anderen Leadvocals übernommen hatte und dabei eine wirklich gute Figur machte, erzählte mir später, dass er total erkältet war, was man ihm aber zu keiner Sekunde anmerkte. Für mich waren „Sarah", das mega genial gespielte „Parisienne Walkways" und natürlich der Mottosong „Black Rose" die Highlights dieses starken Sets.
Nach einer wiederum kurzen Umbaupause und Videoeinspielung enterten mit den HOODOO RYTHM DEVILS die letztjährigen Headliner die Bühne. Die Band um den musikalischen Direktor Brian Grace hatte einen eher misslungenen Start, da sich der Amp von Gitarrist Phil Edgar verabschiedete. Souverän spielte die Band mit einem Gitarristen weiter, während etliche Helfer, Roadies wie Musiker, versuchten, den Fehler zu finden. Letztendlich wurde der Amp kurzerhand ausgewechselt, ohne dass das Set auch nur einmal länger unterbrochen wurde, und Phil Edgar konnte sein gewohnt präzises und gefühlvolles Spiel einbringen. Und vor allem mit „Emerald", "Massacre", „Southbound" und „The Boys Are Back in Town" trieben sie die Stimmung und die Temperaturen in der Vicar Street erheblich nach oben. Beim „Cowboy Song" und dem vielstimmig mitgeheulten Coyoten-Geheul rollte sich mal wieder eine Gänsehaut ab. Toller Auftritt.
Dann kam ERIC BELL – und ich muss zugeben, dass ich mich auf den Ur-Gitarristen, der die ersten drei THIN LIZZY Alben eingespielt hat, besonders gefreut habe. So oft hat man ja nicht die Gelegenheit, den sympathischen und zurückhaltenden Iren live auf der Bühne zu erleben.
Leider kam dann doch alles etwas anders, denn aufgrund der Zeitnot, die sich mittlerweile aufgebaut hatte, blieben Eric Bell genau vier Songs, um an Phil zu gedenken. Mit „Look What The Wind Blew In" und „Im A Rocker" zeigte der Mann sein ganzes gitarrentechnisches Können, auch wenn sein Gesang doch etwas gewöhnungsbedürftig ist. Zu „Whiskey In The Jar" kamen Phils Mutter Philomena und Brian Robertson (warum er eigentlich?) mit auf die Bühne, und Philomena wirkte doch etwas überfordert, als sie aufgefordert wurde, mitzusingen. Dann war für Eric schon Schluss, und worüber sich jeder andere Musiker wahrscheinlich aufgeregt hätte – es ist ja nicht zu vergessen, dass Eric Bell hier der Co-Headliner war – bedankte sich Eric Bell für die Ehre, an den 25sten Vibes For Philo beteiligt gewesen zu sein. Auch wenn es kurz war, werde ich den Auftritt wohl nicht so schnell vergessen, weil ich einfach denke, dass ich Eric Bell nie wieder live sehen werde. In diesem Sinne: Danke Eric.
Philomena blieb dann direkt auf der Bühne stehen, um sich bei den vielen Fans aus der ganzen Welt für ihr Kommen zu bedanken. Auch wenn es nicht die erwartet lange Rede wurde – man darf ja ihr Alter und die weit vorgerückte Stunde nicht vergessen (mittlerweile war es schon weit nach 1 Uhr morgens) – machte der lange Applaus deutlich, was für ein Sympathieträger diese Dame immer noch ist. Anschließend zog sie noch die Gewinner der Verlosung aus einem Karton, bei der es u.a. ein fettes Merchandise Paket, ein Gemälde von Phil und ein THIN LIZZY Autokennzeichen zu gewinnen gab.
Für einen kleinen Eklat sorgte dann zum Schluss noch BRIAN ROBERTSON, der sich mit hochklassigen Musikern wie Chris Laney, Ian Haugland (EUROPE), Leif Sundin (MSG), Nalle Phalsson (TREAT) und Liny Wood umgeben hatte. Als Headliner des Events spielte er ausschließlich Stücke von seinem kommenden Soloalbum. Um ehrlich zu sein, hatte ich nach dem zweiten Titel schon die Nase voll (auch wenn die beiden Stücke, die ich gehört habe, nicht mal schlecht waren) und habe mich ins Voyer abgesetzt. Den einen oder anderen eigenen Titel einzubauen ist ja ok, das hätte ihm auch niemand übel genommen, aber auf den Vibes will ich hauptsächlich LIZZY Songs hören. Später habe ich dann erfahren, dass Brian von den aufgebrachten Fans förmlich von der Bühne gepfiffen und sogar mit Bierbechern beworfen wurde und etliche Fans vorzeitig die Venue verlassen haben. Damit hatten die 25. Vibe For Philo auch ihren einmaligen Skandal, denn so was ist in der Vergangenheit noch nie vorgekommen. Wirklich schade, denn ich hatte mir alleine schon von der Besetzung der Band wesentlich mehr erhofft, und mit THIN LIZZY Titeln hätte "Robbo" richtig abräumen können.
Fazit: Die Vibes waren geil, keine Frage, und die Iren zeigten sich erneut als tolle Gastgeber und feierfreudiges Völkchen. Ich werde auch im nächsten Jahr, sofern Smiley sich den Stress noch mal antut, das alles zu organisieren, wieder nach Dublin pilgern. Was mir aber im Vergleich zum letzten Jahr etwas sauer aufgestoßen ist, ist die Tatsache, dass das komplette Event vom ersten Ton an ganz offensichtlich unter Zeitdruck stand. Natürlich wollten die Veranstalter zum 25. Jahrestag von PHIL LYNOTTs Tod etwas ganz Besonderes auf die Beine stellen, aber ich denke, hier wäre weniger mehr gewesen. Zwei oder drei Bands oder Künstler weniger, die anderen dafür mit etwas mehr Spielzeit – perfekt. Besonders auf BRIAN ROBERTSON hätte man im Nachhinein besser verzichtet. Solche Egotrips passen einfach nicht in ein Tribute-Konzert, und eigentlich hätte „Robbo" das besser wissen müssen, schließlich hat er schon mehrfach auf den Vibes gespielt und sich immer an die Vorgaben und das Thema gehalten.
Etwas seltsam fand ich auch, dass manche Musiker verhältnismäßig oft auf der Bühne standen. Brian Grace zum Beispiel spielte Gitarre bei Matt'N Phill, den HoodooRythm Devils und Bass bei Eric Bell. Auch Phil Edgar war mehrfach am Start, ebenso wie der eine oder andere Drummer. Da wären doch bestimmt genug andere Musiker bereit und begeistert gewesen, wenn sie bei den Vibes hätten aufspielen können. Da aber die Qualität stimmt, ist das eigentlich auch keine Kritik, sondern eher eine Randbemerkung.
Ansonsten waren die „Vibe For Philo" wieder das, was man davon erwartet: Ein tolles Event, bei dem ein einziger Mensch und seine Kreativität in Sachen Musik im Mittelpunkt stand: PHIL LYNOTT ! (...auch wenn Brian Robertson das offensichtlich anders sah ...)
Dirk
Musik: Hard Rock, Heavy Metal, Power Metal, Blues
Bands: Thin Lizzy, Gary Moore, Dio, Savatage, Bloodbound, Y&T, Edguy, Iron Maiden, Judas Priest, W.A.S.P.
Aktueller Dauerrotierer: Herman Frank - The Devil Rides Out