Geschrieben von Dienstag, 22 Februar 2011 00:00

A Day To Remember, Pierce The Veil & Adept – Berlin, Huxley's


adtr-huxleys


Pop-Mosh-Alarm in Neukölln! Die Überflieger A DAY TO REMEMBER machen auf ihrer Headliner-Tour Halt im Huxley's. Wobei „Halt“ nicht ganz das richtige Wort ist.

Denn angehalten, behalten, er- oder sonstwiehalten wird an diesem Sonntagabend nichts. Für das Tourpackage, das aus purer Energie, ja fast schon Antimaterie zu bestehen scheint, ist das Huxley's am Hermannplatz die ideale Location. Der Konzertsaal liegt im 1. OG, fasst maximal 1.400 Leute und hat einen Parkettboden. Was das für Auswirkungen haben kann, wird sich bei ADTR zeigen.

Zunächst jedoch treten die Berliner Gesetzmäßigkeiten die Besucher mit Füßen: Obwohl auf nahezu jeder Website 20 Uhr Einlass, 21 Uhr Beginn zu lesen war, gehen ADEPT, die erste Band des Abends, schon um 20:45 Uhr von der Bühne. Zu diesem Zeitpunkt steht die Hälfte der Zuschauer noch an der Garderobe. Doof, zumal ich ADEPT gern gesehen hätte. Und auch unverständlich, dass statt ADEPT die hierzulande vollkommen unbekannten PIERCE THE VEIL den besseren Platz im Lineup bekommen haben.

Ob PIERCE THE VEIL sich durch ihren Auftritt mehr Fans in Berlin erspielt haben, ist außerdem fraglich. Musikalisch passen die vier kalifornischen Emobubies zwar gut ins Programm, jedoch will der Funke nicht so richtig auf das Publikum überspringen. Neben der etwas quiekigen Stimme von Frontmann Vic Fuentes mag das vor allem an den chaotischen Songstrukturen liegen, die den Post-Hardcore der Band sehr schwer verdaulich machen.
Die Jungs an den Saiten geben sich indes alle Mühe, für Stimmung zu sorgen. Speziell Gitarrist Tony und Bassist Jaime springen/moshen/purzeln/hampeln/rennen so viel hin und her, dass einem schwindlig werden kann. In Verbindung mit dem glasklaren Sound und den fehlerfrei klingenden Riffs und Licks entstehen außerdem bei einigen Besuchern Bedenken, der Auftritt könne Halbplayback sein. Aufmerksame Beobachter werden aber gemerkt haben, dass auf der Bühne das gespielt wurde, was aus den Boxen zu hören war.

In der Pause ist neben dem obligatorischen Toilettenbesuch vor allem Hallosagen angesagt. Unglaublich, wie viele Leute aus der Szene sich hier ein Stelldichein geben! Unter den 1.400 Besuchern des ausverkauften Konzerts kennt wahrscheinlich jeder jeden. Ich allein habe mindestens zwanzig Leuten die Hände geschüttelt, teilweise sogar aus dem Fotograben in die erste Reihe. Eine riesengroße Party unter Freunden.

Nach ungefähr zwanzig Minuten Umbaupause erklingt dann das Intro von A DAY TO REMEMBER. Vor dem gigantischen Backdrop hängen links und rechts des Schlagzeugs zwei monumentale Boxsäcke, am Bühnenrand stehen mehrere kleine Podeste, darüber hinaus ist die Bühne groß und leer. Den Platz brauchen ADTR aber auch.
Mit „2nd Sucks“ geht’s ohne Brimborium direkt auf die Fresse. Schon in der Pause haben die Sanis neben der Bühne Bänke freigeräumt, um eventuell umklappenden Mädchen Platz zum Ausruhen zu bieten. Vorausgesetzt natürlich, die Versehrten schaffen es aus dem wabernden Strudel in der Mitte des Saales überhaupt heraus. Denn schon beim zweiten Song „The Danger In Starting A Fire“ ist aus der Menschenmenge eine amorphe, wogende Masse geworden, die sich vor der Bühne zu einem gewaltigen, schwitzenden Klumpen komprimiert und bei den Moshparts klarmacht, warum der Parkettboden im Huxley's so legendär ist. Solche (sprichwörtlichen) Schwingungen gibt’s nirgendwo anders.

Verschnaufpausen für das Publikum gibt es nicht. ADTR kümmern sich nicht um die wenigen ruhigen Nummern ihrer Diskografie, sondern setzen alles auf „Mosh“. Die Songs des neuen Albums „What Separates Me From You“ wechseln sich mit älteren Nummern ab, wobei eine leichte Tendenz zu „Homesick“ besteht. Verständlich, immerhin ist es das Durchbruchsalbum.
Die Stimmung derweil ist so gut, dass jeder Song frenetisch abgefeiert wird; „All I Want“ und „Sticks And Bricks“, die Übersongs des aktuellen Albums, finden genau so viel Anklang wie „I'm Made Of Wax...“ und „Have Faith In Me“. Zwischendurch wird noch schnell ein MILLENCOLIN-Cover eingestreut, was der Stimmung keinen Abbruch tut, sondern ganz im Gegenteil in einen stattlichen Circle Pit mündet.
Grund zur Begeisterung gibt es genug, denn die Band spielt tight und fehlerfrei, Sänger Jeremy ist in glänzender Verfassung und trifft jeden Ton. Und obendrauf ist der Sound für Huxley's-Verhältnisse erstaunlich klar. Nach 75 schweißtreibenden Minuten geht die Band mit „You Should've Killed Me When You Had The Chance“ von der Bühne.

Die Zugabe beginnt mit „If It Means A Lot To You“, dem akustischen Schlusssong von „Homesick“, der allein von Jeremy (mit Westerngitarre) und Gitarrist Neil bestritten wird, bevor im Mittelteil der Rest der Band dazukommt, um den obligatorischen Moshpart beizusteuern. Anschließend kündigt Jeremy einen neuen Song an, der in zwei Jahren auf ihrem nächsten Album erscheinen wird und „Kicking The Horse In The Teeth“ heißt. Die Verwunderung im Publikum verfliegt schnell, als das allseits bekannte Intro von „The Downfall Of Us All“ erklingt. Mit „The Plan To Plot The Panhandle“ wird noch der letzte Tropfen Schweiß aus dem Publikum gequetscht, dann ist Schluss. Mehr hätten die Körper der größtenteils zwischen 17 und 25 Jahre alten Zuschauer wahrscheinlich auch nicht ausgehalten.

www.adtrofficial.com
tumblr.piercetheveil.net

Fotos © BurnYourEars / Fabien Blackwater