Seit 2006 existiert das Vainstream Festival, das mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der westfälischen Rockszene geworden ist. So versammelten sich auch 2011 wieder Tausende von Besuchern, um Bands aus den Bereichen Punk, Hardcore, Metal und Metalcore abzufeiern. Wie in den letzten Jahren war BurnYourEars in Münster mit dabei!
Da ich am Abend zuvor noch die Show der HUDSON FALCONS und BORN TO LOSE in Dülmen gesehen und mitgefeiert hatte, waren meine Pläne, bereits um 10 Uhr im Münster zu sein, ziemlich lachhaft. Stattdessen erwachte ich erst, als bereits Bands gespielt hatten, die ich eigentlich sehen wollte. Egal, schnell einen der BORN TO LOSE-Leute geweckt und ab mit ihm in den Zug. Auf dem Hawerkamp-Gelände angekommen, musste ich mich bereits geschlagen geben: PROTEST THE HERO, DEEZ NUTS und vor allem auch KVELERTAK standen eigentlich ganz oben auf meinem Plan – schade, dass sie bereits so früh spielen mussten.
Laut Augenzeugenberichten von Freunden waren PROTEST TEH HERO gut, hatten aber leider unter schlechtem Sound zu leiden (das Problem gibt es leider öfter auf dem Vainstream), und wer die frickelige Angelegenheit von PTH kennt, kann sich vorstellen, was das bedeutet. DEEZ NUTS müssen bereits eine ziemliche Party gerissen und vor allem Spaß gemacht haben, während KVELERTAK einen unglaublichen Gig hingelegt haben müssen. Freunde von mir bekamen auch Stunden später noch nicht ihren Mund zu und faselten nur von einem der besten Gigs jemals. So ein Mist, hätte ich gerne gesehen. Nie wieder Alkohol! So, und jetzt erst mal Biermarken kaufen und ab zum Becks-Stand...
SONDASCHULE, ASKING ALEXANDRIA, SUICIDE SILENCE und CASPER sind mir aus den oben genannten Gründen leider auch durch die Lappen gegangen, aber CASPER soll angeblich einen der unterhaltsamsten Auftritte des Festivals abgeliefert haben. Als Hardcore-Kid in der HipHop-Szene soll er wohl auf offene Ohren gestoßen sein.
Meine erste Band war dann COMEBACK KID, die einen guten Gig hinlegten, der aber auch irgendwie zur Uhrzeit (14:00) passte. Denn obwohl die Band Spaß hatte und gemacht hat, habe ich sie auch schon extrovertierter, sprich ausgelassener gesehen. Es wurden bereits einige Stücke vom neuen Album gespielt und hin und her gesprungen – aber eben alles im Rahmen – um dann am Ende unweigerlich mit „Wake The Dead" aufzuhören. Der Sound war eigentlich ganz OK und dadurch, dass noch nicht alle Zuschauer da waren, wirkten ein paar der Wellenbrecher ein wenig überflüssig und ein wenig störend.
Wer sich wirklich über die Wellenbrecher geärgert hat, war NEAERA. Die Münsteraner begrüßten dann auch direkt die Fans „in ihrem Garten" – dass sie einen Heimvorteil hatten, spielten sie gekonnt aus. Sänger Beni gab das absolut gut gelaunte Frontschwein und machte dabei einen ziemlich guten Job. Die Songs reichten vom Metalcore, der sie bekannt gemacht hat, bis hin zum pureren Metal der letzen Jahre. Leider habe ich nicht ganz aufgepasst, als zwei ältere Herren auf der Bühne vorgestellt wurden. War das Verwandtschaft? Keine Ahnung – hatte grade nach Freunden Ausschau gehalten. Die Band machte noch mal darauf aufmerksam, dass Sachen wie die Wall Of Death etc. schon lange nicht mehr auf jedem Festival erlaubt wären und das Vainstream dahingehend eine Ausnahme sei – dementsprechend wurden diese und die anderen Formen der Publikumsbelustigung natürlich zelebriert. Wie bereits bei ihrem Vainstream-Gig in der Vergangenheit konnte der Fünfer mal wieder vollkommen überzeugen!
Bei CALLEJON war dann vor allem wieder der Sänger im Mittelpunkt, der mit seinen exaltierten Gesten und den „Meine lieben Freunde..."-Ansagen genau wie immer wirkte – vielleicht ein bisschen weniger bewegungsfreudig. Ansonsten aber eben ein Frontmann, der die Meinungen spaltet und damit die Band im Gespräch halten kann. Dass diese natürlich auch keine großen Probleme damit hatte, auf der musikalischen Seite zu überzeugen, mag vermutlich jedem klar sein, der sich schon mal von den Qualitäten der Ruhrpottler überzeugen konnte. Ihr Metalcore war präzise und Songs wie „Snake Mountain" oder die Coverversion von „Schrei Nach Liebe" sorgten für wunderbare Stimmung. Aber auch der Rest des Sets bestand großteils aus ziemlich coolen Nummern, und auch wenn die Band teilweise ganz schön schmantig aussah, bewies sie sehr deutlich, warum sie auf diesem Festival auf dem Lineup war.
Mit MADBALL kam dann ab der ersten Sekunde Stimmung auf die Bühne: Freddy Madball sprang herum wie ein junger Wilder und machte mal wieder klar, dass er sich als Botschafter des Hardcores versteht, als Repräsentant einer Bewegung. Und Bewegung gab es zu Hauf im Publikum. Aber kein Wunder, die New Yorker spulten routiniert und ziemlich gut ihr Set ab und hatten jede Menge Druck dabei.
Während THE SOUNDS gönnte ich mir dann mal eine kleine Pause und habe festgestellt, dass sich die Angst vor EHEC auch bis zu den Essenständen auf dem Vainstream vorgearbeitet hat: So wies ein Schild beim chinesischen Stand auf die Keimfreiheit ihrer Produkte hin. THE SOUNDS sollen ganz gut gewesen sein, waren aber genau das, was ich in dem Moment eben nicht hören wollte, da ich wie verrückt auf BOYSETSFIRE gewartet habe. Die Sängerin hatte ein extrem knappes Büchschen an und die Band gab sich alle Mühe, das Festival zu rocken – neben CASPER waren sie auch die Exoten im Lineup. Allerdings ertappte ich mich immer mal wieder dabei, dass ich ihre Musik eher als Hintergrundbeschallung vom Band empfunden habe, da der Sound einfach wesentlich klinischer war, als bei allen anderen Bands.
Aber egal, denn jetzt war es endlich Zeit für BOYSETSFIRE. Ähnlich wie im letzten Jahr bei ALEXISONFIRE oder HOT WATER MUSIC merkte man auch jetzt bereits im Vorfeld, dass es sich hier um eine Band handelt, die sehr vielen Besuchern etwas bedeutete, da vorher eine ganz andere Atmosphäre in der Luft lag. Und als Nathan und seine Mitstreiter dann zu „Release The Dogs" die Bühne betraten, gab es bei vielen kein Halten mehr. Die Band zeigt sich gut gelaunt und spielfreudig – wobei vor allem der deutsche Basser richtig gut abging. Der Fünfer machte ziemlich schnell klar, warum er so eine Ausnahmestellung in der Hardcoreszene inne hat: großartige Melodien, von einer phantastischen Stimme vorgetragen, verbinden sich in Hardcore-Songs, die abwechslungsreich sind und über diverse Tellerränder hinweggehen können. Außerdem konnte man der Band deutlich ansehen, wie viel es ihr bedeutet, immer noch so relevant und gewollt zu sein. Fäuste wurden in die Luft gestreckt, Texte mitgesungen und Mundwinkel unweigerlich nach oben gezogen. Und als BOYSETSFIRE dann das Set auch noch mit „My Life In The Knifetrade", "Rookie" und „After The Eulogy" beendeten, hätte ich eigentlich nach Hause gehen können – mein Highlight war ganz klar diese Show!
PARKWAY DRIVE begeisterten wieder einmal vor allem durch die eigene gute Laune: sie strahlten um die Wette und waren teilweise sprachlos, wenn das Publikum mal wieder so richtig zu ihrem Sound abging. Selbst das auf Platte so schwache „Home Is For The Heartless" wurde durch die Unterstützung der Zuschauer zu einer richtigen Granate. Aber auch die Bühnendeko in Form von aufblasbaren Wellen mit Gischträndern zeigte, wie locker die Jungs eigentlich drauf sind. Vor allem einer der beiden Gitarristen verkörperte diese Haltung: aufgrund eines Beinbruchs spielte er das Set einfach im Rollstuhl. Mit einer Sonnenbrille im Gesicht und der Gitarre im Schoß fuhr er mit dem noch funktionsfähigen Fuß die ganze Zeit quer über die Bühne und machte eine richtig coole Show dabei. Den Australiern gönne ich ihren Erfolg aus tiefstem Herzen – so ungekünstelt und unverbissen zeigen sich wenige Metalcorebands. Und mit Songs wie „Boneyard" oder „Romance Is Dead" brachten sie den Pit ohne die geringsten Probleme zum Kochen! PARKWAY DRIVE machen eigentlich live immer Spaß!
Bei FLOGGING MOLLY brauchten dann langsam mal meine Beine eine Pause, und so habe ich die Band eigentlich nur sehr wenig und sehr von der Seite aus mitbekommen. Das, was ich gehört habe, war gut – nur nicht das, wofür ich mich zu dem Zeitpunkt hätte aufraffen können.
Als dann so langsam auch noch der Regen einsetzte (glücklicherweise noch relativ vorsichtig), wurde einem langsam klar, wie anstrengend so ein Festivaltag eigentlich ist. Aber mit THE GASLIGHT ANTHEM kam dann eine der Bands, die ich auch auf jeden Fall sehen musste: ich wollte endlich mal den Hype verstehen. Zwar war die Stimmung so weit hinten, wie wir standen (und langsam nass wurden), nicht ganz so euphorisch wie vor der Bühne, aber dennoch bewiesen die Amis, warum sie von vielen so geliebt werden: ehrliche Songs, die dann doch noch etwas rauer klingen als auf Platte – was ich die ganze Zeit gehofft hatte. Die Band hatte Bühnenpräsenz, obwohl sie nicht grade steil gegangen ist. Man merkte aber, dass hier eine eingespielte Band am Start war, die ein Publikum begeistern kann. Naja, und ein paar Hits schaden dabei ja auch nicht wirklich. Hätte die Sonne geschienen, hätte sie auch den Headliner des Festivals geben können!
Als endlich Lemmy mit MOTÖRHEAD auf die Bühne kam, verließ uns langsam die Lust darauf, noch nasser zu werden und zu stehen. Also sind wir nach den ersten drei oder vier Songs rüber in die Sputze für die Aftershows. Allerdings wurde am Publikum klar, warum MOTÖRHEAD hier einfach als Letzte spielen mussten – egal, wie der eigene Geschmack aussieht: ein wenig Lemmy wollte einfach jeder sehen. Und der Altersschnitt des Festivals schien auf einmal angestiegen zu sein. Leute, die im Pit waren, berichteten dann auch davon, dass sie selten eine Band gehört hätten, die so verdammt laut gewesen ist. Der Name verpflichtet. Ich fand die Band selber zwar gut, aber jetzt nicht außergewöhnlich überragend. Aber wenn man MOTÖRHEAD live sieht, schaut man halt nicht einfach nur einer Band zu...
Auf die Aftershow zu kommen, war dann zunächst noch mal ein Geduldspiel, da eine große Schlange durch ein kleines Nadelöhr musste, welches zunächst mal geschlossen hatte. Als es dann endlich losging, mussten die Minderjährigen herausfinden, dass sie nicht rein durften. Naja. In der großen Halle legten irgendwann ADEPT los, und ich war überrascht, wie stark die Band mittlerweile im Metalcore angekommen ist. Die Halle war rappelvoll (wie vermutlich die Hälfte des Publikums auch), und ich habe mich echt gewundert, was da abging. Mir persönlich sagt die Band allerdings nicht über die Maßen zu, und so ging ich wieder ins kleinere Cafe, wo BORN TO LOSE spielen sollten. Hier war es erst mal ziemlich leer, was dann doch etwas betroffen machte.
Aber als die Texaner dann zehn Minuten später die Bühne enterten, war auch dieser Raum brechend voll – und angefüllt mit einer Wahnsinnstimmung! Und nach den Worten „We are BORN TO LOSE from Austin, Texas" brach die Hölle los. Es schien, als hätten sich alle Punkrockfans des Festivals versammelt, um noch mal so richtig abzufeiern. Und ja, in dem Moment konnte man die Plattitüden von wegen Clubshows vs. Open Air-Konzerte nachvollziehen. Die Atmosphäre war einfach der Hammer. Ich habe die meiste Zeit damit verbracht, Leute vom Boden aufzuheben oder mich selbst zu schützen – es ging halt richtig ab. Von der Bühne aus wurde noch MOTÖRHEAD dafür gedankt, dass die den Opener für BTL gemacht haben, Leute auf die Bühne eingeladen und einfach richtig gefeiert. Was für ein Abschluss! Zwar spielten danach noch diverse Bands, aber a) interessierte mich davon keine mehr und b) meldeten meine Füße den absoluten Bankrott und verlangten nach dem Heimweg. Und er wurde dann auch ganz glücklich angetreten.
Das Vainstream Festival 2011 war ein Erfolg und meiner Meinung nach auch ein wenig stressfreier als das im Vorjahr – zumindest bin ich dieses Mal nirgendwo im Stau zwischen den Bühnen stecken geblieben. Schade nur, dass die für mich interessanten Bands so oft im Morgenprogramm sind – Rock 'N' Roll ist doch nichts für Frühaufsteher! Außerdem vermute ich, hier meine letzte BORN TO LOSE-Show gesehen zu haben, da der Sänger mittlerweile ausgestiegen ist. Na ok, irgendwie macht es das Festival dann auch wieder sehr besonders. Aber davon mal ganz abgesehen, hat sich das Konzept des Münsteraner Festivals mal wieder durchgesetzt, weil hier einfach alle irgendwo bedient wurden. Bis zum nächsten Jahr, Vainstream!
Vainstream-Homepage