Geschrieben von Mittwoch, 04 Januar 2012 00:00

Amorphis, The Man-Eating Tree & Leprous - Substage Karlsruhe

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AMORPHIS machten am Freitag, den 30.12.2011 im Rahmen der „The Beginning of Times"-Tour im Substage in Karlsruhe Halt. Um den skandinavischen Abend perfekt werden zu lassen, hatten sie zusätzlich die finnischen Progmetaller THE MAN-EATING TREE und die wilden Norwerger LEPROUS im Gepäck.

Das Substage in Karlsruhe ist ein Neubau, der aber trotzdem den Charme eines Jugendzentrums hat, ohne schmuddelig zu wirken. Schon bei meiner Ankunft gegen 19 Uhr haben sich einige die „Muppet Show", sprich die Balkonplätze, reserviert und mindestens 300 Leute sind schon anwesend. Kein Wunder bei diesen Vorbands, die beide schon im Vorfeld mit ihren aktuellen Veröffentlichungen Wellen geschlagen haben.

THE MAN-EATING TREE aus Finnland sind die ersten im lustigen Dreiergespann und seit ihrem aktuellen Album „Harvest" kein unbeschriebenes Blatt in der Szene.

Ihre Musik könnte man als progressiven Dark Metal bezeichnen. Die Band legt von Anfang an ordentlich los, leider kommt die Stimme des Sängers etwas zu schwach an und somit kommt gar nicht zur Geltung, dass sie wirklich hervorragend ist. Sänger Tuomas Tuominen gibt sich aber alle Mühe, die Leute zu animieren, und da man ihn rein optisch sofort als „True Metal Head" einordnen kann, fällt es ihm auch nicht schwer, zumindest Interesse für THE MAN-EATING TREE zu wecken. Allerdings ist das Substage noch nicht ganz voll, und so steppt jetzt nicht total der Bär, aber die progressiv-harte Mucke erntet zumindest teilweise anerkennendes Kopfnicken und der „Faust-in-die-Luft-streck-und-Hey-Schrei-Aufforderung" wird gefolgt. Wenn einem die Band gänzlich unbekannt ist, sind die Songs aufs erste Mal eventuell zu schwermütig und zu komplex. Sicher werden einige die Songs daheim nochmals antesten.

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Ein großes Lob geht auch an die fleißigen Umbauhelfer, die wirklich keine Sekunde Wartezeit länger aufkommen lassen, als nötig. Bemerkenswert!

Die Norweger LEPROUS sind ein seltsamer, wilder Haufen, gekleidet in schwarz, rot und grau. Der Stil der Band ist als Avantgarde, Progressive, Death, Melodic Metal zu bezeichnen. Auf den ersten Blick sticht der Sänger und Keyboarder hervor, ein charismatischer, durchgedrehter Typ, der mit seiner ungezügelten Energie positiv an den ganz, ganz frühen Jonathan Davis erinnert. Das Publikum schwankt zwischen begeistert und verwirrt, plattgefahren von der Energie, die LEPROUS auf der Bühne entfesseln. Sänger Einar Solberg führt seine ganze musikalische Bandbreite von tierisch hoch bis wütend aggressiv vor. Während Tomi Joutsen mich immer an Jack Sparrow erinnert, deckt der Sänger von LEPROUS eher den Davi Jones aus „Fluch der Karibik" Teil 2 ab, wie er so derbe an seinem Keyboard abgeht.

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LEPROUS wirken vor allem absolut homogen und scheinen sich komplett in ihrer Musik zu vergessen. Hervorzuheben sind vor allem die Gitarristen, die trotz der kompletten Ekstase kaum Töne versemmeln. Schon ziemlich früh hauen LEPROUS den zugänglichen Gassenhauer „Restless" raus und ziehen damit den Großteil des Publikums auf ihre Seite. Ebenso beim Titelsong „Bilateral", der durch seinen packenden Refrain auch gut ins Ohr geht. Nach fast 30 Minuten wird die Band mit ordentlichem Applaus verabschiedet.

Diese Band ist im übrigen eine Herausforderung für jeden Fotografen. Hier ein kleiner Einblick davon, wie crank die Band sich live so präsentiert. LEPROUS sind ein heißes Ding:



Mittlerweile ist das Substage dann ordentlich gefüllt. Will heißen: Genug Leute sind da, dass der Club als voll zu bezeichnen ist, aber nicht so viele, dass man sich kaum bewegen kann. Endlich, gegen 21:35 Uhr, entern dann die mächtigen AMORPHIS mit „The Song of the Sage" die Bühne. Tomi Joutsen, der singende Tentakelmann aus Finnland, gibt vom ersten Ton an alles. Dieser Mann ist nicht nur optisch sondern auch musikalisch, seit 2005, ein absolute Bereicherung für die Band. AMORPHIS ziehen den kompletten Schuh der Bandgeschichte durch, so dass wirklich für jeden Fan was dabei ist. Auch wenn das Motto der Tour unter dem aktuellen Album „The Beginning of Time" läuft, AMORPHIS beglücken die Fans mit „Against Widows" vom Album „Elegy" genauso wie mit „Silver Bride" vom „Skyforger" Album oder „Into Hiding" vom Klassiker Album„Tales from a thousand Lakes".
Der Mix aus Death Metal, nordischen Klängen und mittlerweile auch Gothic Metal braucht guten Sound. Glücklicherweise hören sich AMORPHIS um einiges besser an, als die Vorbands.

Mann, was muss das für ein Gefühl für Tomi Joutsen sein, vom Fan zum Sänger aufzusteigen und jetzt diese genialen Klassiker singen zu dürfen? Nach einem kleinen Intro zu „Pussy" von RAMMSTEIN, fahren AMORPHIS mit „Vulgar Necrolatry" sogar ganz heftige Geschütze für die Die Hard Fans der ersten Stunde auf. Spätestens dann kocht das Substage und die fliegenden Matten sorgen für eine schöne kühle, windige Brise.

Ein weiterer Höhepunkt ist "My Kantele" – Pasi in allen Ehren, aber Herr Joutsen singt den Song eins zu eins wie in der Originalversion. Diejenigen, die nicht wissen, dass Tomi Joutsen nicht von Beginn an zum Line Up gehören, werden es sicher an diesem Abend auch nicht merken.

Ganz cool bleibt, wie immer, Esa Holopainen! Sichtlich entspannt spielt er geschmeidig seine göttlichen Soli. Ständig nimmt er Blickkontakt mit den Fans in den ersten Reihen auf, wirft Pleks in die Menge und scherzt noch so nebenbei mit dem Keyboarder Santeri Kallio. Man merkt der ganzen Band die Professionalität an, AMORPHIS wissen aber mal ganz genau, was sie live zu tun haben und vor allem, wie man eine Setlist zusammenstellt. Wer nach diesem Abend unbefriedigt nach Hause ging, der ist irgendwie nicht von diesem Planeten. AMORPHIS haben wirklich jede Facette ihrer Bandkarriere in einem Konzert zusammengefasst.

Als letzte von drei Zugaben gibt es für die Fans „House of Sleep", welches von der Masse frenetisch abgefeiert wird... Das ließ selbst Tomi Joutsen nicht unberührt:



Nach ca. eineinhalb Stunden schaue ich verblüfft auf die Uhr, das Konzert verflog wie im Flug und kam mir gerade mal wie 20 Minuten vor. Gibt es was Schöneres, als auf einem schweißtreibenden Konzert die Zeit zu vergessen? Na ja, eventuell die Drumsticks von Jan „Snoopy" Rechberger zu fangen, die er beim Abgang der Bühne ins Publikum schleudert. Wahnsinn, wenn man sich mal den aktuellen Tourplan anschaut, ist es noch bewundernswerter, wie fit AMORPHIS waren! Weihnachten feiern war mit diesem Tourplan nicht drin, Erholung schon gar nicht und auch an Silvester spielte die Band wieder.

Setlist Karlsruhe Substage 30.12.2011:

Song of the Sage
Mermaid
The Smoke
Against Widows
Towards and Against
You I Need
Sky Is Mine
Karelia
Vulgar Necrolatry (Intro Pussy von RAMMSTEIN)
Into Hiding
Crack in a Stone
Alone
Sampo
Encore:
Silver Bride
My Kantele
House Of Sleep

Für Kurzentschlossene, die AMORPHIS noch mit der aktuellen Tour sehen wollen:

12. Januar 2012, Colos Saal Aschaffenburg

Fotos und Videos in diesem Artikel © Nadine / BURN YOUR EARS