Frankfurt, St. Peter, 14.03.2012: ENTER SHIKARI haben gerade ihr drittes Album "A Flash Flood of Colour" veröffentlicht, welches die hohen Erwartungen mehr als erfüllt. Wir waren gespannt auf die "spektakuläre Lightshow", die die Engländer angeblich veranstalten. Vor allem wollten wir aber sehen, ob die pure, rohe Energie auch auf der Bühne entsprechend umgesetzt wird. Die gewählt Location, die St. Peter Kirche, ließ auf einen tollen Konzertabend hoffen.
Frankfurt ist für Außenstehende kein schöner Ort, um ein Konzert zu besuchen. Die Straßenführung in Frankfurt ist extrem verwirrend für Nicht-Ortskundige und selbst mein Navi gibt regelmäßig den Geist auf, weil es den Wust an Einbahnstraßen, Sackgassen und kurzfristigen Abbiegungen gar nicht so schnell erfassen kann. Die lange Parkplatzsuche endete dann mit einem Wunder: Ein kostenloser Parkplatz, direkt vor der St. Peter Kirche, die praktisch in der Innenstadt liegt und eigentlich keinen eigenen Parkplatz hat. Die Kirche hattte an diesem Abend innen allerdings gar nichts mehr von einem Gotteshaus, im Gegenteil: Dicke Rauchschwaden und Nebelwolken lagen in der Luft, als ich ca. 19:55 Uhr dort ankam. Ich hatte das Gefühl, die Party sei eigentlich schon vorbei und die ganze Atmosphäre hatte eher etwas von einer Disco, anstatt von einem Trancecore Konzert.
Das Publikum war größtenteils im typischen Core Look herausgeputzt: schiefe Frisuren, verschmitzt rausblitzende Boxershorts aus der viel zu tief sitzenden Hose, knallbunte T- Shirts und geschmückt mit den typischen dicken Ohrplugs und natürlich die Mützen (aus Wolle... beim Konzert...?). Ich bin irritiert, dass ENTER SHIKARI so wenig "älteres" Publikum und so wenige Metalheads anziehen, da die Band ja wirklich eine Aussage hat und auch zeitweise richtig fette Riffs auffährt.
THE JAMES CLEAVER QUINTET war mir vorher als Vorband genannt worden. Da ich die CD der Band richtig klasse fand, war ich entsprechend gespannt, wie die Band wohl live sein würde. Umso überraschter war ich, als YOUNG GUNS die Bühne stürmten. Die Band spielte einen knackigen Mix aus Rock und Core. Mir war die Bands bis dato vollkommen unbekannt, aber die ersten Reihen des Publikums schrien die Songs aus vollstem Halse mit und waren richtig begeistert von der Truppe. Einige Melodien und Breakdowns waren so catchy, dass ich ebenfalls begeistert war und mir die Band mal in Ruhe anhören werde. Durch Gespräche mit dem Publikum erfuhr ich dann, dass THE JAMES CLEAVER QUINTET wohl schon vorher gespielt hatten, schade... Somit leider verpasst, aber anscheinend haben die dann den Nebel in die Bude gezaubert.
ENTER SHIKARI stürmten um 21:30 Uhr die Bühne. Unglaublich, wie diese Band von 0 auf 1000 umschalten kann. Ich glaube, man nennt so etwas Kickstart. Der Zugang zum Graben des St. Peter ist so gebaut, dass man unweigerlich an der Band vorbei muss. So sah ich die Band kurz vorher noch ganz entspannt und ruhig vor der Tür zur Bühne stehen. Ich hätte gewettet, dass ENTER SHIKARI sich erstmal warm hüpfen oder angespannt rumzappeln, stattdessen sahen sie extrem locker aus.
Die Band kam auf die Bühne und entfesselte eine Bombe. Von hinten schrien die Fans wie die Wahnsinnigen die Lyrics von "... Meltdown" auf die Bühne, während ENTER SHIKARI von der Bühne aus ins Publikum ballerten. Der Bassist war ungelogen schon nach einem Song komplett nassgeschwitzt und hat sicherlich schon mehr Kalorien verbraucht, als ich am ganzen Tag.
Der Gitarrist nahm schon bei Song zwei ein Bad in der Menge, so schnell konnte man gar nicht schauen, während der Bassist schon auf der Brüstung stand, um mal das komplette Publikum im Überblick zu haben. Genauso hatte ich es mir vorgestellt und ENTER SHIKARI haben meine Erwartungen bezüglich Energie noch übertroffen. Teilweise gab es schon bei den ersten drei Songs mehrere Situationen, in denen die Bandmitglieder beinahe kollidierten, so wild düsten ENTER SHIKARI über die relativ kleine Bühne. Energie und Elan kann ich allerdings nicht für das komplette Publikum bestätigen. Keine Ahnung, ob die vorher auch eine lange Parkplatzsuche hatten oder sich noch im Winterschlaf befanden.
Ich hatte meinen Platz direkt am Mischpult, da soll ja bekanntlich der beste Sound sein. Das animierte aber die Umstehenden nicht dazu, sich großartig zu bewegen.
Die St. Peter Kirche ist im Prinzip ein langer Schlauch, wenn man also etwas weiter hinten stand und nicht gerade die 1,80 Körpergröße erreicht hat, dann war praktisch nichts zu sehen. Außer die sogenannte "spektakuläre" Lightshow, in die man ja gezwungenermaßen ständig gucken musste. Ich hatte wirklich Bedenken, einen epileptischen Anfall zu kriegen, da die Frequenz brutal war. Das hatte dann mit Metal leider wenig zu tun, sondern eher die Tendenz zur Technodisco. Nicht mein bevorzugter Aufenthaltsort... Es kann auch am niedrigen Altersdurchschnitt des Publikums gelegen haben, aber die meisten standen nur regungslos da und bewegten maximal die Lippen zum Refrain. "Mitsingen" oder gar "Mitgröhlen" wäre da schon übertrieben und einige zogen sich sogar in den angrenzenden Caféraum zurück, um SMS zu schreiben (?). Da wären mir die knapp 30 Euro Eintritt dann doch zu schade gewesen.
Das gilt, wie gesagt, nur für den mittleren bis hinteren Teil, ganz hinten nahmen sich einige den Platz um für sich selbst abzufeieren. Vorne ging der Pogo richtig ab und ständig sah man Leute "diven" und einen Klumpen Fans auf- und abhüpfen. Die seit "A Flash Flood Of Colour" etablierten "Handdreiecke" wurden ständig euphorisch in die Luft gezeigt und die Refrains ordentlich mitgeträllert. Lustig war das Bild vor allem beim Hüpfsongs"Ghandi, Mate, Ghandi". Wer da in der Masse ganz vorne stand, hat meinen vollsten Respekt: Nur die Harten kamen in den Garten und die Front stand so eng, dass ein Durchkommen unmöglich war.
ENTER SHIKARI führten eine nette Songfolge auf, spielten aber einige Songs ("Havoc A") nicht komplett aus und hätten für meinen Geschmack mehr Brecher hintereinander spielen können. Statt wilder Akrobatik-Einlagen hätte ich mir mehr Interaktion direkt mit dem Publikum gewünscht. Die vorderen Reihen brauchten keine Animation, da kamen mit schöner Regelmäßigkeit immer blutige Nasenträger mit verschmierten T-Shirt und schweißverklebten Haaren auf der Stirn nach hinten. Aber die hinteren Reihen, zugedröhnt von der Lightshow und kaum einen Blick erhaschend, die hätten etwas mehr Anheize gebraucht.
Irgendwie aber auch ein typischen Bild der Gesellschaft, die Jugend wird so extrem bespaßt und betüttelt, dass sie vergisst, selbst mal was zu machen. Und im Zusammenhang mit ENTER SHIKARI und deren Lightshow würde ich auch gerne mal daran erinnern, dass selbst beim Konsolen zocken empfohlen wird, regelmäßig eine Pause einzulegen. Das ist bei einem Konzert schlecht möglich, da man ja in der Regel nach vorne auf die Bühnenshow gucken sollte. Wenn einem von dort die "Lightshow des Todes" in die Augen strahlt, muss man unweigerlich auf den Boden schauen oder sogar die Augen schließen, was dann wiederum nicht für gute Stimmung sorgt.
Natürlich gab es auch einige Selbstläufer: "Juggernauts" und "Sorry, You're Not A Winner" oder "Arguing With Thermometers" drangen bis nach hinten durch.
Mein Fazit des Abends:
ENTER SHIKARI sind eine tolle Band, die sich live sehr abmüht, aber eventuell erschlagen sie damit auch ihr Publikum und sollten etwas mehr interagieren. St. Peter zur Konzertlocation umzufunktionieren ist eine tolle Idee. Da die St. Peter Kirche aber in einem Wohngebiet liegt, führte es dazu, dass der Sound so leise war, dass man den Nachbar niesen hörte (wirklich!). Eine Band wie ENTER SHIKARI braucht Bums und kein Publikum, welches vollkommen paralysiert in eine Lightshow starrt.
Übrigens vielen Dank an die vielen Handyfilmer, so konnte ich wenigstens auch was sehen.
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