Am 13. August 2012 machen BUSH Station in Hamburg und spielen in der Großen Freiheit auf der Reeperbahn ein Konzert, das restlos überzeugt: BUSH können’s noch…
Kurzer Rückblick für all diejenigen, die 1994 nicht Kopfsocke tragend zu Songs wie „Everything Zen“ oder „Machinehead“ vom grandiosen BUSH-Debüt „Sixteen Stone“ herumgesprungen sind: BUSH sind in den 90er Jahren eine der wenigen britischen Kapellen aus der Schnittmenge Grunge / Alternative Rock, die vor allem in den USA zu Superstars avancieren. Nach dem Album „Golden State“ (2001) ist vorläufig Schluss, Frontmann Gavin Rossdale begibt sich auf Solopfade (allein sowie mit seiner neuen Band INSTITUTE) und kümmert sich zusammen mit Ehefrau Gwen Stefani um den Nachwuchs. 2010 die Überraschung: Die Band startet nochmal neu durch, wenn auch nur zur Hälfte unter Originalbesetzung, und veröffentlicht mit Produzent Bob Rock „The Sea Of Memories“, ihr fünftes Studioalbum. Ich mag die Scheibe sehr, weil die Songs viel Atmosphäre und die typische BUSH-Melancholie besitzen, wenn auch der raue Charme von früher einem glatteren Pop-Appeal gewichen ist.
Entsprechend gespannt bin ich, als am Montag um Punkt 20 Uhr die Bühnenscheinwerfer in der Großen Freiheit angehen – können BUSH ihren neuen Songs live noch ein paar Ecken und Kanten verpassen? Doch bevor sich diese Frage klären soll, spielen erst mal fünf Jungs in engen Jeans ein überzeugendes Set: Die YOUNG GUNS aus London werden derzeit als britische Senkrechtstarter gehandelt, mir gefällt in erster Linie die energetische Show und das tighte Spiel von Drummer und Gitarrist. Die durchweg melodischen Rocksongs mit Core-Kante klingen für mich wie schon mal gehört, doch die Publikumsreaktionen fallen erstaunlich wohlwollend aus – insbesondere für das meist eher abwartende Hamburger Publikum. Die Fünf liefern einen guten Auftritt, animieren erfolgreich zum Mitklatschen und begeistern insbesondere ein paar Mädels in der ersten Reihe, die lauthals mitsingen – guter Auftritt, für mich nur musikalisch zu austauschbar.
Es folgt der Bühnenumbau, vier beeindruckende Lichtständer auf der Bühne werden eingeschwenkt und nach gut 30 Minuten kommen BUSH zu ohrenbetäubendem Applaus auf die Bühne. Die Große Freiheit ist randvoll mit Fans, die es kaum abwarten können – und sofort mit dem Abfeiern loslegen, als das Anfangsriff von „Machinehead“ erklingt. Und verdammt, BUSH rocken so fett!
Wer befürchtet hat, dass Gavin Rossdale über die Jahre Rost angesetzt haben könnte, wird eines Besseren belehrt: Die Zeit scheint spurlos an dem charismatischen Sänger und Rhythmusgitarristen vorbeigegangen zu sein, der sich mit 46 körperlich in absoluter Topform befindet. Die braucht er auch für seine energiegeladene Show, die nicht mit Rockstarposen geizt – ob weit zurückgebeugt auf den Knien spielend oder rücklings an Sologitarrist Chris Traynor angelehnt: Hier weiß jemand, wie man ein Publikum richtig gut unterhält. Rossdale verzichtet auf lange Ansagen zwischen den Songs, hat offensichtlich jede Menge Spaß in den Backen und freut sich über den enormen Zuspruch, den die Hamburger ihm und seinen drei Bandkollegen entgegenbringen. Und auch an musikalischen Leckerbissen mangelt es nicht:
Nach „All My Life“ vom neuen Album kommt mit „The Chemicals Between Us“ der nächste Hit aus alten Zeiten. Der Sound ist warm und drückt ordentlich, die Fans gehen steil. Selbst Bassist Corey bricht ausnahmsweise aus seiner 1m²-Shoegaze-Wohlfühlzone aus und lacht ins Publikum. Auch macht es Spaß, dem langbärtigen Chris Traynor zuzusehen, wie er mit federnden Schritten über die Bühne schreitet, lässig in die Saiten greifend und dabei mit sich und der Welt völlig zufrieden.
Zu „Sound Of Winter“ verlässt Rossdale zum ersten Mal die Bretter und steigt in den Bühnengraben zu den Fans, um auf Tuchfühlung mit den ersten Reihen zu gehen. Bei „Everything Zen“ übernimmt dann das Publikum die Zeilen: “There’s no sex in your violence…“, nur von Bass und Schlagzeug begleitet. Gänsehaut setzt ein, trotz mehrerer Gitarrenwechsel im vollen Spiel durch einen Roadie. Rossdale ist mittlerweile schweißüberströmt und die Luft in der Freiheit wabert heiß und schwitzig – kein Wunder, dass da die Technik streikt.
„Swallowed“ wird künstlich in die Länge gezogen, was mich etwas stört, da der Klassiker nicht zu meinen Faves gehört. Gut, dass mit „The Heart Of The Matter“ wieder ein frischer Song folgt, dessen inhaltliche Bedeutung Rossdale vorher kurz erläutert. Danach geht’s zurück zum „Razorblade Suitcase“-Album mit „Greedy Fly“… und auch mit diesem Titel bin ich nie richtig warm geworden, weil der noisige Chorus die coole Strophe zerstört. „Prizefighter“ kommt ähnlich ruppig daher, bevor mit dem atmosphärisch-sanften „Alien“ wieder mehr Atmosphäre einkehrt.
Zu „The Afterlife“ springt Rossdale erneut ins Publikum, klettert ohne Gitarre über die Absperrung und bahnt sich singend seinen Weg durch die Menge, tanzt mit Fans und lässt sich hier und da eine Kamera in die Hand drücken, um Fotos zu knipsen. Wer BUSH bereits im November 2011 in Hamburg gesehen hat, kennt diesen Part vermutlich – dennoch wirkt diese besondere Fannähe komplett authentisch und von Herzen kommend, viele Fans können ihr Glück kaum fassen.
Zurück auf der Bühne kommt mit „Land Of The Living“ ein Titel vom „Golden State“-Album zum Zuge, bevor mit dem großartigen „Little Things“ (ich liebe die Bridge zwischen Strophe und Refrain) vorerst der Vorhang fällt.
Zurück geht’s mit Akustikklampfe und einem starken PINK FLOYD-Cover: „Breathe“ schafft nochmal eine ganz eigene Atmosphäre, Gänsehaut die Zweite. „Come Together“ von den BEATLES folgt als zweite Zugabe, wird von den Fans lauthals mitgesungen – so wie auch der folgende Hit „Glycerine“.
Mit „Comedown“ erklingt der letzte Song des Abends, ebenfalls vom „Sixteen Stone“-Debüt und zum Großteil von lauten Publikumschören begleitet. Die Band dankt, verabschiedet sich... und die Fans sind noch aus dem Häuschen, als kurz danach das Licht in der Großen Freiheit wieder angeht.
BUSH haben an diesem Abend alles gegeben und ihrem Publikum eine nahezu perfekte Mischung aus alten Hits und neueren Songs geboten. Ich hätte mich noch sehr über „Stand Up“ vom aktuellen Album gefreut und dafür auf ein bis zwei Songs des Debüts gerne verzichtet… Denn in der Tat haben die Titel von „The Sea Of Memories“ live genau den Rock-Drive bekommen, der auf Platte etwas zu kurz kommt. Dennoch, das Konzert war großartig, die Musiker top – und das nach all den Jahren… Hut ab.
BUSH Setlist:
Machinehead
All My Life
The Chemicals Between Us
Sound Of Winter
Everything Zen
Swallowed
The Heart Of The Matter
Greedy Fly
Prizefighter
Alien
The Afterlife
Land Of The Living
Little Things
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Breathe (PINK FLOYD Cover)
Come Together (BEATLES Cover)
Glycerine
Comedown
Chris
Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!