Geschrieben von Kai Sonntag, 14 Oktober 2012 16:22
Apologies, I Have None & Goodbye Fairground - Münster / Lorenz Süd
08.10.2012, Münster / Lorenz Süd - Nachdem ich das letzte Mal auf einem Sonntag im Lorenz Süd war, bin ich jetzt eine Woche später auf einem Montag hier. Es herrscht das gleiche Bild: Münster ist nicht kaputt zu kriegen und bei guten Bands beinahe ein Garant für gute und gut besuchte Konzerte. So auch heute wieder, wo APOLGIES, I HAVE NONE, GOODBYE FAIRGROUND und DEAD KOIS zum Tanz laden.
Die DEAD KOIS habe ich leider verpasst, weil spätes Ankommen und "Hallo"-Sagen zu viel Zeit in Anspruch genommen hat. Sorry.
Los ging dann die SHOW mit den wunderbaren GOODBYE FAIRGROUND aus Münster und Ruhrpott. Normalerweise sind das ja ein Mädel und fünf Jungs. Diesmal waren sie insgesamt nur zu fünft und zwei Leute nicht mal Bandmitglieder. Der Basser hatte sich auf dem Area4 den Arm gebrochen, weil er bei POLAR BEAR CLUB auf die Bühne wollte (dafür sang er aber ab und zu mit und spielte auch sein Mundharmonika-Solo bei „We've Come A Long Way"), ein Gitarrist war in den USA (wurde von IDLE CLASS' Daniel ersetzt) und der weitere Gitarrist ist Samstag krank geworden. Also wurde spontan Timo von STAND FAST in zwei Proben auf neun Songs geeicht und auf die Bühne gestellt. Für diese extrem kurze Eingewöhnungsphase hat der dann seine Sache wirklich gut gemacht (das Reißen einer Bass-Saite werfe man ihm einfach mal nicht vor) und die Band bereichert.
Die zeigte wie gewohnt ihre Stärken: eine sehr sympathische und nett gemeinte „Leckt mich – aber trotzdem mögen wir Euch alle" -Haltung, gute Songs zwischen Punk, Indie und Hardcore und eine Schlagzeugerin, bei der man Mitleid mit dem Schlagzeug bekommt. Aggressionsbewältigung? Wieder mal überzeugend, mitreißend und sympathisch. Das Album soll bald erscheinen und ich wünsche ihnen alles Glück der Welt damit. Nach wie vor meine absolute Empfehlung, was deutsche Punkbands angeht (wer auf AGAINST ME!, THE GASLIGHT ANTHEM und ähnliche Bands zwischen Indie und Punk steht und sich wünscht, genannte Bands würden mal wieder Eier zeigen und experimentierfreudiger werden, der sollte hier unbedingt mal reinhören!). Wenn man sich dann noch ansieht, wie sie so eine Show mit so vielen Problemen bewältigt bekommen, sollte man schon seinen Hut ziehen.
Während des Gigs von GOODBYE FAIRGROUND war das Lorenz bereits gut gefüllt und es war echt mehr los, als man normalerweise auf einen Montag hätte erwarten können. Zwar trauten sich noch nicht alle nach vorne, aber den Platz hatte eh Sänger Benjamin für sich beansprucht. Dennoch war die Stimmung bereits hier ziemlich ausgelassen und es wurde getanzt und mitgesungen.
Als dann APOLOGIES, I HAVE NONE anfingen, drehte Münster aber nochmals auf und so waren bald alle Plätze auch direkt vor der Bühne belegt. Und zwar mit mitsingenden und feiernden Menschen. Nach ein paar EPs hatten die Londoner jetzt ihr Debüt-Album herausgebracht, und das scheint durch die Decke zu gehen. Die Band selber konnte es auch nicht fassen, da sie zum allerersten Mal in Münster war und sich bereits so viele Leute textsicher zeigten, die Musik also wirklich genossen. Aber die Jungs waren auch wirklich klasse. Hinterher schaffte es sogar jemand, das ganze negativ auszudrücken: „Da hätte man auch genau so gut die Platte anmachen können".
AIHN waren tight as fuck und spielten fast die komplette „London"-Platte herunter. Alte Sachen tauchten nur am Anfang auf. Aber hey: wenn man ein Publikum mit solchen Songs so dermaßen in der Hand hat – warum dann experimentieren? Gut, es hilft natürlich auch, dass die meisten Songs streng genommen nur Wiederholungen des vorherigen sind (wenn man sich mal stumpf die Harmonien anschaut) und somit die Melodien auch nicht sehr weit auseinander liegen, aber dennoch hatte die Mischung aus Punkrock, Indie und Emo bei den Engländern etwas Besonderes: Die Bandmitglieder selbst sahen so was von extrem normal aus und wären im Publikum niemals als Band zu erkennen gewesen, wenn man nur vom Äußeren ausgeht (gut, vielleicht wären die extrem hässlichen und mehr als überflüssigen Tattoos von einem der Gitarristen aufgefallen...). Außerdem machen sie ja eigentlich nichts Außergewöhnliches, wenn man es nüchtern betrachtet. Dennoch war das schon eines dieser besonderen Konzerte.
Vielleicht lag es an der Stimmung, aber ich bin vor allem von diesem „Weniger ist mehr"-Prinzip der Band begeistert. Anstatt immer auf die Fresse zu hauen, wissen die Engländer genau, wie man wenige Akkorde und Noten sehr effektvoll einsetzt und damit eine unheimliche Dynamik entfachen kann. Im Zweifelsfall gehen AIHN sogar noch weiter runter, als man erwarten kann, und überraschen dann um so mehr, wenn es wieder auf die Zwölf geht. Das Publikum war begeistert, sang lauthals mit und ließ die Band auch nach der ersten Zugabe nicht von der Bühne. Die Band meinte hier eine typische deutsche Haltung zu entdecken, weil wir – das Publikum – einfach nicht vor der Bühne verschwinden würden, nur weil die Band der Meinung sei, das Konzert wäre zu Ende. Außerdem gaben sie an, sich in unseren Breiten wie im "Herr der Ringe" zu fühlen, da Deutschland aus der Innensicht eines Tourvans vor allem aus Wäldern zu bestehen scheint. Alles in allem legten die Briten hier einen Triumphzug hin, der für einen sehr begeisternden Montag-Abend sorgte. Viva Punkrock!
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