Geschrieben von Freitag, 16 November 2012 19:26

Antlered Man & Triggerfinger - Alte Seilerei / Mannheim

Antlered Man Teaser

14.11.2012, Alte Seilerei in Mannheim: Als ich Anfang des Jahres die CD „Giftes Parts 1 and 2" von ANTLERED MAN aus London besprochen habe, hätte ich niemals damit gerechnet, dass ich schon so bald in den Genuss einer Liveperfomance kommen würde. Überraschend bot sich die Gelegenheit, ANTLERED MAN als Support von TRIGGERFINGER in der Alten Seilerei Mannheim auch noch in meiner Nähe erleben zu dürfen. Ob die Band zu Recht aktuell als eine der der besten Livebands von Artrocker nominiert wurde?

Die Alte Seilerei Mannheim müsste so circa 1000 Leute fassen und bietet einen riesigen Vorteil, den man als Kenner von Mannheim zu schätzen weiß: Kostenlose (wenn auch etwas enge) Parkplätze direkt vor der Tür! Als wir gegen 19:30 Uhr dort eintrafen, waren zwar schon die meisten belegt aber wir konnten noch einen ergattern. Ausverkauft war an diesem Abend sicher nicht, aber trotzdem war es ganz ordentlich gefüllt. Sehr viele Gäste waren schon zeitig da und standen erwartungsvoll mit Blick gen Bühne. Ungewöhnlich, denn normalerweise füllt es sich meistens eher zur Hauptband oder die Leute stehen noch locker verstreut rum und schnacken.

Das Quartett ANTLERED MAN betrat pünktlich die Bühne und ließ sich nicht lang bitten. Ich war wirklich extrem gespannt, ob man die Songs auch live gut transportieren kann und wie das Publikum wohl auf die anspruchsvolle Musik reagieren würde. ANTLERED MAN sind ja auch optisch überhaupt nicht einzuschätzen, da hätte jetzt alles aus den Boxen dröhnen können. Auch das Equipment auf der Bühne warf Fragen auf: Megafon und eine liegende Gitarre auf einer Art Keyboardständer? In England sind die „Geweihtragenden" schon längst nicht mehr nur ein Geheimtipp im Undergroundbereich, sondern schon eine Ecke weiter.

Als die Band die Bühne betrat und Sänger Damo Ezekiel bei der Vorstellung „We are ANTLERED MAN" pantomimisch ein Geweih andeutete, konnte noch immer keiner so richtig einschätzen, was jetzt folgen würde. Beim Opener nahm man einfach nur wahr, dass eine heftige Klangmacht aus den Boxen dröhnt und der Vierer aber mal so gar nicht mit Sinneseindrücken geizt. „Wo ist der Refrain? Wo ist die übliche Strophe? Geschenkt! Aber trotzdem saugut...", so oder so ähnlich werden wohl die meisten Anwesenden gedacht haben. Aber der Druck kam deutlich an, Damo machte klar, dass er „ein Mann ist und gehört werden will!". „Platoono Of Uno" und "Outrages 1 to 3 a" ziehen schon aufgrund der vielseitigen Tempowechsel mit, was der Band den ständigen Vergleich mit SYSTEM OF A DOWN einbringt, obwohl der Sound von ANTLERED MAN erfrischend eigenständig ist.

ANTLERED MAN sind eine dieser Bands, die zwar nachhaltige Musik machen aber auf der Bühne für diesen einen Moment spielen und alles geben. Besonders Damo war deutlich daran gelegen, die Leute zu erreichen, ohne sich platt anzubiedern. Fast war ich etwas neidisch, dass ich die Leider schon kannte und nicht zuerst live mit den Stücken von ANTLERED MAN Bekanntschaft machen durfte. Der Applaus nach dem ersten Stück war entsprechend und die Gesichter der Anwesenden wechselten deutlich von irritiert in interessiert. Kennt ihr diesen Moment, wenn man einen heftigen Song mit treibendem Beat gehört hat, der letzte Ton erklingt, Stille kehrt ein und erst dann merkt man, dass man auf irgendeine Art und Weise „geschafft" ist und der Song einen einfach nur geflasht hat?

Mit typisch englischem Humor scherzte Damo während der knappen Ansagen mit dem Publikum und informierte, dass der nächste Song wohl im neuen „Herr der Ringe" Film vorkommen würde. Das alleine reichte schon, um noch mehr Aufmerksamkeit zu kriegen. (Getuschel: "Ach, es gibt einen neuen Herr der Ringe Film ... ?!") Schön zu sehen, dass ANTLERED MAN die Leute wirklich von Titel zu Titel mehr abholen konnten. Die Band hielt perfekt die Waage und war auf der einen Seite im Spiel vertieft, nahm aber auch Blickkontakt mit dem Publikum auf. Auch die Lichtshow war sehr auf den Punkt und unterstützte die Stimmung. ANTLERED MAN sind sehr talentierte Musiker, die an diesem Abend bestätigten, dass man auch mit guter Musik schnell überzeugen kann, wenn man die Möglichkeit dazu kriegt. Der Artrocker Award für die beste Liveband würde natürlich einige Türen öffnen, voten kann man übrigens HIER.

Als Damo „Buddhist Soup" ankündigte (für die Grasraucher...) und die Flöte auspackte, schien die Menge schon eingestimmt auf die besondere Atmosphäre, die ANTLERED MAN in die Alte Seilerei zauberten. Eine tolle Liveband, die meine Vermutungen nicht nur bestätigten sondern sogar noch übertroffen haben. ANTLERED MAN stehen zu tausend Prozent hinter ihrer Musik und fühlen die Inhalte. Das allein überzeugt ja schon und die Tatsache, dass die Musik einfach grandios ist, führt dazu, dass man wohl in der nächste Zeit nicht daran vorbeikommt. Ich denke, ANTLERED MAN sind erst am Anfang ihrer Reise! Es war sehr schön die Band zu sehen und zu wissen, dass jetzt immer mehr Leute von ANTLERED MAN wissen und deren Musik hören können. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte die Band bitte die komplette Platte spielen können. Das Megafon kam übrigens bei "Surrounded By The White Men" zum Einsatz, zur Verstärkung der smarten Lyrics "Daddy buys me anything... presidency, oil company".

Eigentlich gefällt mir das Komplettwerk "Giftes Parts 1 and 2 ", aber "Better The Calamity You Know" ist schon ein Highlight:



ANTLERED MAN zeigten sich nur bedingt strategisch und gaben dem Publikum als Rausschmeißer den doomigen Stampfer "Misruly Roo" auf die Mütze. Ein energetischer Song, der mit über sieben Minuten nicht leicht zu verdauen ist, der aber genau zeigt, was die Stärken von ANTLERED MAN sind. Und genau darum geht es ja, wenn man sich neu vorstellt: Zeig, wer du bist und verstell dich nicht, um zu gefallen.

Auch wenn TRIGGERFINGER und ANTLERED MAN auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, waren ANTLERED MAN doch die perfekte Band für diesen Abend. Sie trafen auf ein offenes Publikum und boten abwechslungsreiche Stücke, fernab von allem Durchschnitt. Das hielt die Menge bei Laune und gab ihnen neue Anregungen mit nach Hause. Schade ist nur die Tatsache, dass sich Vorbands preislich mit ihrem Merchandise an den Hauptbands orientieren müssen. So werden einige gezögert haben, ob sie 15 Euro für die CD ausgeben, auch wenn das Geld natürlich direkt in die Kasse der Band gegangen wäre. Und da ist es bekanntlich am besten aufgehoben...

Ich war also eindeutig wegen der Vorband da, aber wenn man schon mal vor Ort ist, lässt man sich als Musikfan natürlich auch nicht TRIGGERFINGER entgehen. Als das belgische Trio die Bühne enterte, rastete das Publikum verhältnismäßig gut aus. Das hätte ich gar nicht erwartet und auch nicht, dass TRIGGERFINGER live so einen losreißen. Meine Fresse, hatte der Gitarrist Ruben Block einen abartig fetten Gitarrensound. Ich hau' es übrigens lieber gleich am Anfang raus: Wer findet noch, dass er aussieht wie Sky Du Mont? Der gute Herr ist optisch sehr imposant und trug zu seinem coolen Anzug auch noch sehr geniale mintgrüne, spitze Stiefel. Schlagzeuger Mario Goossens strotzte nur so vor Energie und stellte sich gleich mal auf sein Schlagzeughöckerchen, während der Sonnenbrille tragende Bassist Paul Van Bruystegem extrem lässig war und – ich hau es lieber auch gleich am Anfang raus – aussah wie Zahnfleischbluter Murphy aus der Serie „The Simpsons". Was für eine Kante! Neben Ruben stand ein Typ, der während der Lieder immer an diversen Gitarren rumfummelte. Ich dachte erst, der spielt mit und darf nicht auf die Bühne. Aber er stimmte die Gitarren, für die Gitarrenfans töten würden (was für geile Klampfen) und reichte sie dann vorbereitet an Ruben weiter. 

Das Trio gab ordentlich Gas und auch wenn ich die Stücke nicht kannte, war es doch mitreißend. Musikalisch und optisch, da es sich bei TRIGGERFINGER um charismatische und  hervorragende Musiker mit sehr viel Erfahrung handelt. Einige Blueselemente waren echt der Hammer und Ruben Block hat eine faszinierende Stimme, die er rockig kratzig aber auch für ruhige Songs einsetzen kann. Im letzten Drittel gab dann der Schlagzeuger ein Solo (!) zum Besten, was ich wiederum extrem old school fand. Macht man so etwas noch heutzutage? Der Typ schien auch echt etwas übermotiviert und war für meine Begriffe immer so ein Stück drüber mit seinem Acting. Ebenso wie der Sänger, der in einer Ansage von Crew, Roadies, Tonmänner bis hin zur Merchandise Dame alle aus seinen Reihen abfeiern ließ. Natürlich alles die besten Leute der Welt – auch von denen, die da noch kommen werden.

Das Publikum feierte gut ab und besonders beim „I Follow River" Cover kam Bewegung in die Bude. Der Schlagzeuger trommelte auf diversen Tassen und Gläsern, live eine sehr gute Performance. TRIGGERFINGER sind nicht so ganz mein Ding, mir etwas zu gewöhnlich. Aber die Band konnte live überzeugen und unterhalten, auch wenn ich mir das zu Hause wahrscheinlich nicht anhören würde. Allerdings bin ich jetzt aufgeklärt und weiß, dass es echte Rocker sind und die Band keine Charts-Eintagsfliege ist.



Die Alte Seilerei hat sich leider ganz und gar nicht mit Ruhm bekleckert. Von vier Damentoiletten waren zwei zugeschlossen und die beiden übrigen hatten kein Klopapier. War ja nicht so, dass wir unangemeldet gekommen wären... Zum Glück konnte ein netter Herr aushelfen. Es wäre auch nett, wenn das Thekenpersonal den Preis nennen würde und nicht einfach Rückgeld rausgibt, ohne den Gast eines Blickes zu würdigen. Das führte dann dazu, dass ich keine Pfandmarken erhielt, so dass ich dann auch kein Pfand zurückbekam. Als meine Begleitung auch ohne Pfandmarke ihr Glas zurückgab, kam die Auskunft, es gäbe auch gar keine Pfandmarken. Bei der nächsten Bestellung gab es dann allerdings Pfandmarken und entsprechenden Pfandabzug. Verwirrend und unnötig – was macht das Personal, wenn der Laden mal voll ist und einer anfängt zu diskutieren? Und seltsamerweise gab es einen Stempel, aber keinen Wiedereinlass. Wer frische Luft wollte, der musste einen anderen Ausgang nehmen, der in einen eingezäunten Hof führte. Ich habe weder den Sinn verstanden, noch lasse ich mir als Besucher gerne sagen, wann und wo ich vor die Tür darf.

Fotos © BurnYourEars / Nadine Schmidt