Geschrieben von Samstag, 15 Dezember 2012 10:55

J.B.O. & Segard - Rostock / Mau - Club

jbotour2012

01.12.2012 – Rostock, MAU-Club: Ursprünglich sollte der Abend bereits am 26. April stattfinden, wurde aber aufgrund eines schwerkranken Bassisten um sieben Monate verschoben. Also geht's nicht nur mit rosa Krawatte, sondern auch mit rosa Weihnachtsmütze nach Rostock.


Die tollsten Dinge sind rosa: Autos, Schuhe, Gitarren, Elefanten, Steak medium, Kaugummi und schließlich vier äußerst talentierte Männer aus Erlangen. Da Ostseeluft so gesund ist, haben sich die Jungs von SEGARD dazu entschieden, JBO unter die Arme zu greifen und schließen erstmal Freundschaft mit Rostock.

Dies fällt den Jungs ungemein einfach, SEGARD werden von Anfang an herzlich empfangen und abgefeiert. Die Jungs haben bald Tränen in den Augen so wohl fühlen die sich bei uns. Es wird geklatscht, getanzt und rumgealbert. Nicht nur die Band, auch Hannes von JBO kaspert. Mikrofonständer und Hi-Hat sind mit Schnüren befestigt, an denen der Kasper aus dem Graben immer wieder zieht. SEGARD tanzen nach Hannes' Pfeife und fangen ihr Equipment immer wieder ein. Erfolgreich wird dieses aus Hannes' Fängen befreit und die Meute weiter angeheizt. Nicht dass dies nötig sei, es wird von allein mitgeklatscht und laut gejubelt. SEGARD bekommen einen Teil der Fans auch zum Springen. Hannes gibt sich nicht geschlagen und schleicht auf die Bühne, hat für jeden einen Hut mitgebracht und Schlagzeuger Sven bekommt eine blonde Perücke aufgesetzt. Heute ist letzter Tourtag mit JBO für SEGARD, also ist auch Platz für viel Schwachfug, obwohl auch die Musik im Vordergrund steht. Musik können die Jungs von SEGARD machen, denn das, was die da hinrotzen, klingt großartig, rockt und fetzt an allen Enden und ein bisschen progressiv wird es auch noch. Die Spielzeit ist doch schneller vorbei als erwartet und unter lauten Beifall- und Zugaberufen verlassen SEGARD die Bühne.

Erstmal einen kurzen Moment vor die Tür und Frischluft tanken. Ein nervöser Mann fragt uns, ob es richtig sei, "einen Heiratsantrag heute zu stellen." „No Risk, no Fun" oder wie war das? Erstmal wieder rein in die gute Stube. Diese ist plötzlich zum Bersten gefüllt, wo kommen bloß immer die Leute her? Also kämpfe ich mich durch die Meute zum Fotograben, welchen ich heute nur für mich habe.

jbo8Das Licht geht aus, das Intro ertönt und Meute jubelt laut auf. Mit einem lauten Knall und „Walking With An Erection" geht's los. Das Publikum ist sofort Feuer und Flamme für JBO. Felix und Sandy stellen sich im rosa Bademantel auf die Bühne. Darunter versteckt: Eine riesen „Latte", welche dem Zuschauer großzügig vor die Nase gehalten wird. Die Zwei sind sichtlich stolz auf ihr Prachtstück.

Als „Dr. Met" zeigt uns Vito, welcher Tätigkeit er nachginge, hätte er was Vernünftiges gelernt: ein Halbgott in Pechschwarz. Als Arzt genieße er sicherlich mehr Ansehen, auf der Bühne klappt dies bereits sehr gut. Schwester Felix in schwarzem Kostüm droht mit einer großen Spritze, welche glücklicherweise keinem Zuschauer, sondern „Gangsterrapper" Sandy zum Opfer fällt. Dieser wird durch Rock, Metal, gespritzter Medizin und viel Zuneigung von Schwester Felix kuriert. So einfach werden aus verwirrten Hip-Hoppern echte Metaller. Gute Besserung wünscht Dr. Met.

JBO sehen es ein, irgendwie taugt der Headliner heute nichts, also „Geh mer halt zu Slayer" – und siehe da, ein Crowdsurfer zeigt sich, geht jedoch wieder unter. Der ganze Raum hat sich mittlerweile in einen einzigen Tanzmosh verwandelt, es tropft von der Decke, frische Luft sucht man vergebens, aber davon lassen wir uns nicht unterkriegen. Mit großen Augen verfolgt Vito das Geschehen: „Danke Rostock!" – „Bitte Vito!"

Jetzt kommt ein echter „Killer" und Killerqueen Sandy steht im rosa Abendkleid bereit. „Ausziehen, Ausziehen!" fordert das Publikum, aber nur im Tausch. „Wir können darüber reden, wenn sich alle hier im Raum ausziehen!", meint Hannes, welcher übrigens darauf steht, wenn sich Frauen ihre Brüste rasieren. Sandy hat auch ganz schöne Männertitten. So langsam wird Vito ungeduldig und giftet Hannes an. „Dann spielen wir halt, wenn es denn sein muss".

Sandy ist auf Publikumskontakt aus und bietet sich praktisch an. Er stolziert am Bühnenrand hin und her, zwinkert dem Publikum zu und verteilt tüchtig Handküsschen. „Girls Girls Girls!" Felix hat sich währenddessen in ein enges Leopardenkleid gezwängt. Ich hätte mich für das kleine Schwarze entschieden, aber Felix macht eine tolle Figur. Es wird großzügig mitgeklatscht und getanzt. Sandy hat aber ganz schön Bauch in dem Kleid.

Hannes, neugierig, wie er ist: „Sind Frauen hier?" Lauthals wird dies bejaht, aber eine „Frau mit Bart" hat auch Ja gesagt, so was sorgt für Verwirrung. Im Wechsel dürfen nun die Frauen und Männer aufschreien, hört sich aber nach Gleichstand an.

Nun wird es Zeit für etwas Romantik. „Mensch ärgere Dich nicht" macht mit seinen kontrastvollen Melodien den Anfang. Die anschließende Frage „Könnt ihr noch singen?" wird mit mächtig viel Lärm beantwortet. „Arschloch und Spaß dabei" Feuerzeuge an und wir lösen Vito vom Mikrofon ab. Ist das schön, man liegt sich in den Armen. Es sei schon "eine lästige Pflicht, als weltbekannte Balladenband mit jedem neuen Album auch eine Ballade einzuspielen". Uns freut es, dass die Jungs dieser ach so lästigen Pflicht nachgekommen sind und „Dadadidadadei" zum Besten geben.

Im rosa Hippiedress zeigen sich Felix und Sandy auf der Bühne. Die Arme liegen in der Luft, es wird geschunkelt und mitgesungen. Nach so viel Schmalz geben wir mal wieder Vollgas, am besten „Im Verkehr" mit viel Obacht, Gummi und Verhüterli. Die Meute ist noch wach und es bildet sich ein Tanzmosh, in dem ausgelassen gefeiert wird. Es wird lauthals mitgesungen, geklatscht und gehüpft. „Danke Rostock!" – „Bitte Vito!" – „Mach mal ne Ansage." – „Was soll ich denn sagen?" Die beiden Kasper auf der Bühne sind doch zum Knutschen. „Freuen wir uns, dass alle heute so lieb zueinander sind und spielen den letzten Song vom neuen Album, ihr wollt eh nur alten Scheiß hören!"

„Kalaschnikow" ballert mit brutaler Härte die Riffs in die Meute, demonstriert wird dies von Sandy und Felix im schnieken Pink-Camouflage und mit Gummigewehren. Hannes hat seinen fiesesten bösen Blick aufgelegt, aber Angst habe ich vor ihm trotzdem nicht. Er kann schließlich auch ganz „lieb sein". Aber es gibt Themen, bei denen kann man nicht lieb sein: Bei bösen Verboten von JBO Coverversionen, welche nicht veröffentlich werden dürfen. Unter verschlossenen Türen kommen wir Fans exklusiv in den Genuss kurzer Strophen. Eine UNHEILIGe Hymne der Zahnärzte wird gespielt, ein RAMMSTEIN Cover darf nicht fehlen, und so wird aus „Pussy" ganz schnell „Bussi" mit sinnvolleren Lyrics. Der Westernhagen wird ebenfalls erwähnt: „Wer ficken will, muss freundlich sein!" Peter Maffay fehlt auch nicht und so wird flugs aus „Über sieben Brücken musst du gehen" ein „Ja, mit sieben Mal Bücken musst du leben, sieben Mal musst du dich übergeben". Zu schade, dass die Cover nicht genehmigt werden, und wir sollen auch nicht applaudieren, da die Cover schließlich böse sind.

jbo28Zeit für etwas Traditionelles mit „Bimber Bumber Dödel Dei". In bayrischer Paartracht tanzen Sandy und Felix über die Bühne, aber was wird das, Sandy vergreift sich an Felix? Die Sau nimmt Felix von hinten, das geht doch nicht. Das perverse Publikum schaut mit großen Augen zu, ohne auch nur im entferntesten daran zu denken, einzugreifen. Na gut, wir kommen wohl sowieso alle in die Hölle zum Grillen, aber keine Sorge, Hannes wird auch dort sein. Mit Dreizack, rosa Plüschhörnern und aufgesetztem Killerblick stiefelt Hannes auf die Bühne. „Ich vermisse meine Hölle" und „Satan ist wieder da" werden großartig in Szene gesetzt.

Anschließend wird die Bühne Wolfram am Schlagzeug überlassen, der nun wohl am coolsten Schlagzeug überhaupt sein Solo trommeln darf. Das Drumset leuchtet knallbunt. Im Schutz der Dunkelheit stürmen die Saboteure von SEGARD den Fotograben und verstellen die Mikrofonständer auf Kindergröße, anschließend machen sie es sich im Graben mit Kameras gemütlich und warten auf JBO. Es wird romantisch, „Gänseblümchen" spielen die Herren und versuchen sich vom Streich der Jungs wenig beeindruckt zu zeigen. Professionell, wie sie sind, knien sie sich nieder oder machen andere Dehnübungen, um an das Mikrofon zu kommen. 

Schluss mit lustig, ein Ralf aus Rostock wird ausgerufen... das ist der nervöse Typ von draußen. Ralf will seiner Rebecca einen Heiratsantrag machen, „wir schauen, wie sie aussieht, und entscheiden dann." Rebecca trägt heute schwarzrosa mit „Ein guter Tag zum Sterben" Aufdruck. Mal hoffen, dass dies kein schlechtes Omen ist. Aber den rosa JBO-Segen hat das Paar schon mal, so steht der Hochzeit nichts im Weg und ich wünsche den beiden alles Gute. Die nächste RTL Kuppelshow wird wohl von Hannes und Vito moderiert. Um den geglückten Antrag gebührend zu feiern, geht es nun weiter im Text mit „Ich liebe Dir". Getraut wird unser Pärchen von Hohepriester Vito im Namen des Rock und Metal. Zeit für das „Glaubensbekenntnis", Religion mit JBO. Lauthals wird mitgemacht „Ja ich Will!" bis in alle Ewigkeit rocken. „Danke Rostock!" – „Bitte Vito!"

Es ist schon spät geworden und Zeit fürs Bett, aber wir sind noch gar nicht müde. „Schlaf Kindlein, Schlaf" gibt's jetzt, es tauchen weitere Crowdsurfder auf, aber auch die gehen unter. „Nun kommt mal alle zur Ruhe und faltet die Hände zum Gebet", „Ällabätsch" dröhnt es plötzlich aus der Anlage. Falsch gedacht, aber nach dem kurzen Einspieler kommt es dann doch noch zum Gebet. Mit bestem Gewissen können wir nun einen Blick in den Playboy werfen. „Mei Alde is' im Playboy drin", die Hymne muss nur angespielt werden und der ganze Club ist am Toben, es gibt kein Halten mehr. Wer noch eine Stimme hat, grölt lautstark mit und feiert JBO unerbittlich mit letzten Reserven ab.

Felix stürmt mit einem Playboy Bild von Vito über die Bühne. Na, ob die Größe stimmt, ich bin da etwas skeptisch, dafür fährt Vito ein viel zu großes Auto. Die Meute ist heute unermüdlich, es ist stickig, alle sind schweißgebadet, kurz vorm Umkippen, es tropft von der Decke und niemand kommt auf die Idee, eine Tür aufzumachen. „Ein Fest" wird gefeiert und heute ist tatsächlich nicht nur der Himmel blau. Die Jungs von SEGARD verteilen Luftschlangen und rosa Luftballons auf der Bühne und im Publikum. „Wenn ihr zu leise seid, stirbt ein Babyeisbär". Das wollen wir doch nicht und brüllen uns die Seele aus dem Leib.

Nach zwei Stunden stiefeln JBO das erste Mal von der Bühne, aber echte Rockstars sind sich für nix zu schade und so verwundert es nicht, dass die Herren für eine Zugabe zurückkommen. „I Don't Like Metal" wird gespielt und Haare liegen in der Luft, es wird gebangt, was das Zeug hält. Felix und Sandy stehen in pink Camouflage auf der Bühne, so tarnt man sich am besten auf einem JBO-Konzert. „Könnt Ihr noch singen?" Das Beweisen mir im Nu „Ein Guter Tag Zum Sterben" und Rostock ist textsicher. SEGARD stürmen den Graben mit rosa Wasserpistolen und setzen Bühne und Publikum unter Wasser. Hannes wird in Luftschlangen gehüllt aber verspielt sich im Solo nicht. Das verdient Anerkennung. Unter tobendem Applaus und weiteren "Zugabe!"-Rufen gehen JBO erneut von der Bühne und lassen den ungeduldigen Fan warten.

Unfassbar, JBO lassen sich zu einer weiteren Zugabe herauslocken. „Wollt Ihr noch eins? Dürfen wir auch zwei spielen?" Hannes ist doch zum Knuddeln. „Was reimt sich auf Frau Holle?" „BOLLE!" Mehr muss man wohl nicht sagen, mit mächtig viel Spaß geht es auf die Zielgerade. Beendet wird das großartige Konzert mit „Verteidiger des Bloedsinns". Der Verteidigerchor kann stolz auf sich sein und macht seinem Namen alle Ehre. Mit dem guten Gefühl, dem falschen Bloedsinn Einhalt geboten zu haben, entlassen uns JBO hinaus in die Nacht. Wer noch nicht gehen will, kann auch bleiben und auf ein Bierchen am Merch Stand auf JBO warten. Der letzte Witz des Abends lautet „Wer ist der Bruder vom Elvis? Zwölvis!"

Zweieinhalb Stunden haben JBO gerockt, was das Zeug hält, das will noch gelobt werden und SEGARD haben einen tollen Support gegeben. Auch am Sound habe ich nichts auszusetzen, heute hat alles gepasst.

Fotos © BurnYourEars / Cengiz Aglamaz

Cengiz

Seit 2012 bin ich mit Kamera und offenem Ohr für BurnYourEars unterwegs.

Mein musikalischer Horizont kennt keine Grenzen: Von synthlastigem Metal über Rap bis hin zu Screamo – Hauptsache, es groovt und hat Tiefgang.

Live-Konzerte sind meine Passion. Zahllose Gigs und Festivals später bin ich immer noch süchtig nach der Energie, die nur Live-Performances entfachen können. Denn egal wie brillant eine Platte klingt, erst auf der Bühne zeigt sich die wahre Magie einer Band.

Meine All-Time-Favourites? Machine Head, Heaven Shall Burn und Parkway Drive (bis "Reverence"). Aber meine Playlist ist so vielfältig wie ein Festivalprogramm – von Crossfaith bis Lamb of God ist alles dabei.

Wer einen Blick auf meine fotografische Reise durch die Musikwelt werfen möchte: Mein Portfolio mit Konzertbildern seit 2012 findet ihr auf fotocengiz.de.