27.11.2007, Hamburg / Logo
Kat: Nach dem ersten Besuch einiger Hamburger Weihnachtsmärkte muss man sich erstmal aufwärmen. Was wäre da besser geeignet als ein schönes, kuscheliges Konzert im Logo? Netterweise spielten am 27.11 HARDCORE SUPERSTAR mit CRASHDÏET als Support im Logo, dem kleinen Club an der Uni. Als ich um kurz vor neun eine Freundin dort treffe, befürchten wir totale Überfüllung. HCSS haben grade ein neues Album draussen und sind derzeit die Überflieger im Sleaze-Sektor. Aber drinnen ist es dann erstaunlicherweise relativ leer. Auch mal angenehm.
Pünkltich um neun stürzen vier junge Männer auf die Bühne, und schlagartig ist man zurück in den 80ern. CRASHDÏET spielen auf zum Tanz und man schaut interessiert zu. Der Sänger hüpft mit „hoch-das Bein“ um die Bühnenbalken herum, während man neben mir sinniert, ob die Frisur des Bassisten nicht doch eine Perücke sein könnte. Der Sound ist leider viel zu hoch gesteuert, das scheppert ganz gewaltig. Aber die Vier lassen sich überhaupt nicht irritieren und brennen ein nettes Feuerwerk an tanzbaren Rockern ab. Sehr feine Einstimmung auf HARDCORE SUPERSTAR. Besonders, weil die Jungs auch noch niedlich anzuschauen sind, das erfreut frau ja doch.
Kurzer Bühnenumbau und ich fange an zu quengeln. Drei Backdrops mit riesigen roten Rosen hängen vor mir, wunderhübsch anzusehen. Im Geiste nehme ich mir vor, Kollegin Sylvia - die am nächsten Tag ein Interview mit beiden Bands hat - zu befehlen, den Musikern das eine Backdrop abzuschnacken. (Hat nicht geklappt, so ein Ärger aber auch... Das hätte perfekt ins Schlafzimmer gepasst). Mit einer höllisch guten Laune donnern die Schweden, die in ihrer Heimat wirklich Superstars sind, los. Innerhalb von wenigen Minuten brennt das mittlerweile besser gefüllte Logo. Unglaublich, was für eine Energie die Herrschaften an den Tag bringen. In Schweden spielen die vier vor weitaus größerem Publikum,das kleine Logo mit der engen Bühne stört sie heute überhaupt nicht. Sie scheinen jede Minute zu genießen, und Sänger Jocke Berg erklärt im Laufe des Abends, dass HCSS ihre Tournee nur in Hamburg starten konnten, weil das eben die beste Stadt für sie ist. Großer Applaus ist ihm damit gesichert. Man kommt aus dem Tanzen und Singen gar nicht mehr raus.
Mit gutem Sound und toller Setlist haben sie am Ende wirklich alle überzeugt. Auf dem Rock Hard Festival hatten sie mir gut gefallen, aber das heute ist einfach nur legendär, mitreissend und verspricht für die Tage danach ein Dauerhoch an guter Laune. Direkt danach rufe ich die Kollegin an und japse begeistert, mal sehen wie Sylvia das Konzert am nächsten Tag in Köln so findet?
28.11.2007, Köln / Underground
Sylvia: Schön geht anders. Diesen Satz kann man auf viele Sachverhalte beziehen. Beispielsweise auf die Leidenschaft der deutschen Autobahnmeistereien gegen Jahresende, die Autobahnen an allen Ecken und Enden aufzureißen. Oder auch auf Navigationsgeräte, die einen in einen ganz anderen Stadtteil von Köln lotsen wollen, aber nicht in den, in dem sich das Underground befindet. Glücklicherweise bin ich nicht nur auf die moderne Technik angewiesen und habe einen ortskundigen Mitfahrer dabei. Gerade noch pünktlich zu meinen Interviews mit HARDCORE SUPERSTAR und CRASHDÏET erreiche ich Köln-Ehrenfeld und finde relativ schnell einen Parkplatz. Nach den Interviews habe ich erst mal drei Stunden Leerlauf.
Schön geht anders. Das gilt auch für die nähere Umgebung des Underground. Außer einem Plus und einem Burger King gibt es hier nicht wirklich viel zu entdecken. Gegen 19 Uhr öffnet die Kneipe des Underground und drei ziemlich durchgefrorene Ruhrpottnasen und eine nicht minder unterkühlte Münsterländerin wärmen sich in Erwartung des Einlasses bei dem einen oder anderen (alkoholfreien) Bier auf und begutachten die Menschenmasse, die sich vor den Türen des Clubs postiert. Der Einlass soll, laut Eintrittskarte, gegen 19.30 Uhr und der Auftritt von CRASHDÏET um 20.00 Uhr beginnen. Ja, von wegen. Ca. 45 Minuten stellen wir uns in der Schlange innerhalb der Kneipe an, bis der Einlass sich vollzieht.
Zu diesem Zeitpunkt, es ist ca. 20.15 Uhr, ist der Konzertraum bereits ansprechend gefüllt, ich übergebe meine Fototasche an meine Begleiter und wühle mich durch einen Wust von Menschen, einigen verständnislosen Blicken zum Trotz, gen Bühne. Dort angekommen warte ich und begutachte schon einmal die kleine, bis in den letzten Quadratmeter vollgepackte Bühne des Underground, wobei eine ziemlich demolierte Hi-Hat meinen Blick fesselt. Gegen 21.00 Uhr ertönt ein düsteres Intro à la Chopin und zahlreiche Hände recken sich in die Höhe. CRASHDÏET betreten, fasziniert vom unerwarteten Zuspruch, breit grinsend die Bühne und legen mit „In The Raw“ den Grundstein für eine, vorab gesagt, leider viel zu kurze Kick-Ass-Hair-Metal-Orgie. Mein erster Eindruck ist durchaus positiv und ich konstatiere, dass allein Bassist Peter London an einem Abend mehr Haarspray verbraucht als ich in drei Jahren, und über seiner Spandex kürzere Röcke trägt als ich jemals tragen werde. Aber nicht nur besagter Bassist, sondern die gesamte Band ist mit ihrem asseligen, schrägen 80s – Outfit und quietschbunten Instrumenten ein absoluter Augenfang
Mit ausufernden High-Kicks à la David Lee Roth komplettiert Fronter Olliver Twisted (optisch eine gute Mischung aus Vince Neil und dem jungen Sebastian Bach) das durchaus gequetschte Bühnenbild und lässt keinerlei Zweifel am Hunger, den CRASHDÏET auf das europäische Publikum haben. Etwas mehr als 30 Minuten lang geben die vier jungen Schweden sieben Songs, davon fünf ihres neuen Albums „The Unattractive Revolution“, zum Besten und liefern bei ordentlichem Sound eine wirklich energiegeladene Show ab. Das Publikum geht jeden einzelnen Takt mit und feiert mit der Band, die sich nach dem letzen Song, sichtlich ergriffen und beeindruckt, mit einer gemeinschaftlichen Verbeugung und intensivem Shake-Hands bedankt und das soeben Erlebte scheinbar noch gar nicht begreifen kann. Hinterher sieht man unter anderem Bassist Peter London und Drummer Eric Young noch beim Konzert von HARDCORE SUPERSTAR und später noch in der Kneipe, wo sie sich, ganz ohne Scheu, mit ihren Fans unterhalten.
Auf der Bühne ist man schwer beschäftigt, die Backliner schleppen das Equipment von CRASHDÏET von der Bühne, justieren die mit unheimlich vielen roten Rosen bedruckten Backdrops, verlegen Kabel und bereiten alles für den Hauptact vor. Ich wechsele währenddessen mein Objektiv und kämpfe mich ein weiteres Mal nach vorne. Irgendwie scheint jeder HARDCORE SUPERSTAR in den nächsten Minuten ganz nah sein zu wollen, denn im Bereich von zwei Metern vor der Bühne knubbelt es sich doch bedenklich. Und kaum habe ich einen Platz mittig vor der Bühne gefunden, werde ich auch schon angepöbelt, was mir denn wohl einfiele, mich einfach so nach vorne zu drängeln. Mein dezenter Hinweis darauf, dass ich einen Bericht schreiben und dafür halt Fotos machen möchte, stößt bei meinem alkoholisierten Nebenmann auf taube Ohren, ich werde angerempelt und mit dezenten Beschimpfungen bedacht. Ich habe keinen Bock auf Stress und bevor er seine Drohung, Bier über meine Kamera zu kippen, in die Tat umsetzt, bewege ich mich doch lieber zwei Meter nach links.
Gerade noch rechtzeitig positioniere ich mich, halte meine Kamera im Anschlag, und mit den Klängen des Intros betreten Jocke Berg und Konsorten die Bühne. Von der ersten Sekunde an hat die Band das Publikum fest in der Hand und lässt eben diesem gar keine andere Wahl, als wild herum zu springen, die Hände in die Höhe zu recken und lautstark mitzusingen. Die Chemie unter den Anwesenden stimmt an diesem Abend einfach.
Mit schweißtreibendem Stageacting hauen HARDCORE SUPERSTAR der Masse einen Song nach dem anderen um die Ohren, und Sänger Jocke Berg registriert wohlwollend Schreie und Geklatsche. Dennoch lässt er es sich nicht nehmen, mittels kleiner Provokationen und Sticheleien am Rande auch noch das allerletzte Quentchen Energie und Stimme aus der Audienz heraus zu holen. „Hey – Die Leute in Hamburg gestern Abend waren aber lauter!“ wird von einem Sturm der Entrüstung gefolgt und man beweist, dass man durchaus stimmgewaltiger ist als das Publikum an der Elbe. Jocke kann in diesem Moment einfach nicht anders, als einmal übers ganze Gesicht zu grinsen. In der ersten Stunde des zweiten Gigs zur „Mentally Damaged World Tour“ liegt die Konzentration der Setlist auf den Songs zum aktuellen Album „Dreamin’ In A Casket“. Bereits während des Gigs klatscht Frontschwein Jocke eifrig die ihm entgegen gestreckten Hände ab. Nach etwa 70 Minuten erklingen die letzten Akkorde von „Bag On The Head“
und die Band verlässt die Bühne.
Das Publikum hat aber noch lange nicht genug und fordert die Schweden mit lautem „We want more“-Gegröhle zurück auf die Bühne. Man lässt sich dann auch nicht lange bitten und führt die Party mit „We Don’t Celebrate Sundays“ fort. Anschließend betritt CRASHDÏET-Fronter Olliver Twisted zwecks eines Duetts zu "Someone Get me A Doctor" (VAN HALEN) und „My Good Reputation“ und enthusiastisch begrüßt ein weiteres Mal die Bühne. Aber alles hat ein Ende. Auch eines der besten Konzerte, das ich in diesem Jahr besuchen durfte. Nach einer weiteren Zugabe („Kick On The Upper Class“) verlassen HARDCORE SUPERSTAR endgültig die Bühne und mischen sich kurze Zeit später unter die Leute. Der Sound war an diesem Abend ordentlich bis gut, die Musiker und das Publikum haben einfach alles gegeben und eine verdammte Party gefeiert.
Schön geht anders? Nein, in diesem Fall nicht.
Die Setlists:
CRASHDÏET: In The Raw Queen Falling Rain Riot in Everyone Die Another Day I Don’t Care Breakin The Chainz
HARDCORE SUPERSTAR Need No Company Medicate Me Silence For The Peacefully She’s Offbeat Dreamin’ In A Casket Hateful Sorry For The Shape I’m In Wild Boys Sensitive To The Light Mentally Damaged Last Forever No Resistance Bag On The Head We Don’t Celebrate Sundays My Good Reputation Kick On The Upper Class