30.05.07 – Die Emo-/Posthardcore-Jungs von SAOSIN touren sich derzeit den Arsch ab, und der zweite Gig in Deutschland führte sie dankenswerterweise ins Hamburger Logo. – Eine der zahlreichen Stationen nach den Niederlanden, United Kingdom, Indonesien, Australien und Japan. Wie ich vorher aus dem Umfeld der Band erfahren hatte, waren SAOSIN an diesem Abend eigentlich nicht besonders gut drauf; das strapaziöse Tourleben hätte nun wohl seinen Tribut gefordert und dementsprechend sei wohl eher ein lustloses Konzert abzusehen. Doch wie es meistens so ist – die Abende, von denen man am wenigsten erwartet, werden die besten. Und das sollte sich auch dieses Mal bestätigen, zur Freude aller Anwesenden und zur Überraschung der Band selbst.
Ohne Vorband starteten SAOSIN um 9.30 Uhr mit den beiden ersten Tracks des allseits abgefeierten Debütalbums „It’s Far Better To Learn“ und „Sleepers“. Die Stimmung unter den zumeist jüngeren Fans im ganz gut gefüllten Logo stieg langsam, doch war noch recht wenig Bewegung im Publikum zu verzeichnen. Fast sah ich die negativen Prognosen bestätigt, denn auch die Band hatte sichtbar Mühe, in Fluss zu kommen. Ein wenig lustlos lief Sänger Cove Reber (der übrigens eine hervorragende Leistung ablieferte) mit seiner in die Augen gezogenen Wollmütze über die Bühne und spielte mit dem Mikro herum, anstatt die Leute anständig zu begrüßen und dem Publikum seine Aufmerksamkeit zu schenken. Das änderte sich jedoch im Laufe der weiteren Titel zusehends: Die Band wurde spürbar lockerer, und nachdem Gitarrist und Co-Sänger Beau Burchell eine alle Songs umfassende Setlist ankündigte (man spiele schließlich ohne Vorband, also wolle man auch alles geben, was man habe), platzte der Knoten rechtzeitig zur wundervollen Ballade „You’re Not Allone“.
Die Leute sangen mit, die Stimmung wurde plötzlich persönlich und intensiv, und ich spürte die erste Gänsehaut des Abends. Bei „Follow And Feel“ zuckten Füße und Köpfe, und auch wenn die Fans vergleichsweise zurückhaltend agierten, so war spätestens jetzt auch den Jungs auf der Bühne klar, dass Hamburg auf ihrer Seite steht. (An dieser Stelle sei auf das unglaubliche Drumming von Alex Rodriguez hingewiesen, der dermaßen variabel und tight in die Felle drosch, dass ich die meiste Zeit lang ihm auf die Finger guckte.) Jetzt klappten auch Sing-A-Longs mit dem Publikum, und als SAOSIN schließlich „Voices“ anstimmten, war wirklich jeder glücklich, vor und auf der Bühne.
Überhaupt hatte sich die Laune der Band um gefühlte 180 Grad gedreht: Ein Song-Voting wurde gestartet, ein Witz zum besten gegeben sowie eine kurze METALLICA-Reminiszenz angestimmt, um anschließend nach bester Death-Metal-Manier zu bolzen, samt passenden Growls („We’ll give you eight seconds of fury…!“). Sehr cool und durchaus überzeugend, zudem ein kleiner Einblick in die hervorragende Technikbeherrschung der Band, die nach dem herzlichen Applaus und den leuchtenden Augen im Publikum für dieses kurze Zwischenspielchen lachend zusammenfasste: „The future of SAOSIN looks very good!“
Weiter ging’s danach mit einigen Songs von den Vorgänger-EPs sowie „Let Go Control“ vom Japan-Release, bis SAOSIN schließlich nach einer Stunde Spielzeit verwundert konstatierten: „Fuck you Hamburg für playing so goddamn long!“ – Erstes seien sie das erste Mal in Hamburg, zweitens hätten sie noch nie so viele Songs live gespielt wie an diesem Abend, und drittens, so Sänger Cove in schwer akzentgefärbtem Deutsch: „Ich bin ein Hamburger“. Sprach's, und die Herzen der jungen Mädels in den ersten Reihen schmolzen dahin …
Um 10.45 Uhr und ohne Zugabe (man habe alles so weit mögliche gespielt, und Songs wiederholen wäre scheiße) verließen SAOSIN die Bühne, um kurz danach in frischen Shirts wiederzukommen, Fans die Hände zu schütteln und Autogramme zu geben.
SAOSIN haben schlussendlich absolut überzeugt, und auch wenn manche Pause zwischen den Songs ein wenig zu lang geraten und der Start nicht ganz geglückt ist – live ist die Band mindestens so gut wie auf Platte, und dazu noch ungemein sympathisch. Beide Daumen hoch!
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Chris
Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!