Es ist Freitag, und ich friere mir vor der Outpost in Göttingen mit zahlreichen anderen Fans härterer Musik die Finger ab. Auf den Ankündigungsplakaten für den heutigen Abend kleben "Ausverkauft"- Hinweise, doch das war zu erwarten: Therapy?, Thumb und 4Lyn treten heute im Rahmen der "J.D. Rock Nights" vor ihr hauptsächlich jugendliches Publikum.
4Lyn entern um kurz nach 21 Uhr die Bühne und prügeln die ersten Akkorde ihres Debütalbums in die tobende Menge. Die New-Metal Songs besitzen geradlinige Wucht, wobei das abwechslungsreiche Gitarrenspiel für die nötige Gefühlsstärke sorgt, sich das oftmals wiederholte Kreischen des Sängers aber nach einer Weile abnutzt. Der kommuniziert ausgiebig mit dem Publikum, bedient sich einiger typischer Metal-Posen und springt wie eine Feder gespannt und losgelassen durch die Luft.
Nach einer knappen Stunde, den beiden Hits "Lyn" und "Whooo" haben die "four little young nasty" getreu ihrem Bandnamen alles gegeben und überlassen die Bühne Thumb, die derzeit ihr drittes Album veröffentlicht haben.
Mit Crossover vom Feinsten, gepaart mit Scratches, fetten Gitarren und kritischen Texten, jedoch erdiger und geradliniger als auf ihren ersten Alben, verstehen es die Gütersloher, die Halle zu rocken. Das erste mal in Göttingen, macht Sänger Claus Grabke seinem Ruf als "Prediger" dann auch alle Ehre, und kein Song vergeht, der nicht vorher ausführlich angekündigt und dessen tieferer Sinn anhand eigener Erfahrungen beispielhaft verdeutlich wurde. Alte Klassiker gesellen sich zu neuen Stücken, und nachdem mit der aktuellen Single "Down Like Me" auch der letzte Fan vorne im Moshpit mitgezogen wurde, verabschieden sich die fünf sympathischen Groover vom begeisterten Publikum.
Bühne frei für die irischen Herren von Therapy? – das aktuelle Album "Shameless" im Gepäck, geht es ohne Vorgeplänkel direkt zur Sache. Obwohl Therapy? ihre Glanzzeiten mit dem ´94er Album "Troublegum" schon länger hinter sich gelassen haben, schaffen es die Musiker, ihre Songs an den Fan zu bringen. Trotz der Tatsache, dass sie sich stilistisch von den beiden Vorbands abheben - sind sie doch eher dem Punk und dreckigen Rock zugetan als der Hüpf-Metal-Ecke – finden sie das Ohr des Publikums. Gefeiert werden die neuen, doch vor allem die alten Stücke. - "Nowhere", "Diane" (mit E-Chello und eruptivem Gitarrenpart herausragend intoniert) und zum Ende hin "Screamager" werden dankbar aufgenommen und vielfach mitgesungen. Wirkte die Band anfangs noch etwas unsicher, ob sich der Abend für sie lohnen würde, so war sie spätestens nach der zweiten geforderten Zugabe überzeugt: Dies war ihr Abend.
Therapy? punkten immer noch, zumal ihre ausgesprochen publikumsbezogene Performance bei jedem Sympathien geweckt haben dürfte. Nach knapp vier Stunden Musik gab´s überall zufriedene Gesichter, und auch die aktivsten Crowdsurfer und Moshpitbanger gingen glücklich, verschwitzt und besänftigt in Richtung Aftershowparty oder Ausgang.
Chris
Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!