München, 06.02.2009: Früh muss ich raus – zu früh für meinen Geschmack. 4.30 Uhr ist nicht, war nie und wird wohl auch nie meine bevorzugte Zeit zum Aufstehen sein. Aber dieses Mal habe ich einen guten Grund, die Bettstatt zu solch unchristlicher Stunde zu verlassen: Die Briten von MARILLION kommen nach zwei Monaten wieder zu Konzerten nach Deutschland, um die aktuelle Platte “Happiness Is The Road”, welche in der Zwischenzeit Platz 24 in den UK-Charts erreicht hat, live zu präsentieren. Nachdem ich die November-Termine in Zwolle (NL) und Köln aus zeitlichen Gründen nicht wahrnehmen konnte, sehe ich jetzt meine Chance gekommen.
Nach einem entspannten Nachmittag in der überfüllten Münchner Innenstadt begebe ich mich zum Live-Club Backstage an der Friedensheimer Brücke. Der Einlass beginnt um 19.00 Uhr. Als ich kurze Zeit später dort eintreffe, hat das Personal an der Fronttüre und der Abendkasse bereits alle Hände voll zu tun.
40,- € kostet das Ticket an der Abendkasse, und das ist durchaus ein stolzer Preis. Der Club selber ist bereits ansprechend gefüllt. Das Licht ist gedimmt und zu ruhiger, atmosphärischer Musik wird das Publikum auf das Konzert eingestimmt. Das Equipment ist bereits aufgebaut, nur hier und da verlegen eifrige Roadies noch Kabel und stimmen die Instrumente.
Der Raum füllt sich weiterhin. Gegen 20.30 Uhr wird es dunkel, und die Bühne wird in schummeriges, blaues Licht getaucht. Eine Videoleinwand im Hintergrund zeigt das Cover zum aktuellen Release, während Steve Hogarth, Steve Rothery, Pete Trewavas, Marc Kelly und Ian Mosley einheitlich frenetisch beklatscht die Bretter betreten, die für sie in dieser Besetzung seit mehr als 20 Jahren die Welt bedeuten.
Von leger (Trewavas und Kelly) über festlich (Rothery) bis hin zu esoterisch (Hogarth) geht das Bühnenoutfit. Von Ian Mosley sieht man leider gar nichts – dieser Zeitgenosse verbirgt sich schwer beschäftigt hinter dem Sammelsurium aus Becken und Trommeln.
Bereits zu den ersten Klängen des Intros „Dreamy Street“ verklingen alle Stimmen im Bühnenvorraum und weichen andächtiger Stimmung. Man kann während der nächsten Minuten einfach nicht anders, als gebannt das illustre Treiben auf der Bühne zu betrachten und den atmosphärischen Klängen zu lauschen. MARILLION konzentrieren sich in ihrer Setlist fast ausschließlich auf Songs der neueren Werke von „Marbles“ (2004) bis „Happiness Is The Road (2008).
Mosley und Trewavas geben punktgenau den Takt vor. Marc Kelly und Steve Rothery fügen zum Grundgerüst atmosphärische Melodien hinzu, die von Steve Hogarth durch gefühlvollen Gesang komplettiert werden. Gesanglich absolut in Topform meistert er auch die hohen Lagen, ohne dass die Stimme ins Wanken gerät.
Die, bis auf wenige Ausnahmen („Thunderfly“), durchweg ruhigen Songs auf der Setlist werden von den fünf Meistern ihres Fachs hochkonzentriert dargeboten. Aber bei aller Konzentration gibt es immer Freiraum für entspannte Kaspereien. Pete Trewavas hält es mitsamt seinem Bass selten auf einem Fleck, während Steve Rothery jeden Ton, den er seiner Gitarre entlockt, noch mimisch unterstreicht. Mimik ist auch das Stichwort für Fronter Steve Hogarth. Unheimlich ausdrucksstark in Mimik und Gestik agiert er auf der Bühne. Sei es mit Rasseln am Mikrophon, am Keyboard oder mit der Akustikgitarre in der Hand. Mit seinem fröhlichen und entspannten Auftreten bringt er noch mehr Tiefe und Emotion in den Gig.
Man merkt während dieses Konzertes, dass MARILLION und ihre Crew ein perfekt eingespieltes Team sind. Songs, Sound und Lightshow ergänzen sich nahezu perfekt und greifen fast nahtlos ineinander. So tut es der Stimmung auch keinen Abbruch, dass ausgerechnet bei „Easter“ die Technik kurzzeitig versagt.
Aber alles hat ein Ende – auch eines der schönsten Konzerte, das ich besuchen durfte. Nach etwas über zweieinhalb Stunden erklingt mit „Happiness Is The Road“ der letzte Song des Abends und verleiht dem ganzen einen würdigen Abschluss.
Nach dem Konzert stellen MARILLION noch das unter Beweis, was sie zu einer sympatischen und tollen Band macht. Neben den unheimlich guten Songs, die sie auch nach fast 30 Jahren Bandgeschichte immer noch schreiben, präsentieren sie sich als fannah. Sie posieren entspannt für Fotos und signieren von Eintrittskarten bis hin zu Unterarmen alles, was ihnen vor den Stift gehalten wird.
So schnell werde ich diesen Abend jedenfalls nicht vergessen.
Die Setlist:
Dreamy Street
This Train Is My Life
The Other Half (Somewhere Else)
The Man From Planet Marzipan
Fantastic Place (Marbles)
Thunderfly
Out Of The World (Afraid Of Sunlight)
Mad (Brave)
The Great Escape (Brave)
Real Tears For Sale
Asylum Satellite #1
Invisible Man (Marbles)
Whatever Is Wrong With You
Neverland (Marbles)
Easter (Season’s End)
Happiness Is The Road
Fotos (c) by BurnYourEars / Sylvia Bornemann