Geschrieben von Helge Freitag, 10 Mai 2013 18:12
Nicoffeine & Valborg - Rock'n'Roll Warehouse / Hamburg
Es ist schon ein sehr, sehr seltsames Paket, in dem sie spielen, aber hey – VALBORG sind in der Stadt, und das ist nicht nur ein Glücksfall, sondern, wie sich später herausstellt, auch ein Zufall. Also ab nach Hamburg Altona ins Rock'n'Roll Warehouse, einen Hinterhof-Club, der eher an ein Jugendzentrum erinnert.
Wie es sich für solche Locations gehört, wartet der Abend mit Überraschungen auf. Zum einen spielen nicht nur VALBORG und NICOFFEINE, die gerade gemeinsam auf Tour sind, sondern noch zwei weitere Bands – die Stichworte „Pop" und „Hip-Hop" kursieren. VALBORG fangen an. Das allerdings zum anderen nicht, wie vorher verbreitet, pünktlich um halb acht, sondern eine Stunde später; um halb acht ist noch nicht einmal die Tür auf. Zeit genug also für einen Plausch und ein Getränk vom Kiosk. Mehr als zehn Leute sind sowieso nicht da, die drei Doom-Death-Freigeister von VALBORG mit eingerechnet. Am Vortag waren sie in ihrer Heimatstadt Bonn, morgen geht's nach Giessen und dann nach Berlin, erzählen sie, den Hamburg-Gig haben sie eingeschoben, weil ihre Kumpels von NICOFFEINE den klargemacht haben. VALBORG entpuppen sich bei der Gelegenheit als höfliche, nette und ruhige Typen, die sich trotz der Umstände freuen, spielen zu können – und kurze Zeit später in Metal-Monster verwandeln, sobald sie die Bühne betreten.
Schon auf Platte sind VALBORG toll, aber man hört den Songs an, dass sie live gespielt werden wollen. In ihrer klassisch-kargen Trio-Besetzung fetzt die Band dem Metal Fett, Fleisch und Sehnen von den Knochen und reduziert ihn auf sein Skelett. Bass und Schlagzeug könnten reduzierter nicht sein, nur die Gitarre erlaubt sich seltene Spielereien. Das live zu hören, macht Spaß, zumal der Sound super ist und neben den Instrumenten auch die beiden rauen Stimmen gut zur Geltung kommen lässt. Während Gitarrist / Growler Christian Kolf den introvertierten Haare-Schüttler mimt, post Basser / Shouter Jan Buckard breitbeinig und mit finster herabgezogenen Mundwinkeln.
Jede Band, die live spielt, hat mehr Publikum verdient, aber gerade bei VALBORG ist es schade, weil die Musik Potenzial für viel, viel mehr hat. Spätestens bei „I am Space", das ein bisschen in Richtung Power-Metal ausschlägt und Christian Kolf die Gelegenheit gibt, ein spacig ausuferndes Ende zu zaubern, wünscht man sich, in einem Meer verschwitzter Gleichgesinnter verloren zu gehen. Aber auch das restliche Material, ein Mix aus den letzten beiden VALBORG-Alben, schreit nach mehr Aufmerksamkeit. Ob man sich nun in die mystische Atmosphäre der „Barbarian"-Songs hineinträumt oder von den kalten „Nekrodepression"-Monolithen verprügeln lässt. Und leider ist der Auftritt nach nicht einmal 40 Minuten bereits vorbei.
Und letztlich war es dann auch schon fast. Denn nach VALBORG spielen die Hamburger [YUNA] öden Jugendzentrums-Deutschrock, und für die letzte Band, die Schlagzeug, Bass und DJ-Pult auffährt, wird es mir zu spät.
NICOFFEINE zerstören binnen weniger Minuten den Gitarrenverstärker samt Box. Bis dahin allerdings sorgen sie mit ihrem völlig abgepfiffenen Noisekram für offene Münder und bei einigen der dann doch gekommenen Zuschauer auch für Begeisterung. Ein kleiner Typ mit hautenger Rockerkluft und mordsmäßigen Koteletten geht an der Gitarre ab, als duelliere er sich mit Satan, und schickt bis zum Anschlag verzerrte Schreie ins Mikro. Ein schnauzbärtiger Basser dröhnt dazu; die kurze Spielzeit reicht gerade aus, um zu verstehen, dass es wohl doch irgendein Konzept in diesen Krach-Orgien gibt, die klingen, als würden MESHUGGAH Freejazz spielen und ganz üble Drogen nehmen. Der Drummer hat seinen großen Moment, als noch nicht klar ist, dass die Technik nicht wieder zum Leben erweckt werden kann: Er überbrückt die Zwangspause mit einem spontanen Solo, das man eher auf dem Elbjazz-Festival erwarten würde.
Krank, stressig und faszinierend – wäre schön, wenn sich das Paket VALBORG / NICOFFEINE noch einmal für ein Konzert in angemessener Länge hier oben blicken lassen würde.
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Bands: My Dying Bride, Opeth, Nachtmystium, Saint Vitus, Genesis