Geschrieben von Sonntag, 09 März 2014 13:20

Hell Over Hammaburg Festival Bericht - Hamburg, Markthalle

Unter dem Banner „Hell Over Hammaburg“ fanden sich in der Hamburger Markthalle (und ihrem integrierten, kleineren Nebenclub MarX) diverse Untergrund-Perlen zusammen, die man so nicht an jeder Steckdose sehen kann. Das lockte 1.200 geschmackssichere Headbanger in die Hansestadt, nochmal eine Schippe mehr als bei der Festival-Premiere 2013.

Zu BÖLZER, die heute Abend das Tor zu Hölle aufschließen, kann ich leider überhaupt nichts sagen, da das MarX dermaßen überfüllt ist, dass ein Securitymann vor der Tür steht und keinen mehr reinlässt. Diese Situation tritt im Verlauf des Abends immer wieder auf, aber man kann ja nicht alles haben. Und weil es in beiden Hallen fast durchweg gute Bands zu sehen gibt, ist das Jammern auf hohem Niveau. (Tamino)

Im großen Saal machen CORSAIR den Anfang. Die Band aus Virginia steht stellvertretend für die charmante Idee, die das HELL OVER HAMMABURG prägt: Nicht das Genre ist entscheidend, sondern Undergroundstatus und Exklusivität. So passen CORSAIR mit ihrem proggigen Hard Rock zu vielen heftigen Bands des späteren Abends zwar überhaupt nicht – aber sie haben mit ihren bisherigen Veröffentlichungen für einiges Aufsehen gesorgt und spielen in Hamburg ihre erste Europa-Show überhaupt.

CORSAIR wollen dementsprechend nicht wenige Leute sehen, die Markthalle ist schon leidlich voll. Aus der Reserve kann die Band ihr Publikum aber nicht locken. Allerdings sind die Doppelleads und der teils dreistimmige Gesang auch eher etwas zum Lauschen als zum Slammen, und der Applaus ist herzlich. Mich persönlich reißt es nicht um – und angesichts der Erfahrungen bei BÖLZER gehe ich lieber überpünktlich rüber ins Marx, weil ich unbedingt vor der Bühne sein muss, wenn MANTAR spielen.

Deren Debüt „Death By Burning“ avanciert gerade zum heißen Underground-Shit und viele wollen sich von den Livequalitäten des Hamburger Duos überzeugen: Das Marx ist voll. Wer es noch nicht weiß, kann angesichts der Verstärker-Phalanx sicher ahnen, dass MANTAR ihrem Publikum auch mit nur einer Gitarre die Ohren abreißen können. Und das macht das Duo auch – mit einem super Sound, der dem Material der Platte sehr gerecht wird: Eine schwarzverkrustete Wall of Sound, getrieben von wuchtigen, groovenden Drums, gewürzt mit dem heiseren Krächzen von Gitarrist Hanno, und all das stürzt sich aus dichtem, blauem Nebel auf die Zuhörer wie ein finsteres, klauenbewehrtes Tier. Die Fans sehen eine geile, intensive Show, der man anmerkt, dass die beiden gerade richtig Bock auf das haben, was mit ihnen geschieht – und mindestens so viel Spaß daran haben, wie das Publikum. Sollte das schon das Highlight des Festivals gewesen sein?

Die direkt im Anschluss spielenden SATURNALIA TEMPLE sind es jedenfalls nicht. Zwar finde ich das Trio nicht so öde wie aus der Konserve. Aber ein einfaches Riff auf zehn Minuten auszuwalzen, mit schwammeligen Psych-Gitarrensoli und ebensolchem Gesang – das haut mich nicht um. Das geht denen, die den im Raum stehenden Grasqualm inhalieren, sicher anders, und überhaupt zeigen sich sehr viele begeistert. Und immerhin gibt es die ersten Ausfallerscheinungen zu bewundern. Ein Mann stolpert mit weit ausgreifenden Schritten Richtung Bühne und huldigt seinen Idolen, indem er sich mit Bier begießt. (Helge)

Der Auftritt von OMEGA MASSIF wird für mich zu einer positiven Überraschung und ist sicher eines der Highlights des Festivals. Die Band legt im großen Saal pünktlich und mit gutem, druckvollen Sound los. In recht spärlicher blauer Beleuchtung walzen die Deutschen ihr rein akustisches Material in die Menge. Man spürt selbst ganz hinten im Saal den Bass im Brustkorb und die Drums unter den Füßen. Der Sound, den man nur als Urgewalt bezeichnen kann, kombiniert geschickt Dichte und Wucht mit wunderschönen melodischen und klirrend kalten Einsprengseln, die am besten funktionieren, wenn man die Augen zu macht und sich ganz dem epischen Kopfkino hingibt, das die Musik, deren Motive sich hauptsächlich auf Berge berufen, erschafft. Großartig – das frenetische Publikum sieht das genauso und die Band ist hörbar erfreut.

SULPHUR AEON kloppen die Hörer dann wieder ins Hier und Jetzt zurück. Vor der Bühne ist es zwar etwas leerer als bei OMEGA MASSIF, aber auch die Ruhrpottler können auf ihre Fanbase zählen. In aggressiv-rotem Bühnenlicht brettern die Lovecraft-Fans ein Death Metal-Inferno ab und beweisen, dass sie nicht zu Unrecht als eine der großen Hoffnungen im Genre gehandelt werden.

DEAD LORD haben das MarX vom ersten Ton an komplett in der Hand. Nach jedem Song der schwedischen THIN LIZZY-Jünger wird laut gejubelt, gesungen oder gegrölt. Und das zu Recht, denn die Jungs haben nicht nur auf ihrem aktuellen Album „Goodbye Repentance“ bewiesen, dass sie es verstehen, erstklassige Hardrock-Songs zu schreiben, sondern können diese auch top auf die Bühne transportieren. Sei es nun der Gesang von Frontmann Hakim, der sitzt wie Arsch auf Eimer, oder das Gitarrenduell, welches er sich mit dem anderen Gitarristen Olle in der Mitte von „Onkalo“ liefert – man merkt der Band jederzeit den Spaß an der Sache und auch die Professionalität an, die die junge Truppe auf Tour entwickelt hat. Ein Song wie „Because Of Spite“ zündet in der Live-Version sogar noch mehr als auf CD. Da kommt noch ganz Großes!

Spätestens in der darauf folgenden Pause fällt auf, dass die Markthalle nicht ganz ideal für ein Tagesfestival ausgestattet ist. Neben nicht allzu fairen Getränkepreisen (3 Euro für einen kleinen Becher Wasser ...) ist auch der integrierte Kiosk nicht zu empfehlen – außer man ist dazu bereit, für ein dröges Frikadellenbrötchen 3 Euro zu zahlen oder sich aus dem Fundus fettigen Fastfoods etwas anderes herauszupicken. Zum Glück liegt die Markthalle direkt am Hamburger Hauptbahnhof, sodass man zur Not auch woanders etwas zu Beißen bekommt. (Tamino)

Als nächstes stehen THE RUINS OF BEVERAST auf meiner Liste. Dass Männer mit Kapuzen einen solch langen Soundcheck machen, dass schon stellenweise Unmut laut wird, lohnt sich nicht: Der Sound ist erstmal Matsche. Die Band um Alexander von Meilenwald ist trotzdem gut und bringt die Lebensverneinung und Kälte der ausufernden und dichten Back Metal-Kompositionen gut auf die Bühne. Die reduzierte Lichtshow tut ein Übriges: sehr statisch, ein Song in kaltem Blau, einer in blutigem Rot. Hin und wieder fährt ein Scheinwerfer suchend über die Köpfe des Publikums. Wegen der grundsätzlich etwas stressigen, knappen Taktung des Festivals muss ich nach der Hälfte wieder rüber in den kleinen Saal – ich hörte aber, dass der Sound besser wurde. Mir hat es auch so gefallen.

BEEHOOVER gehen tatsächlich in die Beine – eine schöne Abwechslung und kein Wunder bei dem Groove des Duos, das, ich staune immer wieder, nur aus Schlagzeug und Bass besteht. So kann man sich entweder dem leicht stonerlastigen Rock hingeben und zappeln, und das tun auch viele. Oder man kann den beiden Musikern einfach auf die Finger schauen und staunen. Dass der Viersaiter so sehr übersteuert, ist schade, aber als ich nach vorne vor die Bühne gehe, wird es besser. BEEHOOVER sind als Ersatz für SELIM LEMOUCHI & HIS ENEMIES auf das Billing geraten, was ich zuerst schade fand: Immerhin hatte Selim im Vorfeld gesagt, sein Anspruch sei es, mehr als eine einfache Rock n‘ Roll-Show zu bieten. Doch das tun auch BEEHOOVER, denen sich MANTAR knapp geschlagen geben müssen, was meine persönliche Top-Band des Tages angeht.

ATLANTEAN KODEX haben mit „The White Goddess“ eines der besten Alben des letzten Jahres veröffentlicht und starten mit gutem Sound und voller Halle mit „White Goddess Unveiled“ (das stark an alte MANOWAR erinnert) in ein Set voller Unantastbarkeiten. Zwar fehlt es Sänger Markus Becker noch etwas an Ausstrahlung, aber das macht er mit einer grandiosen Stimme wieder wett. Man hört von ihm heute Abend auch keinen schiefen Ton, und so veredelt er Songs vom aktuellen Album der Bayern wie „Twelve Stars And An Azure Gown“ (magisch!) oder das im Refrain von der ganzen Halle mitgesungene „Sol Invictus“ genauso wie das abschließende vielbejubelte „Pilgrim“ (Markus Becker: „Der nächste Song handelt von einem Pilgrim. Er heißt 'Pilgrim'!“). Man könnte der Band noch stundenlang weiter zuhören, nach einer Stunde ist aber leider schon Schluss. (Tamino)

Bei HETROERTZEN ist es wieder so voll im Marx, dass keiner mehr rein darf. Also gehe ich erstmal rüber zu ATLANTEAN KODEX, die mich eigentlich nicht die Bohne interessieren und die den uncoolsten Frontmann ever haben. Aber: tolle Stimme hat er und auch die Musik kann was. Trotzdem versuche ich es noch einmal im Marx. Da legen HETROERTZEN gerade Mönchskutten und Masken ab – ist ja auch Karneval. Über einem Kerzenleuchter wird ein Zettel verbrannt. Mit so einem Getue kann ich wenig anfangen, das Black Metal-Geprügel der Chilenen kommt aber ganz gut. (Helge)

Die NWOBHM-Helden SATAN sind heute anscheinend besonders gut drauf. Schon beim Interview vor der Show lachen Sänger Brian Ross und Gitarrist Steve Ramsey eine Menge und auch auf der Bühne wird deutlich, dass die Jungs ordentlich Spaß in den Backen haben und auch mal den ein oder anderen Scherz reißen. Brian Ross ist grandios bei Stimme und klingt ungelogen nicht einen Tag älter als auf dem 1983er Debüt „Court In The Act“. Leider legt der Soundmann eine Menge Hall auf seine Stimme, wohl um mögliche Schwächen zu übertünchen – unnötig. Sogar die höchsten Schreie kriegt der Mann ohne Probleme und immer wieder auf die Reihe.

Und auch der Rest der Band ist top in Schuss. Gleich das Eröffnungsdoppel aus „Trial By Fire“ und „Blades Of Steel“ macht deutlich, dass mit SATAN auch 2014 noch zu rechnen ist – selbst wenn neben dem ärgerlichen Halleffekt zusätzlich das Schlagzeug viel zu laut bollert und die filigranen, schnellen Gitarrenläufe und Soli von Ramsey und Tippins etwas untergehen lassen. Die Mischung aus alten und neuen Songs gelingt sehr gut, vor allem begeistern die bereits erwähnten Einstiegssongs, sowie „Twenty Twenty Five“, „Siege Of Mentality“ (beide vom 2013er Werk „Life Sentence“) sowie der Rausschmeißer „Alone In The Dark“. Zum Glück ist bald eine Europatour mit Zwischenstopps in Deutschland geplant, denn wer SATAN heute verpasst hat, sollte diesen Faux Pas so schnell es geht nachholen! (Tamino)

Nach einem kurzen Besuch im großen Saal bei SATAN bleiben mir noch FAUSTCOVEN, um den Abend ausklingen zu lassen (den Maiskolben bei KFC nicht mitgerechnet). Der Sänger hat sich unter einer original SODOM-Gedächtnismaske versteckt („In The Sign Of Evil“) und spart nicht an großen Gesten. Black, Doom, Sludge – wie soll man es nennen? Auf jeden Fall ist der stumpfe Sound ein guter Rausschmeißer und ein guter Abschluss eines gelungenen Festivals – 2015 gerne wieder! (Helge)

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